Leuchtturm für Erding:Und unten, da leuchten wir

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Der Künstler Gerhard Freising will mit seiner Skulptur Farbe in den Stadtpark bringen und er beruft sich auf eine Tradition der Türme

Von Philipp Bovermann

Bald wird es leuchten im Stadtpark - und nein, mit Weihnachten hat das nichts zu tun. Sondern mit Kunst. Mit einem 11,50 Meter hohen Stahlgerüst, das mit satinierten - also blickdichten, "milchigen" - und darüber bunten Glasplatten verkleidet ist. Tagsüber fällt das Licht auf deren freiliegende Kanten und bringt sie zum Leuchten. Nachts helfen LED-Lampen nach.

Einen "Leuchtturm" nennt der Künstler Gerhard Freising seine Skulptur. Wenn man den Park durch den Südeingang betritt, von der S-Bahn-Station Altenerding her kommend, und in Richtung des Anne Frank-Gymnasiums und der Mädchenrealschule geht, soll nach Abschluss der laufenden Sanierungsarbeiten nach etwa 50 Metern ein neuer Weg runter in Richtung des Wildgeheges führen. An die dadurch entstehende Weggabelung kommt der Turm hin - um eine "Eingangssituation" in den Park zu schaffen, sagt Ludwig Kirmair, Zweiter Bürgermeister und Kulturreferent von Erding. Der Turm solle als "Orientierungspunkt" dienen, aber auch als Treffpunkt.

Innen ist der Turm hohl, man kann sich darin aufhalten, an alle drei Seiten kommen Sitzbänke. Schüler werden vielleicht ihre Pausen darin verbringen. Aber auch andere Parkbesucher, die hier ein paar Minuten innerhalb des auch nach innen sichtbaren Lichterspiels sitzen wollen. Ein Dach wird der Turm nicht haben, um sich nicht künstlich selbst zu verdunkeln. Auch besteigen wird man ihn nicht können. Der "Leuchtturm" soll kein "Zweckbau" werden, so Kirmair. Sondern Kunst. Mit anderen Worten: Ein Statement. Aber wofür?

Der "Leuchtturm" ist als Miniaturmodell im Museum Erding zu sehen. (Foto: Stephan Görlich)

Der Künstler Freising aus Trier möchte mit seiner Skulptur die "Tradition der Türme der Stadt Erding" aufgreifen und fortführen. So schreibt er es in einer Erläuterung seines Entwurfs, der zusammen mit einem Miniaturmodell bereits im Museum Erding zu sehen ist. Dort arbeitet Doris Bauer, die in ihrer Freizeit auch die "Erding Tower Tours" anbietet. Eine Turmexpertin also. Eine Besonderheit in Erding, sagt sie, sei neben der recht großen Zahl von Türmen der Umstand, dass der Stadt- auch als Kirchturm fungiert. In ihm hängen die Kirchenglocken der Stadtpfarrkirche St. Johannes. Aber auch die Türmer hatten dort oben ihre Wohnung und hielten bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts Ausschau nach Gefahren. Der Erdinger Stadtturm hatte also sowohl weltliche als auch geistliche Funktionen. Er ist Symbol für Weitsicht und Einkehr, in Erding auf charakteristische Weise verschränkt.

Auch der "Leuchtturm" wird eine deutliche sakrale Komponente haben. Die Dichte der farbig leuchtenden Platten an der Außenfassade, und damit die Leuchtkraft des Turms, soll nach oben hin zunehmen. Dorthin, in höhere Gefilde, ist das Werk orientiert. Aber eben auf säkulare Weise. Schließlich ist er ein Kunstwerk und kein Kirchturm. Man trifft darin andere Menschen. Er ist offen und für jedermann frei. Er ist bunt, ein Zeichen für Vielfalt - wie bereits ein anderer Erdinger Turm. Im Jahr 2009 wurden die Stadt und der Landkreis für ihr Engagement um Toleranz und Demokratie als ein "Ort der Vielfalt" ausgezeichnet. Die entsprechende Tafel hängt am Schönen Turm.

