Landshut/Neufahrn:Brusthaare lügen nicht

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Kokaindealer ist süchtig, vermindert schuldfähig aber nicht

Von Peter Becker, Landshut/Neufahrn

"Unterm Strich schaut es doch gar nicht so schlecht aus", tröstet Vorsitzender Richter Ralph Reiter den Angeklagten, einen 49-jährigen Neufahrner, am Landshuter Landgericht. Drei Jahre und zehn Monate Gefängnis lautet das Urteil, das die 6. Strafkammer gegen den Mann wegen des unerlaubten Handels mit Kokain in elf Fällen und des unerlaubten Erwerbs der Droge in sechs Fällen verhängt. "Wahrscheinlich können Sie Ihren 50. Geburtstag schon in Therapie feiern", fügt er hinzu.

Der Neufahrner hatte in seinem letzten Wort gehadert, dass der Münchner, von dem er sein Kokain bezogen hatte, offenbar auf freiem Fuß ist, während er geraume Zeit in Untersuchungshaft sitzen musste. Die wird ihm natürlich auf seine Strafe angerechnet. Das Urteil ist rechtskräftig, darum dauert es nur noch wenige Tage, bis der 49-Jährige seine Therapie antreten darf. Die Unterbringung in einer Suchtklinik für 18 Monate ist Bestandteil des Urteils. Der Neufahrner soll von seiner Sucht geheilt werden, sonst sieht die Strafkammer ein hohes Risiko, dass der Angeklagte in seinen alten Trott zurück verfällt und mit Drogen handelt. Gerichtsmediziner Wolfgang Näger erkennt beim Angeklagten keine verminderte Schuldfähigkeit aufgrund seiner Rauschgiftabhängigkeit. Schwere Persönlichkeitsstörungen oder ein hoher Beschaffungsdruck lägen nicht vor. Allerdings sieht Näger die medizinischen Voraussetzungen gegeben, die eine Unterbringung in einer Suchtklinik rechtfertigen.

Im Laufe der Verhandlung hat sich das Bild gewandelt. Der Mann stand im Verdacht, ein Großhändler zu sein, der die Landkreise Freising und Erding mit Kokain versorgt. "Das hat sich nicht bestätigt", sagt Reiter. Von der Gesamtmenge von 1369 Gramm im Wert von 130 000 Euro bleibt ein gutes Pfund im Wert von 51 650 Euro übrig. Der Angeklagte hatte gesagt, dass er im Monat etwa 20 Gramm Kokain selbst verbraucht habe. Näger bestätigt dies. Ein Haarprobe ließ ihn zu dem Schluss kommen. "Brusthaare können nicht lügen", sagte der Vorsitzende Richter.

Die Strafkammer berücksichtigt in ihrem Urteil, dass der Beschuldigte bei seiner Vernehmung "ein überschießendes Geständnis abgelegt hat". Er verriet Hintermänner und Abnehmer, denen die Ermittler so auf die Spur kamen. Zu Lasten des Angeklagten spricht jedoch der Umstand, dass er mit einem Kunden dreist ein neues Geschäftsmodell entwickelte, kurz nachdem bei ihm Drogenfahnder 70 Gramm Kokain entdeckt hatten. Er und sein Kompagnon legten Geld zusammen, um Drogen zu kaufen, die sie entweder selbst konsumierten oder verkauften. Die Staatsanwältin erkennt in diesem Verhalten eine gehörige Portion krimineller Energie. Schon damals hätte der Angeklagte in U-Haft kommen können, sagt Reiter. Doch aufgrund seiner Sucht habe dieser das Signal überhört. "Irgendwann fliegt einer aber auf und redet." Zu Lasten des Angeklagten wirkt sich auch sein ellenlanges Vorstrafenregister aus. Den Gegenwert des verkauften Kokains von 51 650 Euro wird er ersetzen müssen.

© SZ vom 29.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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