Ausbildungssituation:Wer zu lange wartet, hat am Ende nichts

Es klingt gut: 200 Lehrstellen sind im Kreis Erding unbesetzt, 150 Suchende sind bei der Arbeitsagentur gemeldet. Doch das ist nur die halbe Wahrheit.

Florian Tempel

Nach den Zahlen der Agentur für Arbeit gibt es im Landkreis Erding aktuell ein Überangebot an Ausbildungsplätzen. Fast 200 unbesetzten Lehrstellen stehen rund 150 bei der Arbeitsagentur gemeldete Ausbildungssuchende gegenüber. Dennoch werden zum Beginn des kommenden Ausbildungsjahres wohl deutlich mehr als hundert Schulabgänger, insbesondere etwa zwölf Prozent der Hauptschulabsolventen, ohne eine Lehrstelle bleiben.

Arbeitslosenzahlen

Die Ausbildungssituation im Kreis Erding ist gar nicht schlecht. 200 Lehrstellen sind unbesetzt, 150 Ausbildungssuchende sind gemeldet. Doch das ist nur die halbe Wahrheit.

(Foto: dpa)

"Die Situation am Ausbildungsmarkt im Landkreis Erding ist eigentlich recht gut", sagt Harald Brandmaier, Teamleiter der Berufsberatung bei der Arbeitsagentur Freising-Erding. Der Landkreis Erding biete "eine gute Mischung an Ausbildungsbetrieben aus ganz vielen Branchen", und die relative Nähe zur Stadt München mache das Lehrstellenangebot noch breiter. Bis zum Herbst werde sich die Zahl der Ausbildungssuchenden "mit hundertprozentiger Sicherheit" auf etwa 20 bis 30 unversorgte junge Menschen reduzieren, prognostiziert Brandmaier.

Die Zahlen der Arbeitsagentur spiegeln allerdings nicht die ganze Realität wider. Allein schon deshalb, weil Brandmaier und sein Team sich nur um diejenigen kümmern können, die sich auch bei ihnen melden und vermitteln lassen.

Im bayernweiten Schnitt bleiben zwölf Prozent eines Hauptschuljahrgangs ohne Ausbildung. Diese Quote trifft in etwa auch für den Landkreis Erding zu. Nach einer aktuellen Erhebung des Schulamts Erding wissen derzeit rund 15 Prozent noch nicht, was sie im Herbst machen werden, während ungefähr 65 Prozent bereits einen Ausbildungsvertrag in der Tasche haben und 20 Prozent weiter zur Schule gehen werden. Bis Herbst wird sich zwar die Zahl der noch Perspektivlosen verringern, sagt Schulamtsleiter Hans-Rudolf Suhre. Ein "nicht geringer Teil" werde dann allerdings ohne klare berufliche Aussichten übrigbleiben.

Wählerische Jugend

Das bestätigt auch der Leiter der Berufsschule Erding, Josef Biller. Er rechnet damit, dass an seiner Schule knapp hundert Jugendliche ihrer Berufsschulpflicht zweimal in der Woche nur mit dem Besuch in einer sogenannten JoA-Klasse nachkommen werden. JoA ist die Abkürzung für Jugendliche ohne Ausbildung. Zwei bis drei Dutzend Jugendliche werden ein Berufsvorbereitungsjahr (BVJ) absolvieren. Während ins BVJ vor allem Schüler ohne oder mit einem schlechten Hauptschulabschluss gehen, gibt es in JoA-Klassen einen nicht unbeträchtlicher Teil von Jugendlichen, die sogar einen Quali haben. Denn ohne Ausbildung dazustehen, hat nicht immer nur mit schlechten Noten zu tun.

Biller und Brandmeier kennen nicht wenige Fälle, in denen Jugendliche nur deshalb keine Lehrstelle finden, weil sie mit zu großen Erwartungen an die Ausbildungsplatzsuche herangehen. Zwar sei der überwiegende Teil der Ausbildungssuchenden "sehr vernünftig und zielorientiert", sagt Brandmaier.

Doch es gebe auch nicht wenige, die nur mit Mühe oder gar nicht davon zu überzeugen seien, einen anderen als ihren Wunschberuf zu erlernen. Biller hat die Erfahrung gemacht, dass Jugendliche Lehrstellen ausschlügen, weil sie auf etwas vermeintlich Besseres warteten - "und zum Schluss stehen sie mit leeren Händen da". Offene Lehrstellen gibt es im Landkreis Erding vor allem im Einzelhandel, im Speditionsbereich und als Fachverkäufer im Nahrungsmittelhandwerk.

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