Lebenshilfe Erding:Einsatz für ein selbstbestimmtes Leben

Lebenshilfe Erding: Beim Tag der offenen Tür zum 20-jährigen Bestehen des Edeltraud-Huber-Hauses. Auf dem Programm stand auch eine Theateraufführung der Bewohner und Bewohnerinnen.

Beim Tag der offenen Tür zum 20-jährigen Bestehen des Edeltraud-Huber-Hauses. Auf dem Programm stand auch eine Theateraufführung der Bewohner und Bewohnerinnen.

(Foto: Renate Schmidt)

Die Lebenshilfe Erding feiert an diesem Freitag gleich zweimal: Der Verein wird 50 Jahre alt und das Edeltraud-Huber-Haus 25 Jahre. Der Anfang war steinig, doch heute sieht nicht nur Sozialministerin Ulrike Scharf das Zusammenleben von Menschen mit und ohne Behinderung als Selbstverständlichkeit.

Von Regina Bluhme, Erding

Menschen mit geistiger Behinderung möchten leben wie andere auch, möglichst selbst bestimmt und gemeinsam mit anderen. Im Edeltraud-Huber-Haus in Erding ist das möglich. Die Namensgeberin des Wohnheims war Gründerin, Geschäftsführerin und stellvertretende Vorsitzende des Vereins Lebenshilfe Erding. In einem Festakt werden an diesem Freitag, 1. Juli, in der Stadthalle Erding der 50. Geburtstag der Lebenshilfe Erding und zugleich das 25-jährige Bestehen des Edeltraud-Huber-Hauses gefeiert. Die Glückwünsche überbringt die bayerische Sozialministerin und CSU-Heimatabgeordnete Ulrike Scharf persönlich.

Edeltraud Huber, die selbst eine schwer behinderte Tochter hatte, rief den Verein Lebenshilfe Erding zusammen mit anderen Eltern behinderter Kinder ins Leben. Als Mutter wusste sie, was damals Ausgrenzung und Ablehnung bedeuteten. Edeltraud Huber hat einmal beschrieben, wie schwierig die Anfänge waren, welch beharrliche Nachforschungen es bedurfte, überhaupt von Familien mit behinderten Kindern zu erfahren. "Sie wurden mehr oder weniger von ihren Eltern versteckt, und Ärzte und Gesundheit waren an ihre berufliche Schweigepflicht gebunden."

Lebenshilfe Erding: Ein Blick in die Erdinger Isar-Sempt-Werkstätten der Lebenshilfe, im Bild aus 2021 werden Arbeiten für Himolla erledigt, vorne wird Federkern entpackt.

Ein Blick in die Erdinger Isar-Sempt-Werkstätten der Lebenshilfe, im Bild aus 2021 werden Arbeiten für Himolla erledigt, vorne wird Federkern entpackt.

(Foto: Renate Schmidt)
Lebenshilfe Erding: Feiern gehört zum Leben: Hier ein Archivfoto vom Sommerfest anlässlich 45 Jahre Lebenshilfe Erding.

Feiern gehört zum Leben: Hier ein Archivfoto vom Sommerfest anlässlich 45 Jahre Lebenshilfe Erding.

(Foto: Renate Schmidt)

Seit seiner Gründung versteht sich der Verein Lebenshilfe Erding als Begleiter für Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung und deren Familien sowie als deren Interessenvertretung. Neben der Förderung der gesellschaftlichen Integration von Behinderten wurden zunächst Arbeitsstätten geschaffen. 1976 wurde die erste Werkstatt in Kirschasch eröffnet, 1980 zog die Werkstatt in an den heutigen Standort in Erding. Bis heute die Lebenshilfe Erding Gesellschafter der Isar Sempt Werkstätten GmbH.

Anlässlich des 40-jährigen Vereinsjubiläums hatte die Süddeutsche Zeitung über Edeltraud Huber geschrieben: "Durch ihre unermüdliche Schaffenskraft und ihre Hartnäckigkeit im Kampf für ein anerkannteres und selbstbestimmteres Leben von Behinderten, hat Edeltraud Huber dazu beigetragen, dass sich die Lebensbedingungen von Behinderten und ihre Akzeptanz in der Gesellschaft allmählich wesentlich geändert haben."

Die Menschen leben so autark wie möglich, aber in einem geschützten Rahmen

Edeltraud Huber kannte auch die Sorge der Eltern, irgendwann nicht mehr in der Lage sein zu können, ihre Kinder abends und nachts selbst zu betreuen. So reifte auch bald der Entschluss, ein Wohnheim zu bauen. Seit 1997 bietet die Lebenshilfe Menschen mit Behinderung nicht nur einen Platz zum Arbeiten, sondern auch zum Wohnen. 38 Plätze hat das barrierefreie Edeltraud-Huber-Haus. Dort wohnen schwerst- bis mehrfach behinderte Menschen in fünf Wohngruppen -so autark wie möglich, aber in einem geschützten Rahmen mit einer Fachkraft vor Ort.

Um jedem eine möglichst passende Wohnform zu bieten, wurde 2007 das Wohnangebot durch ambulant betreutes Wohnen erweitert, das Menschen mit einer leichteren geistigen Behinderung ein selbstbestimmtes Leben in der eigenen Wohnung ermöglicht. Zudem bietet die Lebenshilfe auch eine Tagesstruktur an, bei der Erwachsene mit Behinderung, die tagsüber keiner Beschäftigung in einer Werkstatt nachgehen, im Wohnheim betreut und gefördert werden. Zudem gibt es in Erding das Haus Drechslerstraße. Auch hier findet die Betreuung rund um die Uhr statt. Die Bewohner haben hier jedoch die Gelegenheit, ihren Haushalt selbstständig zu führen.

Es sei selbstverständlich, dass Menschen mit und ohne Behinderung zusammenleben

Mit der Gründung der Lebenshilfe sei der Grundstein gelegt worden, geistig oder mehrfach behinderten Menschen "ein menschenwürdiges Leben inmitten der Bürgerschaft" zu ermöglichen. Das hat der Vorsitzende der Lebenshilfe Erding, Landrat Martin Bayerstorfer (CSU), beim 45-jährigen Jubiläum gesagt. Er wird auch zum 50-jährigen sprechen, ebenso die bayerische Sozialministerin und Heimatabgeordnete Ulrike Scharf (CSU). "Es ist für uns alle eine Selbstverständlichkeit, dass Menschen mit und ohne Behinderung zusammenleben, zusammen arbeiten und ihre Freizeit miteinander verbringen", sagt Scharf gegenüber der SZ vorab. Die Lebenshilfe Erding setze sich seit 50 Jahren für gleichberechtigte Teilhabe der Menschen mit Behinderung in allen Lebensbereichen ein. Sie bedanke sich "für dieses hervorragende Engagement".

Auch Edeltraud Huber hatte sich vor einigen Jahren gegenüber der SZ Erding überzeugt gezeigt, dass behinderte Menschen in der Gesellschaft keine Außenseiter mehr seien, das merke man in Erding ganz besonders. Das 50-jährige Jubiläum kann sie leider nicht mehr mitfeiern. Huber ist 2012 mit 74 Jahren nach schwerer Krankheit verstorben.

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