In die nähere Auswahl kam die Skulptur "Lichtung" der Münchner Künstlerin Susanne Wagner. (Foto: Stephan Görlich)

Neben dem "Leuchtturm" war auch noch ein zweiter Entwurf in der näheren Auswahl, der ebenfalls mit Licht zu tun hat. Die Münchner Künstlerin Susanne Wagner hat sich für die Stelle eine riesige Tischlampe vorgestellt. Auf deren Fuß sollten sich die Parkbesucher setzen und das Licht mittels eines Sensors anschalten können. Der Lampenschirm des Miniaturmodells im Museum sieht aus, als bestünde er aus bunten, übereinanderliegenden Blütenblättern, die Künstlerin selbst spricht von einem "exotischen Federkleid". Von unten wirkt es, als blicke man ins Dach eines Zirkuszelts. Eine gigantische Leselampe zum Anknipsen und Daruntersetzen im Park - etwas verrückt, aber auf jeden Fall eine charmante Idee.

Weniger charmant fand die Jury allerdings, wo die Künstlerin die Lampe historisch hergeholt hatte. Sie könnte, so schreibt sie über ihren Entwurf, "dem Privathaushalt Freiherr Walter von Grainger (Gründer des Parks) entnommen sein". Der paradiesvogelhaft bunte Lampenschirm spielt also auf eine Zeit an, als gewöhnliche Leute noch nichts verloren hatten im Park und außer dem Freiherren nur seine exotischen Vögel darin herumstolzieren durften. "Davon war ich nicht so überzeugt", sagt Kirmair, der mit Vertretern aller Fraktionen im Stadtrat und Fachpreisrichtern die Auswahl der eingereichten Entwürfe übernommen hat.

Der "Leuchtturm" kommt in die Nähe des Südeingangs zum Stadtpark. (Foto: Renate Schmidt)

Nicht in die nähere Auswahl gekommen seien, so erzählt er, ein riesiger Stahlkubus, aus dem Baumformen hervorgetreten wären ("Bäume im Wald, das war mir zu viel Bäume"), eine Vasen-Skulptur aus Cortenstahl ("zu düster"), ein acht Meter großer Kaktus ("es sollte um das Thema des Fremden gehen") und die stofftierartige Bronzeskulptur eines Esels ("wegen des Themas Esel im Stadtpark").

Stadtrat Harald Seeholzer, der ebenfalls in der Jury saß, sagt, er sei sehr zufrieden mit der Entscheidung. Auch um die Beständigkeit des Werks mache er sich keine großen Sorgen - und er muss es wissen, schließlich ist er selbst bildender Künstler, bekannt vor allem durch seine Rohrskulpturen im Gewerbegebiet West. Gegen die wirkt der "Leuchtturm", der nur aus Glas, Licht und Liebe zu bestehen scheint, auf den ersten Blick sehr zerbrechlich. Das sei er aber keineswegs, versichert Seeholzer. Das Glas für die Skulptur werde auch für Sichtschutzwände an Autobahnen verwendet "Eine massive Angelegenheit" sei das und obendrein leicht von Graffitis zu reinigen. Besonders überzeugt habe ihn an dem Entwurf, dass der "Leuchtturm" so gut an die ihm zugedachte Stelle passe. Auch das muss ja bei einer Skulptur stimmen: Nicht nur die historische, sondern auch die konkrete räumliche Verortung, in diesem Fall umringt von den Bäumen des Stadtparks. Da geht eine Kunstinstallation leicht unter. Ein Wald, erzählt Seeholzer, das sei für ihn "etwas Heiliges", "wie eine gotische Kathedrale". Dieses Gefühl greife die sakrale Anmutung der Skulptur auf.

Letztlich ist es wahrscheinlich egal, ob man nun annimmt, der Turm leuchte für die Menschen auf den Sitzbänken, in den Erdinger Himmel hinein oder in die Bäume - die Stadt hat auf jeden Fall Glück, neben einem "schönen" auch noch einen "leuchtenden" Turm zu bekommen.

© SZ vom 08.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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