Landkreis:Ausreichend Personal, ständig anwesend

Grünwald, Parkresidenz Hermine Held, Snoezelen Raum für Demenzkranke,

Manche Einrichtungen im Landkreis erfüllen schon jetzt den neuen Pflegeschlüssel, andere sehen ihm mit Skepsis entgegen.

(Foto: Angelika Bardehle)

Nicht mehr als 40 Bewohner auf einen Mitarbeiter: Von 1. Juli an gilt ein neuer Pflegeschlüssel in Altenheimen, bei der Betreuung während der Nacht. Klingt gut - aber ist das auch wirklich machbar?

Von Jan-Hendrik Maier, Landkreis

Vom 1. Juli an gilt für den Nachtdienst in Pflege- und Seniorenheimen im Freistaat: Ein Altenpfleger soll sich in seinem Bereich um dreißig bis höchstens vierzig Bewohner kümmern. Eine Festlegung auf einen exakten Personalschlüssel ist das jedoch nicht: Das geht aus einem Schreiben des Bayerischen Gesundheits- und Pflegeministerium an die Heimaufsichten (FQA) der Landkreise vom 8. Januar hervor, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Bei den Verantwortlichen der 13 Einrichtungen im Landkreis Erding findet die neue Vorschrift ein geteiltes Echo. Die meisten begrüßen die Grundidee, die Nachtwachen nach klaren Kriterien zu verstärken, aber befürchten, dass sie infolgedessen zu wenig Personal für die Früh- und Spätschichten haben. Einige Pflegeheime erfüllen die Vorgaben jedoch bereits.

Bisher musste nachts "ausreichend Personal, mindestens aber eine Fachkraft ständig anwesend sein". Eine konkrete Definition, wie viele Pflegekräfte "ausreichen", stand im Pflege- und Wohnqualitätsgesetz jedoch nicht. Im Dezember des vergangenen Jahres forderte die Vorsitzende des Pflege-Selbsthilfeverbands (SHV), Adelheid von Stösser, die Festlegung eines verbindlichen "Mindestpersonalschlüssels". Und Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) hat reagiert. Die FQA entscheidet nun mit den Betreibern im Einzelfall, ob in der Nacht ein Pfleger für dreißig oder vierzig Bewohner zuständig sein soll. Dabei spielt die räumliche Einteilung der Wohnbereiche genauso eine Rolle wie die Anzahl der Menschen, die Pflegestufe II oder III haben, oder die Hilfe beim Toilettengang benötigen.

In den vier Pichlmayr-Seniorenzentren im Landkreis ist derzeit eine Pflegekraft für höchstens fünfzig Bewohner verantwortlich. In den kommenden Wochen werde es daher in Absprache mit der Heimaufsicht zu kleineren Veränderungen kommen, sagt Geschäftsführer Florian Pichlmayr. Er hält die neuen Kriterien für den Nachtdienst einerseits für "sinnvoll", da "schwarze Schafe", die für neunzig Menschen lediglich eine Pflegekraft einsetzten, "keine Ausreden" mehr hätten. Andererseits sieht er Probleme bei der praktischen Umsetzung: "Selbst bei optimalen Dienstplänen werden uns 1,7 bis zwei Stellen im Tagdienst fehlen. Wie sollen wir das kompensieren?" Vor dieser Herausforderung steht auch Christian Kerschner-Gehring: "Sollten wir die Nachtwachen verstärken müssen, fehlen uns Leute in den anderen Schichten." In den Seniorenzentren seiner Pflegestern gGmbH in Oberding und Finsing betreuten derzeit ein bis zwei Fachkräfte die vierzig respektive 34 Bewohner.

Für Pichlmayr würden zwei weitere Pfleger etwa 70 000 bis 80 000 Euro mehr im Jahr bedeuten. Kosten, die zu Lasten der Bewohner gingen, denn die Zuzahlungen der Pflegeversicherung veränderten sich nicht. Es dürfe nicht sein, sagt er, dass weitere Bewohner zum Sozialfall würden, weil "sie oder ihre Angehörigen sich angesichts der ohnehin hohen Selbstkostenanteile einhundert Euro mehr im Monat nicht leisten" könnten. Er nimmt die Politik in die Verantwortung, die auch an die Finanzierung hätte denken müssen. Marion Prey, Leiterin des Marienstifts Dorfen, fasst die Situation so zusammen: "Der neue Personalschlüssel ist eine gute Idee, aber unbedacht, weil damit keine Änderung im Stellenschlüssel verbunden ist." Sie geht einen Schritt weiter: "Die Neuregelung wird im Grunde nicht benötigt. Besser wäre es, dem Betreiber zu überlassen, wie das Personal verteilt wird, je nach Zusammensetzung der Wohngruppen."

Doch nicht alle Einrichtungen, die vollstationäre Pflege anbieten, müssen auf die Vorschrift reagieren. Das Fischer's Seniorenzentrum in Erding setzt für die auf mehrere Gebäude verteilten 172 Bewohner bereits fünf bis sechs Nachtwachen ein. In der Taufkirchener Villa Moosen und dem Betreuungszentrum Hohenpolding sind es jeweils zwei, und auch das Betreuungszentrum Sankt Wolfgang wird nicht nachbessern müssen. Dessen Leiter Arno Seidel sagt: "In der Regel hat unser Nachtdienst großzügig Zeit für administrative Aufgaben, da wir eine überdurchschnittlich hohe Quote an fitten Bewohnern haben. Mehr Personal im Nachtdienst wäre für uns eine Verschwendung." Dennoch befürchtet er, dass die Neuregelung für kleinere Häuser "problematisch" werden könnte, und warnt vor einer pauschalen Quote. Bis zum Jahresende beraten Heimaufsicht und Betreiber gemeinsam, wie sie die Vorschrift realisieren können. Erst vom kommenden Jahr an wird "das Unterschreiten des Nachtdienstes gemäß dem Schlüssel einen Mangel darstellen", teilt die FQA Erding mit. Sie hält die neuen Vorgaben für "sachgerecht", stellt aber gleichzeitig fest, dass "aufgrund des bestehenden Fachkräftemangels einzelne Betreiber Schwierigkeiten haben, den vorgesehen Personalschlüssel umzusetzen". In einer Anfrage fordern vier SPD-Landtagsabgeordnete den Gesundheitsausschuss zu einem Bericht auf, wie der Nachtwachenschlüssel "umsetz- und gleichzeitig finanzierbar gestaltet" werden könne. "Die Qualitätsverbesserung in der nächtlichen Versorgung darf nicht erkämpften Verbesserungen nivellieren", heißt es in ihrer Begründung.

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