Landgericht Landshut:Zeuge weiterhin unauffindbar

Im Falle der Anklage gegen zwei Afghanen wegen versuchten Totschlags besteht die Verteidigung auf Vorführung

Von Gerhard Wilhelm, Landshut

Wo ist Mohamed I.? Diese Frage beschäftigte das Schöffengericht unter Vorsitz von Richter Markus Kring nicht nur in der jüngsten Verhandlung gegen zwei wegen versuchten Totschlags angeklagte afghanische Asylbewerber. Auch am dritten Tag des Prozesses ist er nicht als Zeuge vor Gericht erschienen. Die Verteidigung erhofft sich von ihm, obwohl er der Geschädigte ist, eine Entlastung ihrer Mandanten, da er bei seiner Aussage bei der Polizei nach dem Vorfall beide Angeklagten offenbar kaum belastet habe. Zumindest habe er wenig Interesse an einer Strafverfolgung gezeigt, wie Richter Kring an einem früheren Verhandlungstag sagte. Obwohl er nach Vermutung des Gerichts "abgetaucht" ist, besteht die Verteidigung auf seiner Zeugenvernehmung.

Durch seine Aussage sollen auch die Hintergründe des Streits am 8. September 2018 in der Unterkunft in der Nähe des Korbinian-Aigner-Gymnasiums näher beleuchtet werden. Die beiden Angeklagten sagten aus, dass der Streit sich über die Hygieneverhältnisse im Sanitärcontainer der Asylunterkunft entzündet habe, außerdem habe der Somalier seine Freundin geschlagen, behauptet der Hauptangeklagte. Über diesen Teil konnten die bisherigen geladenen Zeugen keinen Aufschluss geben. Die Schilderung von Anwohnern der Asylbewerberunterkunft, darunter ein Polizeibeamter außer Dienst, ergaben allerdings über die tätliche Auseinandersetzung ein eindeutiges Bild. Dass die Tat mehr oder weniger so passiert ist, wie es in der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft steht, wird auch von ihnen nicht bezweifelt. Demnach hat der 23-jährige Anklagte S. bei seiner zweiten Attacke den Somalier zu Boden gerissen, ihn dort umklammert und so sehr gewürgt, dass der Attackierte die Augen verdreht und geröchelt habe. Der hinzugeeilte Polizeibeamte hatte ausgesagt, dass er nur durch einen Schmerzgriff den Angeklagten S. von seinem Opfer wegziehen habe können. Dabei habe der wie ein "total Wahnsinniger" gewirkt und immer wieder gebrüllt "Ich bring dich um."

So sehr die Zeugen den Angeklagten S. belasteten, wurde sein Mitangeklagter H. zumindest vom Vorwurf des versuchten Totschlags in Mittäterschaft entlastet. Nach Zeugenaussagen habe er sich nicht aktiv an der Auseinandersetzung am Boden beteiligt. Dem Antrag seines Verteidigers, ihn aus der Haft zu entlassen, weil die Haftgründe weggefallen seien, entsprach das Gericht aber nicht. Er sitzt seit achteinhalb Monaten im Gefängnis, davon viereinhalb in U-Haft.

Bereits für die Verhandlung am 17. Mai hatte das Gericht die Polizeiinspektion Dorfen gebeten, Mohamed I. an seine Ladung als Zeuge vor Gericht zu "erinnern". Die Polizeibeamten trafen ihn aber niemals an. Weder am Vortag, noch mitten in der Nacht oder am Verhandlungstag. Ein Zimmernachbar habe ausgesagt, dass er am 16. Mai gegen Mittag die Unterkunft verlassen habe. Eine Aussage, die am dritten Verhandlungstag, am gestrigen Freitag, wichtig werden sollte, denn auch der Vorführungsbefehl zu dieser Verhandlung konnte nicht vollzogen werden.

Laut dem Vorsitzenden Richter Kring habe weder die Polizei ihn in seiner Unterkunft antreffen könne, noch hätten andere Versuche ihn zu finden Erfolg gehabt. Seine Handynummer sei "außer Betrieb", sein Betreuer habe seit März nicht mehr Kontakt gehabt, vom Jobcenter erhalte er seit Ende April kein Geld mehr. Auch das Asylmanagement Erding wisse von ihm nichts. Und irgendwo in Haft sei er auch nicht. Für Richter Kring ist er "abgetaucht". Er hat auch wenig Hoffnung, dass sich das ändert in nächster Zeit.

Die Verteidigung argumentiert jedoch, dass man nicht von "untergetaucht" reden könne, wenn er zuletzt noch vor acht Tagen gesehen worden sei. Würde man auf weitere Versuche verzichten, den Somalier per Vorführungsbefehl und Androhung von Ordnungsgeld, beziehungsweise Ordnungshaft, zu finden, würde man die Rechte der Verteidigung einschränken. Und dies wäre ein guter Grund bei einem Urteil ohne diesen Zeugen befragt zu haben, in Revision zu gehen.

Dem Argument folgte das Gericht und setzte zwei weitere Verhandlungstage für den 5. und 25. Juni, jeweils um 13 Uhr, an. Bis dahin wird der Somalier gesucht.

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