Erding:Saatkrähen breiten sich weiter aus

Saatkraehe

Diese beiden hübschen Krähen-Exemplare werden nicht mitgezählt, wenn alljährlich überprüft wird, ob sich die Zahl der Nester im Erdinger Stadtpark wieder erhöht hat. Die geschützten echten Tiere bilden längst auch Splitterkolonien, das betrifft Erding und Dorfen gleichermaßen.

(Foto: Stephan Görlich)

Erding ist in Oberbayern wohl am stärksten betroffen: In der Stadt wächst die Zahl der Brutpaare auf 1186. Die Politik hat bereits Brüssel um Hilfe gebeten, geholfen hat bisher nichts.

Von Regina Bluhme, Erding

Wenn unter dem Tagesordnungspunkt Bekanntgaben ein Raunen durch den Stadtrat geht, dann hat Oberbürgermeister Max Gotz (CSU) entweder eine sehr gute oder eine sehr schlechte Nachricht zu verkünden. In der jüngsten Sitzung war es eine weniger gute, "aber die kann ich Ihnen nicht ersparen", sagte Gotz. Sie lautete: Die Kolonie der Saatkrähen hat weiter zugelegt. Laut der jüngsten Zählung ist die lärmende Population auf 1186 Brutpaare angewachsen, die größte innerhalb einer oberbayerischen Stadt.

14 000 Euro hat die Stadt laut Gotz für Vergrämungsmaßnahmen ausgegeben. Die Regierung von Oberbayern hätte sogar einen Wüstenbussard genehmigt. Doch alle drei angefragten Falkner hätten abgewunken, sagt Thomas Schreder, CSU-Stadtrat, Umweltreferent, Jäger und Biologe. Die Reduzierung sei eine "Sisyphusarbeit".

Ja, er könne es auch nicht mehr hören, räumte der Oberbürgermeister im Stadtrat ein. Aber es ist nun mal so: Die Saatkrähen werden mehr statt weniger. Begonnen hatte es 2008 mit 69 Brutpaaren, 2014 waren es schon 469. Eine leichte Delle im vergangen Jahr mit 911 ist längst ausgebügelt, Stand März 2021 wurden 1186 gezählt. Als er vor fünf, sechs Jahren erklärt habe, dass es bald über tausend sein würden, da sei er ausgelacht worden, erklärt Schreder: "Leider habe ich recht behalten."

Saatkrähen sind europaweit geschützt. Laut Schreder kann in Erding angesichts der Zahlen nicht mehr von einem "Gefährdungszustand" gesprochen werden. Er verwies auf Biber und Wolf, ebenfalls mit Schutzstatus: Hier gebe es Möglichkeiten, "einzelne Individuen aus der freien Wildbahn herauszunehmen." Sogar in Brüssel sei er vorstellig geworden mit der Bitte, den Schutzstatus der Saatkrähe zu überdenken. Dabei gehe es nicht darum, Krähen komplett zu vertreiben, sondern wieder zu einer erträglichen Anzahl zu kommen, betont der Erdinger Umweltreferent.

Zwischen der erlaubten Zeit von Oktober 2020 bis März 2021 sind laut Gotz immerhin 168 Nester entfernt worden. Am Hauptwohnsitz im Stadtpark durfte die Herausnahme allerdings ausschließlich in ausgewählten Randbereichen erfolgen, ansonsten nur in Splitterkolonien im übrigen Stadtgebiet. Die Aktion geht ins Geld. Da ist zum einen der Arbeitsaufwand für die Bauhofmitarbeiter, da ist die zu mietenden Hubbühne und da sind die Zählungen und Kartierungen durch ein externes Büro. Durch das Büro lägen immerhin nachweisbare Zahlen vor, betonte Schreder: Erding befinde sich da an der Spitze in Oberbayern. "Ich kenne keine andere Stadt, die eine größere Population hat."

Erst kürzlich hat sich der Dorfener Umweltausschuss mit der inzwischen auf 80 Brutpaare angewachsene Krähenpopulation im sogenannten Lipp-Garten in Dorfen an der Isen beschäftigt. Wie in Erding leiden auch in Dorfen die Anwohner unter dem Lärm, den die Saatkrähen machen, sowie dem Dreck, den die Tiere hinterlassen. Die Vögel könnten in den kommenden Jahren immer mehr werden und sich zu einer ebenso starken Population wie die Krähenkolonie im Erdinger Stadtpark entwickeln, befürchten nun die Anwohner.

"Die Natur ist nicht planbar"

Die Leitung des Dorfener Umweltamts informierte den Dorfener Ausschuss, eine Vergrämung mit dem Ziel, die Vögel zu vertreiben, wäre kontraproduktiv, da die Krähen dann eine neue Kolonie in der Nähe aufbauen würden, etwa im nahen Stadtpark. Womöglich seien die Dorfener Krähen sogar wegen "Vergrämungsmaßnahmen anderer Kommunen" überhaupt erst nach Dorfen gekommen. In Dorfen folgte der einstimmige Beschluss, noch einmal bei der Regierung von Oberbayern anzufragen, welche Maßnahmen man ergreifen könnte. Außerdem soll darauf gedrängt werden, dass der strikte Schutzstatus für Saatkrähen geändert wird.

Die Stadt Erding hat in all den Jahren schon vieles versucht, die Krähenpopulation zu reduzieren. Aufgrund einer Ausnahmegenehmigung durch die Regierung von Oberbayern habe er drei Falkner nach Erding eingeladen, sagt Schreder. Doch diese meinten: Angesichts der Lage mitten in der Stadt und der Größe der Population wäre ein Wüstenbussard wohl auf verlorenem Posten.

Aber woher kommt die Delle im vergangenem Jahr? Das kann Schreder auch nicht sagen. Vielleicht waren die Saatkrähen in dem Jahr "im Brutbereich nicht so erfolgreich", vermutet er. "Die Natur ist nicht planbar."

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