Süddeutsche Zeitung

Erding:Steaks erwirtschaften keine neuen Ställe

Die Zahl der Mastbullen und Milchkühe geht im Landkreis seit 2013 wesentlich rasanter zurück als bisher. Neben der demografischen Entwicklung der Landwirte spielen dabei vor allem die Baupreise eine Rolle.

Von Thomas Daller, Erding

Der Strukturwandel in der Landwirtschaft ist seit 30 Jahren unübersehbar. Anfang der 1990er Jahre war der Rinderbestand im Landkreis Erding mit etwa 100 000 Tieren auf einem Höhepunkt. Seither ging die Zahl nach unten in Richtung 90 000 Tiere. Das ist immer noch enorm viel, wenn man den Tierbestand pro Hektar umrechnet. Aber bislang verschwanden jährlich immer nur ein paar hundert Tiere aus der Statistik; in den vergangenen fünf, sechs Jahren hat sich diese Entwicklung rapide beschleunigt: Die Zahl der Tiere geht seither nicht mehr im dreistelligen, sondern im vierstelligen Bereich zurück.

Der Landkreis Erding ist aus bäuerlicher Sicht eine Hochburg der Rinderhaltung. Auf den guten Lößböden hat man reichlich Ertrag an Mais, der als Futterpflanze dient. Setzt man die Zahl der Rinder in Beziehung zur Fläche der vorhandenen Wiesen, rückt der Landkreis Erding mit 7,2 Rindern pro Hektar in dieser Kategorie auf Platz zwei im Freistaat. Nur im Nachbarlandkreis Landshut ist das Verhältnis Kuh zu Wiese noch etwas dichter. Ende der 1980er, Anfang der 1990er Jahre gab es mal den despektierlichen Spruch, im Landkreis Erding gebe es ebenso viel zweibeinige wie vierbeinige Rindviecher. Denn vor dem Zuzug im Gefolge des Flughafens betrug damals die Einwohnerzahl etwa 100 000 und auch die Zahl der Rinder war in etwa so hoch.

Mittlerweile wohnen mehr als 135 000 Einwohner im Landkreis und die Zahl der Rinder ist in Hunderter-Schritten bis 2013 langsam auf 96 282 zurückgegangen. 2014 waren es nur mehr 94 906 Rinder, und bis 2018 ist der Bestand nunmehr als 89 388 Tiere gesunken. Der Rückgang betraf sowohl die Bullenmast als auch die Milchkühe, die mit etwa 25 000 in der Gesamtzahl erfasst sind.

Am Milchpreis liegt es also nicht, wie auch Petra Praum, Fachfrau für den Bereich Milchwirtschaft am Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) in Erding bestätigt. Nach dem Wegfall der Milchquote hat es zwar Schwankungen gegeben, aber die Preise haben sich wieder erholt, "es ist gerade eine gute Zeit". Sie hält den demografischen Wandel für eine der Ursachen. Auch bei den Landwirten würden die geburtenstarken Jahrgänge in ein Alter kommen, wo man allmählich über eine Hofübergabe nachdenke. Aber die potenziellen Hofnachfolger ziehen oftmals nicht mit. Der Landkreis Erding habe einen attraktiven Arbeitsmarkt, wo man mehr verdienen könne als mit der Milchwirtschaft. Also lasse der eine oder andere die Milchkuhhaltung langsam auslaufen und bewirtschafte nur noch seine Äcker.

In der Bullenmast sieht es ähnlich aus, sagt Martin Mayr vom Fachzentrum für Rindermast in Erding. Das Fachzentrum existiert seit etwa acht Jahren in Erding und ist für ganz Bayern zuständig. Und der Landkreis Erding mit seinen hohen Beständen ist so etwas wie ein Seismograf der Rinderhaltung, hier zeichnen sich künftige Entwicklungen deutlicher ab.

Auch für Mayr liegt es auf der Hand, dass die demografische Entwicklung nicht am Bauernstand vorbeilaufen kann. Aber es komme etwas hinzu: Die hohen Baupreise bringen die Kalkulationen der Landwirte durcheinander. Alle 20 bis 30 Jahre müsse man einen neuen Stall bauen, weil die alten abgenutzt seien und nicht mehr den Anforderungen entsprechen würden. Nun hätten die Baupreise für Ställe, genauso wie beim Wohnungsbau, in den vergangenen Jahren jährlich um etwa zehn Prozent angezogen. Mittlerweile müsse man für einen Bullenmastplatz mit 4000 Euro rechnen. Um im Vollerwerb von der Bullenmast leben zu können, müsse man etwa 300 Mastplätze bauen, "mit Vorsilo und Güllegrube". "Da bin ich bei 1,2 Millionen Euro. Und das ist nur der Stall, ich muss aber auch Futter und Kälber kaufen, dann bin ich bei 1,5 Millionen Euro", so Mayr.

Damit sich solche Investitionen rechnen würden, müsste man pro Kilo Schlachtgewicht einen Preis von 4,50 Euro netto erzielen. Derzeit liege der Preis jedoch bei 3,60 Euro. Dadurch, dass die Baupreise stärker gestiegen seien als die Fleischpreise, amortisiere sich ein neuer Stall kaum noch. "Das machen viele nicht mehr mit, und so geht der Strukturwandel massiv weiter."

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Quelle:
SZ vom 20.05.2019
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