Landshut:Gewaltsamer Tod einer Alkoholikerin

Prozess gegen Erdinger Frauenarzt: Rechtsmediziner rekonstruiert erstaunlich konkret den Tatverlauf

Von florian tempel, Landshut

Am zehnten Verhandlungstag im Prozess gegen den Erdinger Frauenarzt Michael B., dem die Tötung seiner zweiten Ehefrau am 3. Dezember 2013 zur Last gelegt wird, hat der Münchner Rechtsmediziner Professor Wolfgang Keil seine mit Spannung erwarteten Gutachten erstattet. Keil legte erstaunlich konkret dar, wie das Opfer zunächst brutal zusammengeschlagen und schließlich erwürgt und erstickt worden ist. Ein weiteres klares Ergebnis seiner Untersuchungen: Die 60-jährige Brigitte B. war alkoholkrank und muss am Tag ihres Todes eine größere Menge Obstschnaps getrunken haben. Der Angeklagte beteuert, mit dem Tod seiner Frau nichts zu tun zu haben. Auch von ihrer Alkoholsucht habe er bis einen Tag vor ihrem Tod nichts gewusst. Und er habe nie mitbekommen, dass sie Schnaps getrunken habe.

Keil begann seinen Vortrag mit einem versteckten Seitenhieb auf den Erdinger Notarzt, der als erster Mediziner am Tatort war und irriger Weise als Todesursache einen unglücklichen Sturz im Bad vermutete. Anhand der "Vielzahl der Blutergüsse, die man auf den ersten Blick sehen konnte", hätte sofort klar sein müssen, dass Brigitte B. Opfer einer Gewalttat geworden war. Bei der Obduktion zählte Keil 35 Hämatome an den Armen, dem Rumpf und dem Kopf, die größer als ein Ein-Euro-Stück waren, sowie weitere 80 kleinere Blutergüsse. Von den mehr als hundert Hämatomen seien "etwa ein Drittel durch Faustschläge bedingt". Weiter gebe es zahlreiche blaue Flecken vor allem am linken Arm des Opfers, die durch Abwehrversuche zu erklären seien. Schließlich habe er auch reichlich Hämatome an den Ober- und Unterarmen gefunden, die durch "kräftiges Zufassen" entstanden sein müssen. Sein erstes Fazit: Der Täter habe Brigitte B. von vorne angegriffen und übel verprügelt. "Das war schon ein sehr heftiges Geschehen." Das Opfer sei im Laufe dieser Auseinandersetzung ein oder zwei Mal zu Boden gestürzt, habe sich dabei eine Platzwunde am Kopf zugezogen und zwei Rippen gebrochen. Offensichtlich habe der Täter Brigitte B. dann "durch Aufsitzen oder Knien" fest auf den Boden gedrückt. Das bewiesen Blutergüsse an den Schultern.

Landshut: Der Angeklagte Michael B. beteuert seine Unschuld. Er habe erst einen Tag vor dem Tod seiner Frau erfahren, dass sie ein Alkoholproblem hatte.

Der Angeklagte Michael B. beteuert seine Unschuld. Er habe erst einen Tag vor dem Tod seiner Frau erfahren, dass sie ein Alkoholproblem hatte.

(Foto: Renate Schmidt)

Beim "zweiten Komplex von Gewalt" habe ihr der Täter "sehr, sehr kräftig" den Mund und die Nase zugehalten und sie oberhalb des Kehlkopfs gewürgt. Es müsse etwa zehn Minuten gedauert haben, bis die Frau erstickt sei. Der Gutachter vermutet, dass die Tat, vom ersten Angriff bis zum Tod, "etwa 15 bis 20 Minuten gedauert" hat. Während Keil den Tatverlauf überraschend genau rekonstruieren konnte, musste er bei der Bestimmung des Todeszeitpunkts zurückstecken. Dazu lasse sich nur sagen, dass Brigitte B. zwischen 12.35 Uhr - dem Zeitpunkt eines Telefonats mit ihrem Sohn - und 18.

30 Uhr - spätestens da muss die Totenstarre eingesetzt haben - ums Leben kam. Umso klarer waren dann aber wieder Keils Ergebnisse zum Alkoholkonsum des Opfers. Drei Aspekte machten klar, dass die Frau alkoholkrank war: Ihre Leber war stark verfettet, sie hatte sehr schlechte Leberwerte und bei einem Haargutachten fand sich ein sehr hoher Wert eines Alkoholabbauprodukts, was nur bei starkem Alkoholmissbrauch vorkomme. "Das spricht Bände", so Keil. Zum Todeszeitpunkt war Brigitte B. mit 1,6 Promille stark betrunken. Mittels einer sogenannten Begleitstoffanalyse und komplizierten Rechnungen kam Keil zu zwei erneut überraschend klaren Ergebnissen. Das Opfer habe ganz sicher eine Menge Schnaps, und zwar dezidiert einen Obstbrand wie Himbeergeist oder Obstler, getrunken. Außerdem: "Es ist ausgeschlossen, dass sie am Vormittag des Tattages eine mehrstündige Trinkpause eingelegt hat".

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