Landrat Bayerstorfer wird 50:Auf der Überholspur

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Vom jüngsten Bürgermeister in Deutschland zum erfolgreichen Landrat und stellvertretenden Vorsitzenden der CSU Oberbayern: Martin Bayerstorfer hat eine steile Karriere gemacht. An diesem Samstag feiert er Geburtstag

Von Thomas Daller, Erding

Landrat Martin Bayerstorfer musste in den vergangenen Wochen in Diskussionen, in Kommentaren und Leserbriefen so viel Kritik einstecken wie noch nie in seiner politischen Laufbahn. Schuld daran ist der Kommunal Pass, der mit viel Sand im Getriebe gestartet ist. Aber diese Momentaufnahme wird diesem Zoon politikon, der am Samstag, 28. Mai, seinen 50. Geburtstag feiert, nicht gerecht. Denn der Landkreis Erding verdankt Bayerstorfer viel. Und insbesondere weil ein 50. Geburtstag kein Amtsjubiläum ist, sondern ein sehr persönliches Datum, muss man den Bogen etwas weiter spannen, um den Menschen im Politiker zu verstehen.

Der erste Schultag - ein Kulturschock

1966, in Bayerstorfers Geburtsjahr, regierte in Bonn die Große Koalition, Frank Sinatra hatte mit "Strangers in the Night" einen Nummer eins Hit und in den Kinos liefen die Winnetou-Filme. Bayerstorfer wuchs in Kleinaign in der Gemeinde Hohenpolding als ältester von vier Brüdern auf. Ein Weiler, der so klein und eigen ist, wie es der Name nahelegt. Bayerstorfer bezeichnet seinen ersten Schultag im Nachhinein scherzhaft als "Kulturschock": Auf die Begegnung mit so vielen Kindern sei er als Bauernbub von einem Einödhof nicht vorbereitet gewesen.

Aber kommunalpolitisch ist Kleinaign keineswegs aus der Welt. Martin Bayerstorfers Großvater war bis 1972 Bürgermeister und Gemeindeschreiber der Gemeinde Hohenpolding und in seine Kanzlei auf dem Hof in Kleinaign kamen die Bürger mit ihren Anliegen und dann wurde diskutiert und politisiert. Für den kleinen Buben, der oft zuhören durfte, eine spannende Sache, die ihn früh prägte.

Nach der Grundschule wechselte Bayerstorfer an die Realschule Taufkirchen, danach absolvierte er eine landwirtschaftliche Berufsausbildung und Fachschule. Er ist erst 23 Jahre alt und besucht die Höhere Landbauschule im Rottal, als man ihn zum 1. Bürgermeister der Gemeinde Hohenpolding wählt. Dabei spielte natürlich auch die Beliebtheit seines Großvaters eine nicht unwesentliche Rolle. Aber diese Konstellation fordert einen unermüdlichen Arbeitswillen: Bayerstorfer trifft mit dem Schulleiter in Rottal-Münster die Abmachung, auch außerhalb der Schulzeiten den Stoff nachholen zu können. Werktags kümmert er sich in Hohenpolding um die Belange der Gemeinde und an den Wochenenden fährt er nach Rottal-Münster, um anhand von Unterrichtsmitschriften, die ihm seine Mitschüler zur Verfügung stellen, seine schulischen Aufgaben zu erledigen. Und damit schafft er dann auch seine Meisterprüfung als Landwirt.

Zu Besuch im "Schlachthof" und bei Biolek

Und weil er 1990 mit 23 Jahren der jüngste Bürgermeister in Deutschland ist, lädt man ihn in Talkshows ein: Erst in "Live aus dem Schlachthof", dann zu Alfred Biolek. Er tritt charmant auf, gewitzt und sachkundig. Und er schafft sich damit auch Neider: "Was will denn der im Fernsehen", granteln manche im CSU-Kreisverband. Aber auch die grauen Eminenzen der Partei wie beispielsweise Hans Zehetmair, der von 1993 bis 1998 stellvertretender Ministerpräsident des Freistaates war, beobachten genau, was der junge Mann aus Hohenpolding macht.

Dort steckt die Karre buchstäblich im Dreck. Man hat es in den vergangenen Jahren versäumt, die Infrastruktur zu modernisieren. Das Landratsamt sperrt sich gegen jegliche Siedlungserweiterung, die Kläranlage ist dafür nicht ausgelegt und mit der Trinkwasserversorgung muss auch erst was passieren. Bayerstorfer arbeitet innerhalb seiner ersten Wahlperiode alle liegen gebliebenen Aufgaben ab und eröffnet dem Ort somit wieder Perspektiven. Dadurch können die jungen Hohenpoldinger in ihrem Heimatdorf bleiben und dort bauen. Das hat ihm die Bürgerschaft hoch angerechnet.

