Landschaftspflegeverband Freising:"Es braucht ein Umdenken"

Landschaftspflegeverband Freising: Auf einer Länge von rund 20 Metern haben Freisinger Naturschützer einen früheren Wiesengraben wieder freigelegt und daneben einen Tümpel angelegt. Wiesenbrüter wie Braunkehlchen und Kiebitze sollen sich im Umfeld niederlassen können, wenn anderorts im Juni - zur Brutzeit - bereits gemäht wird.

Auf einer Länge von rund 20 Metern haben Freisinger Naturschützer einen früheren Wiesengraben wieder freigelegt und daneben einen Tümpel angelegt. Wiesenbrüter wie Braunkehlchen und Kiebitze sollen sich im Umfeld niederlassen können, wenn anderorts im Juni - zur Brutzeit - bereits gemäht wird.

(Foto: Marco Einfeldt)

Die Naturschützer wünschen sich großflächige Maßnahmen statt "Flickwerk", mehr Kooperation mit den örtlichen Landwirten - und zusätzliches Personal

Von Thilo Schröder, Landkreis

Wer nach Orten im Landkreis Freising sucht, an denen Naturschutz sichtbar wird, muss genau hinschauen. Kleine, häufig unscheinbare Fleckerl sind es, die der Landschaftspflegeverband Freising als Ausgleichsflächen zur naturnahen Gestaltung überlassen bekommt. Spielwiesen im wörtlichen Sinne, abseits geteerter Straßen, am Rande von Feldwegen. Drei dieser Flächen - eine Grabenaufweitung bei Pulling, eine Streuobstwiese bei Paunzhausen und eine freigelegte Quelle bei Kirchdorf - hat der Verband im Rahmen einer Exkursion an einem sonnigen Freitagnachmittag Anfang Juli besucht.

Sieben Naturschützer sind gekommen, darunter Matthias Maino, Geschäftsführer des Landschaftspflegeverbands im Landkreis. Später werden noch zwei Jäger, ein Imker und ein Bürgermeister hinzustoßen. Von politischer Seite ist sonst niemand der Einladung gefolgt. In vier Autos geht es zur ersten Station, einer Ausgleichsfläche nahe der Giggenhauser Straße von Freising in Richtung Pulling. Auf einer Fläche von insgesamt fünf Hektar haben die Naturschützer unter anderem zwischen zwei Feldern einen geschätzt 20 Meter langen Wiesengraben aufgeweitet und eine sogenannte Blänke, einen kleinen Tümpel, geschaffen. "Ich kenne das Gebiet seit 60 Jahren", sagt Josef Petz, einer der Jagdpächter. Damals habe es einen durchgehenden Graben gegeben, Umfang: rund 1,20 auf einen Meter. Und heute? "Alles aufgefüllt." Daran seien aber nicht nur die Bauern schuld, sagt Petz, die Stadt Freising habe lange keinen Druck ausgeübt.

Mittels Ausgleichsflächen wie dieser soll Wiesenbrütern wie Braunkehlchen, Kiebitzen und Störchen ein Rückzugsort geboten werden. Notwendig sei dies aufgrund der Überschneidung von Mahd und Brutzeit: "Es kann nicht sein, dass die Bauern im Juni schon das Gras mähen, da sind alle Tiere drin zu der Zeit", sagt Petz. Ob Vögel oder Hasen, viele würden bei der Mahd aufgescheucht oder gar von Feldgeräten geschreddert. "Der Wachtelkönig brütet sehr spät, bis in den Juli hinein, der braucht das hohe Gras", ergänzt Gerrit Ise vom Freisinger Amt für Naturschutz und Landesplanung. Keine zehn Meter weiter fährt just in diesem Moment ein Landwirt mit Feldgerät auf einer Wiese vorbei und wendet das dort bereits gemähte Gras.

"Wir versuchen durch die Abflachungen, ein Niedermoor in Teilen wiederherzurichten", erklärt Maino das Konzept hinter der Fläche. Dafür würden passende Pflanzenarten wie Wiesenknopf und Bistorta gesät. Das unterstützen auch der Jagdpächter Albert Hofstetter und sein Sohn Alexander. "Für uns ist jede Fläche wertvoll, die so ist wie die hier", sagt Albert Hofstetter. Um derlei Flächen auszuweiten, sei man zwar mit Landwirten im Gespräch beziehungsweise auf dem Weg dorthin, sagt Maino. Aber: "Die machen gerade alle noch Flickwerk." Es brauche Dachverträge, so dass alle erst im Juli mähen, wenn die Brutzeit vorbei ist. "Da braucht es ein Umdenken."

