Landshut/Eching:Bewährung nach tödlicher Raserei

Berufungsgericht bewertet den Unfall nicht als verbotenes Autorennen

Von Alexander Kappen, Landshut/Eching

Dass der Angeklagte Schuld auf sich geladen hatte, stand für alle Beteiligten außer Zweifel. Auch der 20-Jährige selbst, der vergangenen November in Eching einen tödlichen Raser-Unfall verursacht hat, stritt das nicht ab. Die Frage, die es in der Berufungsverhandlung am Landshuter Landgericht zu klären galt, war, ob es sich dabei tatsächlich um ein illegales Kraftfahrzeugrennen mit Todesfolge handelte. Als solches hatte das Amtsgericht den Fall in erster Instanz eingestuft und den 20-jährigen Neufahrner zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Das Landgericht hob dieses Urteil nun auf.

Die Kammer unter Vorsitz von Richter Andreas Wiedemann bewertete den Unfall nicht als verbotenes Autorennen, sondern verurteilte den Angeklagten wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren. Diese wird zur Bewährung ausgesetzt. Der Haftbefehl gegen den Beschuldigten, der elf Monate lang im Untersuchungsgefängnis gesessen ist, wurde aufgehoben. Die Kosten für das Berufungsverfahren trägt die Staatskasse.

Der Neufahrner hatte sich am Unfalltag, wie diverse Mal zuvor, einen hochmotorisierten Wagen ausgeliehen und mit drei Freunden eine Spritztour unternommen. Die jungen Männer fuhren abwechselnd und machten Fotos und Videos. Man habe das Auto "gefeiert", hieß es in der Verhandlung immer wieder. Der Angeklagte, Sohn wohlhabender Eltern, hatte sich die Anerkennungseiner Freunde regelmäßig mit solchen kostspieligen Leihautos "erkauft".

Vor dem Unfall raste er mit dem 560 PS starken Leihwagen vom Echinger Industriegebiet auf dem Autobahnzubringer in Richtung A 92, überholte zwei andere Autos und kam in einer Kurve kurz vor der Auffahrt Eching-Ost von der Straße ab. Ein 20-jähriger Mitfahrer wurde herausgeschleudert und starb am Unfallort. Laut Gutachten hatte der Unfallwagen teilweise eine maximale Geschwindigkeit von 193 Stundenkilometern - in einem Bereich, in dem Tempo 80 erlaubt ist.

Unter den gegebenen Umständen wären auf der Strecke laut Gutachten theoretisch bis zu 216 Stundenkilometer möglich gewesen. Um bei nur einem beteiligten Fahrzeug das Kriterium eine verbotenen Rennens juristisch zu erfüllen, muss der Fahrer die höchstmögliche Geschwindigkeit anstreben. "Aber damit ist nicht das Tempo gemeint, das ein BMW-Testfahrer erreichen kann oder das technisch möglich ist", sagte der Staatsanwalt, der Tempo 193 als "rücksichtslos und grob verkehrswidrig" einstufte. In seinem "jugendlichen Imponiergehabe" habe der Angeklagte "den anderen zeigen wollen, was er alles drauf hat - ohne Rücksicht auf Verluste". Er beantragte vor dem Berufsgericht in Landshut zwei Jahre und zwei Monate Jugendstrafe.

Die beiden Verteidiger sahen Auflagen - etwa eine Schmerzensgeldzahlung - oder einen vierwöchigen Jugendarrest als angemessen an. Falls es zu einer Jugendstrafe komme, müsse diese zur Bewährung ausgesetzt werden. Ein illegales Autorennen liege nicht vor. "Er hat die höchstmögliche Geschwindigkeit nicht erreicht und wollte das auch nicht", so einer der Anwälte. Es sei nicht nachzuweisen, dass der Angeklagte die Strecke kannte, daher liege keine Rücksichtslosigkeit vor.

Der Landshuter Richter sprach sehr wohl von einem "rücksichtslosen Verhalten" und "grober Fahrlässigkeit", weshalb die Schwere der Schuld vorliege. "Dass er die maximale Höchstgeschwindigkeit erreichen wollte, ist aber nicht nachzuweisen." Die drei Mitfahrer hätten gewusst, "was sie erwartet und zu wem sie sich ins Auto setzen". Zudem seien sie zuvor bei massiven Geschwindigkeitsüberschreitungen im Echinger Gewerbegebiet selbst am Steuer gesessen.

Der nicht vorbestrafte Angeklagte, der sich von schnellen Autos und seinem früheren Freundeskreis inzwischen distanziert, habe Reue gezeigt und psychisch an dem Unfall zu knabbern. Die U-Haft, so der Richter bei der Verhandlung in Landshut, "hat viel bei ihm bewirkt und ihn zum Nachdenken gebracht".

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