1990 die Wahl zum 1. Bürgermeister, 1993 wird er bereits zum stellvertretenden CSU-Kreisvorsitzenden gewählt: Bayerstorfer macht auch parteipolitisch eine Karriere auf der Überholspur. Er traut sich auch zu, bei der nächsten Landtagswahl als Listenkandidat anzutreten. Das ist ein bisschen brenzlig, man kann sich mit einem schlechten Ergebnis blamieren und Ansehen einbüßen. Aber Bayerstorfer schafft ein sehr gutes Ergebnis und rückt von 1996 bis 1998 in den Landtag nach. Dort knüpft er Kontakte mit anderen jungen Abgeordneten, die damals ebenfalls frisch in der Landespolitik sind: mit Ilse Aigner beispielsweise, Siegfried Schneider, Ludwig Spaenle und Markus Söder.

Er strebt kein Ministeramt an

Bayerstorfer ist gut vernetzt und ihm sind diese persönlichen Beziehungen wichtig. Von Franz Josef Strauß ist zwar die sarkastische Steigerung "Feind, Todfeind, Parteifreund" bekannt, für Bayerstorfer gilt diese Sichtweise jedoch nicht. Er dankt Loyalität mit Loyalität und vertritt den Standpunkt, dass es sehr wohl Freundschaften im politischen Betrieb gibt. Bayerstorfer strebt jedoch keine Karriere im Landtag an, obwohl ihm politische Weggefährten bescheinigen, er hätte das Zeug zu einem hervorragenden Landwirtschaftsminister. Aber Bayerstorfer sieht sich als Kommunalpolitiker; diese unmittelbare Umsetzung von Projekten, die Rückkoppelung der Bürger ist ihm wesensnäher als die Mitwirkung an Gesetzesentwürfen.

Aber kommunalpolitisch wird ihm Hohenpolding auf Dauer zu klein, das Landratsamt wäre eine passende Hausnummer. Der CSU-Kreisverband bringt ihn als Kronprinzen in Stellung und wählt ihn 2001 zum Kreisvorsitzenden. Der beliebte amtierende Landrat Xaver Bauer (CSU) war offenbar ganz froh darüber, einen geeigneten Nachfolger gefunden zu haben, und kündigte an, nach 15 Jahren im Amt nicht mehr für eine weitere Kandidatur zur Verfügung zu stehen. Es gebe "ein Leben nach der Politik".

Auf Anhieb 67,9 Prozent

Bayerstorfer kandidiert 2002 als Landrat und gewinnt mit 67,9 Prozent der Wählerstimmen. Er übernimmt ein gut bestelltes Feld: Die mittelständischen Betriebe im Landkreis sorgen für eine hervorragende Arbeitsmarktsituation, der Landkreis ist attraktiv und gewinnt durch Zuzug viele junge Familien, die Steuereinnahmen sprudeln in vielen Gemeinden und der Landkreis kann mit seiner Kreisumlage gestalten und nicht nur verwalten. Hinzu kommt eine Bevölkerungsstruktur, die für die weitere wirtschaftliche Entwicklung eine Riesenchance darstellt: ein Drittel der Bürger ist 25 Jahre oder jünger. Bayerstorfers zentrales Thema wird die Bildungspolitik, die sich wie ein roter Faden durch seine gesamte bisherige Amtszeit ziehen wird. In seine erste Amtszeit fällt der Bau des zweiten Erdinger Gymnasiums und des Gastrozentrums an der Berufsschule.

Die gymnasiale Bildung wird auch in den darauffolgenden Jahren stark gefördert, wie beispielsweise durch den Ausbau des Dorfener Gymnasiums, aber Bayerstorfer ist auch ein Verfechter des beruflichen Wegs zum Abitur: In seiner zweiten Amtszeit kann er den Neubau einer Fach- und Berufsoberschule realisieren, die von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt aufgrund ihrer Passivhausbauweise und der "zukunftsweisenden Technologien" gefördert wird. Die Schule wird ein Riesenerfolg und ist bereits nach wenigen Jahren überbelegt. Und das nächste Projekt ist bereits in Planung: Eine Gesundheitsakademie soll am Kreisklinikum entstehen und so den Nachwuchsbedarf in den Pflegeberufen decken.

Erfolgsgeschichten tragen seine Handschrift

Auch das Kreisklinikum selbst ist eine Einrichtung, in der Landrat Bayerstorfer als Verwaltungsratschef und somit Vertreter des Trägers die Zielsetzung des Hauses lenkt. Sein Credo dabei ist, dass die Krankenhäuser in Erding und Dorfen im Besitz des Landkreises bleiben, was nicht selbstverständlich ist. Beide Kliniken wurden modernisiert und über die Grundversorgung hinaus breiter und vielfältiger aufgestellt. Zwar weist das Klinikum noch ein jährliches Defizit von 1,4 Millionen Euro auf, aber das kann der Landkreis verschmerzen. Es gibt genügend Beispiele anderer kommunaler Kliniken, die ein Mehrfaches dieses Defizits erwirtschaften.

Der Landkreis Erding hat in den vergangen Jahre Erfolgsgeschichten geschrieben und viele tragen Bayerstorfers Handschrift. Ob als anerkannte Bildungsregion oder als Partner im Zweckverband Geothermie, mit einem Erbpachtmodell für junge Familien oder bei der Vollbeschäftigung. Nur die Energiewende im Landkreis Erding, bei der der Landkreis Koordinator der Gemeinden war, hat es nicht so recht geklappt. Der Teilflächennutzungsplan war Makulatur, als sich Ministerpräsident Horst Seehofer plötzlich für zwei Kilometer Abstand zwischen Windkraftanlagen und Wohnbebauung einsetzte.

Die Asylpolitik ist umstritten, sehr umstritten.

Umstritten ist allerdings Bayerstorfers Haltung hinsichtlich Bargeld für Asylbewerber. Das galt bereits für die Kleidergutscheine und aktuell wieder für den Kommunal Pass. Bayerstorfer ist hingegen der Meinung, dass Asylbewerber, die mit dem ausbezahlten Bargeld in der Hand Bilder davon mit dem Smartphone in ihre Heimat schicken, "ein falscher Anreiz" sind. Und ein falsches Signal sei es ebenfalls, wenn sie Teile dieses Geldes in ihre Heimat überweisen. Abgesehen von der juristischen Betrachtung ist Bayerstorfer mit dieser Haltung nicht so isoliert, wie man aufgrund der veröffentlichten Reaktionen vielleicht glauben möchte: Man muss sich nur an den Stammtischen, auf Feuerwehr- oder Volksfesten im Landkreis umhören. Viele seiner Wähler stehen auch in dieser Frage hinter ihm.

Bayerstorfer kennt die Bürger im Landkreis wie kaum ein anderer. Er hat ein phänomenales Gedächtnis für Namen, Berufe, Vereinszugehörigkeiten, ehrenamtliche Tätigkeiten und auch Querbeziehungen: wer ist mit wem verwandt oder verschwägert. Das ist ein Beleg für Bürgernähe. Ein weiterer ist sein offenes Ohr, wenn es irgendwo Probleme gibt. Wo er Entscheidungsspielraum hat, wird er zugunsten der Bürger auch genutzt. Insbesondere bei Härtefällen im Baurecht. Hohenpoldinger Schule eben.

Martin Bayerstorfer hat neben der Politik aber noch eine zweite Leidenschaft, das ist die Landwirtschaft. Wenn er von seinem Hof erzählt, auf dem mit seiner Frau, den drei Kindern und seinen Eltern drei Generationen unter einem Dach wohnen, schwingt Begeisterung mit. Der Wechsel der Jahreszeiten in der Natur, die Frage des Saatgutes und die Nachhaltigkeit, die im bäuerlichen Denken stecke, das sind oft Metaphern, die auch sein politisches Tun prägen.

Urlaubsziel? Bayerischer Wald

Und er freut sich immer auf die politische Sommerpause im August, wenn er nach der Ernte die Felder umpflügt und einfach nur Stunde um Stunde eine Furche nach der anderen zieht. Er ist bodenständig, auch bei der Wahl seiner Urlaubsziele: Bayerischer Wald oder Südtirol, den Mallorca-Urlaub hat der Familienrat mal gegen seine Stimme beschlossen; es sei aber dann sehr schön geworden. Er mag Radltouren mit der Familie oder setzt sich auch mal allein auf seine BMW 850R und dreht ein paar Runden. Wenn Zeit zum Lesen bleibt, ist Geschichte der Stoff seiner Wahl, ein Thema, das ihn schon seit Schulzeiten gefesselt hat.

Aktuell liegt allerdings Monika Grubers Autobiografie auf dem Nachtkästchen: "Man muss das Kind im Dorf lassen". Gruber ist zwar fünf Jahre jünger als Bayerstorfer, aber wie sie ihre Kindheit auf dem Land schildert ist ein ähnliches Erlebnisspektrum, wie es Bayerstorfer und viele andere Landkreisbürger aus dieser Generation kennen.

Gefeiert wird mit Leberkäse und Brezen

Heute wird nun Bayerstorfers Geburtstag im Landratsamt gefeiert. Keine große Gala wie bei der Geburtstagsfeier des Miesbacher Landrats, die als sündteure Sause in die Schlagzeilen geriet. Das ist nicht Bayerstorfers Art. Dem Vernehmen nach soll es Leberkäse, Brezen und Kartoffelsalat geben. Aber garantiert mit dem besten Leberkäse, Brezen und Kartoffelsalat, den es von den Metzgern und Bäckern im Landkreis gibt. Da kennt er sich aus und das hat Stil, Bayerstorfers Stil.

Darin kommt wieder diese tiefe Heimatverbundenheit zum Ausdruck, die ihn bei seiner politischen Arbeit antreibt: "Politik kann die Menschen nicht glücklich machen, aber sie kann den Rahmen dafür schaffen", sagt Bayerstorfer. "Das ist meine Aufgabe und daran habe ich eine Riesenfreude." In diesem Sinne: Weiterhin viel Freude und alles Gute zum Geburtstag, Martin Bayerstorfer.

© SZ vom 28.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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