Die zweite Etappe führt an den Ortsrand von Paunzhausen auf eine Streuobstwiese. Diese grenzt an ein Neubaugebiet, auf dem bereits erste Häuser entstehen. Im Hintergrund ragt der Kirchturm von Mariä Himmelfahrt empor. Eine "Ortsrandeingrünung", die einen "Parkcharakter" habe, nennt Maino diese Fläche. Der Untergrund, früher ein Acker, ist uneben, die erst vor wenigen Tagen gemähte Wiese struppig, die Rinde der Obstbäume noch jung. Bienen fliegen umher. Zehn bis zwölf Jahre alt sei die etwa einen halben Hektar große Streuobstwiese, sagt Maino.

Die Pflege einer solchen Wiese sei arbeitsintensiv, ein "Dauerpflegefall", sagt er. "Das ist ein reines Hobby, ein Landwirt macht das freiwillig nicht." Derzeit mähe der Paunzhausener Bürgermeister die Wiese, sagt er. Johann Jositz, Vorsitzender des Kreisverbandes Bayerischer Bienenzüchter, stimmt Maino zu: "Es gehört Idealismus dazu."

Mehr Idealismus würden sich die Naturschützer auch bei der Ernte wünschen. Auf solch einer Wiese, die kostenloses Obst für jedermann biete, müsse es doch möglich sein, ein "geordnetes Klauen" zu organisieren, "damit das geerntet wird", überlegt Inge Steidl von der Kreisgruppe Freising des Bund Naturschutz. Andere geben zu bedenken, dass das schwierig umzusetzen sein könnte; man müsste sich dafür klar von den Privateigentümern von Obstwiesen abgrenzen. Denn die wiederum sähen es gar nicht gerne, wenn sich Fremde bei ihnen bedienten. Ise kommentiert nüchtern: "Die Leute wollen lieber die schön abgepackten Äpfel im Supermarkt kaufen."

Maino sieht diesen Umstand grundsätzlich pragmatisch, appelliert aber an seine Mitstreiter: "Wir müssen aus dem Büro rauskommen, wir müssen vormachen, wie es geht." Man bekomme allerdings "viel zu wenig Personal und Betreuung".

Die dritte Station liegt im Herzen des Ampertals, unweit des Burghausener Sägewerks nahe Kirchdorf. Aus einem am Hang gelegenen Wäldchen tritt auf der Länge eines Kilometers an mehreren Stellen eine Quelle zutage. Die Naturschützer haben sie freigelegt. Die Gruppe trifft sich hier mit dem Kirchdorfer Bürgermeister Uwe Gerlsbeck (CSU), der bereits neben seiner Vespa wartet. Er kommt gerade vom Festakt zum Seejubiläum in Kranzberg und trägt deshalb Lederhosn und Weste.

Gerlsbeck unterstützt das Vorhaben, die Quelle für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Es sei jedoch "Grundstückseigentümern nahezubringen". Sieben sind es insgesamt. Verkaufen wolle keiner, sagt er. Den Zustand aufgrund dieser Umbruschwer, das den chsituation sieht man dem Quellgebiet an. Es verlaufen bereits Rohre, aus denen glasklares Wasser plätschert, diverse Plateaus sind provisorisch mit Holzlatten eingefasst. Anträge und Maßnahmen zur Ansaat artenreicher Feuchtwiesen wurden getroffen, heißt es in einem Pressetext. Bis Ende 2020 sollten Anwohner und Grundstückseigentümer umfassend informiert und für den Quellschutz sensibilisiert werden.

Ein "Vorzeigeprojekt" nennt Gerlsbeck die Tuffkalkquelle. Maino hat das Wasser selbst schon getestet: "absolut clean, das muss man aber noch untersuchen lassen". Muscheln, Libellen und vieles mehr sollen im Quellbereich wieder angesiedelt werden. "Da bin ich auch bereit, Geld in die Hand zu nehmen", sagt Gerlsbeck. "Das ist ein Schatz."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: