Literatur:Spürbare Nachwirkungen

Literatur: Der 45-jährige Leonhard F. Seidl hat für seine Arbeit schon zahlreiche Preise und Stipendien erhalten, unter anderem von der Romanwerkstatt Literaturforum im Brecht-Haus oder der Bayerischen Akademie des Schreibens im Literaturhaus München.

Der 45-jährige Leonhard F. Seidl hat für seine Arbeit schon zahlreiche Preise und Stipendien erhalten, unter anderem von der Romanwerkstatt Literaturforum im Brecht-Haus oder der Bayerischen Akademie des Schreibens im Literaturhaus München.

(Foto: Katrin Heim/oh)

Leonhard F. Seidls neuer Roman "Vom Untergang" spielt zum Teil in Isen. Einer der Protagonisten ist Forstrat Georg Escherich, der vor 100 Jahren zusammen mit anderen Protofaschisten wie Oswald Spengler dem Nationalsozialismus den Weg bereitete

Von Florian Tempel, Isen

Der Markt Isen erinnert sich in diesem Jahr mit Veranstaltungen und Aktionen der ersten schriftlich fassbaren Erwähnung des Ortes vor 1275 Jahren. Zur Feier des Jahres ist sogar ein Kunst- und Literaturpreis unter dem Titel "Fabelhaftes Isen" ausgelobt worden, bei dem man aktuelle künstlerische Werke mit Isen-Bezug einreichen sollten. Einer der da mitgemacht hat, ist der Schriftsteller Leonhard F. Seidl, der in Isen aufgewachsen ist, aber schon seit vielen Jahren in Mittelfranken lebt. Seidl hatte sich für den Isener Jubiläumsjahr-Literaturpreis mit einem Ausschnitt aus seinem neuen Roman, der in Kürze erscheinen wird, beworben. Passt eh: Sein neues Buch "Vom Untergang" erinnert an eine vergangene Zeit, die - wie alle Vergangenheit - nicht spurlos verschwunden ist, sondern spürbar nachwirkt.

Die Story spielt im Jahr 1922 und - auch das ist natürlich sehr passend - zum Teil in Isen. Hundert Jahre nach den Mordanschlägen auf Walther Rathenau und Philipp Scheidemann zeichnet Leonhard F. Seidl "ein packendes Sittenbild der Weimarer Republik", wie es in der Ankündigung des Verlags Edition Nautilus heißt. Über das Buch kann man noch nicht viel verraten. Es dauert noch ein paar Wochen, bis man es erwerben und lesen kann. Ein bisschen was gibt der Autor aber schon jetzt preis.

Er hat mehrere Jahre lang daran gearbeitet. Die Recherche und Vorbereitung waren aufwendig. Leonhard F. Seidl hat in vielen Archiven Originaldokumenten gesucht und gesichtet, alte Zeitungen gewälzt, Sitzungsprotokolle durchgearbeitet und die nachgelassenen Briefe und Schriften von Menschen gelesen, nach denen heute noch Straßen benannt sind. In Isen ist das so mit Georg Escherich, einem Wegbereiter des Faschismus in Deutschland. Es ist zwar nur eine kurze Straße mit einer Handvoll Hausnummern. Aber immerhin, die Georg-Escherich-Straße existiert und sie liegt mittendrin im historischen Kern des uralten Ortes.

Escherich ist einer der Protagonisten in Seidls neuem Roman. Eine zweite wichtige Hauptperson ist der rechtskonservative Erfolgsautor Oswald Spengler. Sein Hauptwerk heißt "Der Untergang des Abendlandes". Spengler hasste die Weimarer Republik und wünschte sich einen Diktator, der ihr ein Ende setzten würde. Und er schmiedete geheime Pläne für eine Lenkung der deutschen Presse. Gemeinsam mit dem Isener Forstrat Escherich, dem Gründer einer militanten Bürgerwehr, will er die öffentliche Meinung zielgerichtet beeinflussen und lenken. Und so treffen sich die beiden geistigen Brandstifter in Isen, gehen Forellen fischen im Schinderbach und streiten sich. Was sonst noch alles passiert, dazu später mehr, wenn das Buch raus ist.

Für Leonhard F. Seidl ist die reale Beziehung und Kooperation von Escherich und Spengler, aus Sicht des Schriftstellers, ein Glücksfall. Die große Geschichte im Kleinen zu finden, die nationale und globale Dimension in lokalen Ereignissen und Begegnungen nachzuspüren und aufzuzeigen, ist seine Methode. Schon in früheren Büchern hat er Realität und Fiktion verwoben. Zuletzt in seinem Schelmenroman "Der falsche Schah", der in Rothenburg ob der Tauber spielt, oder im Kriminalroman "Fronten", in dem er den mörderischen Amoklauf in Dorfen 1988 aufgegriffen hat.

Der 45-jährige Leonhard F. Seidl, hat für seine Arbeit schon zahlreiche Preise und Stipendien erhalten, unter anderem von der Romanwerkstatt Literaturforum im Brecht-Haus oder der Bayerischen Akademie des Schreibens im Literaturhaus München. In diesem Jahr ist er für Stipendienaufenthalte mehrere Woche im Ausland. Im Nationalpark Thayatal wird er einen Monat verbringen, um Menschen, Tieren und Natur, deren Geschichte und Gegenwart zu begegnen. Er wird erst zwei Wochen auf der österreichischen Seite sein und dann zwei Wochen im tschechischen Národní park Podyjí in einem ehemaligen Zollhaus wohnen. Im August reist er nach Lettland, wo er bei einem literarischen Stipendium im Ventspils Autorinnen und Autoren aus verschiedenen Ländern begegnen wird. Auch aus dem ungarischen Pécs hat er einer Einladung erhalten. Aber zwischendrin wird er natürlich nach Isen kommen und aus seinem neuen Buch lesen.

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