Süddeutsche Zeitung

Haftstrafe für 24-jährigen Freisinger:Bandenmäßiger Betrug am Telefon

Lesezeit: 3 min

Regelmäßig wird von falschen Polizisten berichtet, die Senioren um ihre gesamten Ersparnisse bringen. An die Täter kommt man oft nur schwer ran. Jetzt saß einer von ihnen am Landgericht Landshut auf der Anklagebank. Das Urteil: Drei Jahre und vier Monate Freiheitsstrafe.

Von Alexander Kappen, Landshut

Es ist eine mittlerweile sehr beliebte Masche bei Betrügern: Regelmäßig wird von falschen Polizisten berichtet, die Senioren am Telefon unter Vorspiegeln falscher Tatsachen dazu bringen, ihnen Geld oder Wertgegenstände zu übergeben - die diese dann nie wieder sehen. So wird von den Tätern etwa behauptet, dass in der Nachbarschaft Einbrüche geplant oder schon verübt worden seien, weshalb die Polizei nun Bargeld, Gold oder Schmuck der angerufenen Senioren in Sicherheit bringen wolle.

An die Täter kommt man oft nur schwer ran. Doch nun hat sich einer von ihnen, ein 24-jähriger Freisinger, am Landgericht Landshut dafür verantworten müssen, als Bestandteil einer professionell agierenden Bande zwischen Oktober 2021 und Februar 2022 unter anderem in den Landkreisen Erding und Ebersberg ältere Menschen um insgesamt knapp 200 000 Euro erleichtert zu haben. Am Donnerstag wurde er von der vierten Strafkammer unter Vorsitz von Richter Thomas Lindinger wegen banden- und gewerbsmäßigen Betrugs und Amtsanmaßung in neun Fällen sowie wegen versuchten Betrugs zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt. Die Strafe war Ergebnis einer Verständigung zwischen Gericht, Staatsanwältin und Verteidigern.

Bei der Betrugsmasche der "falschen Polizeibeamten" entspreche es dem Tatplan, "dass ein oder mehrere Täter den jeweiligen Geschädigten anrufen und sich als Polizeibeamte oder andere Amtsträger ausgeben. Die Anrufe erfolgen in der Regel aus der Türkei bei älteren Personen. Im Verlauf des Gesprächs wird dem Geschädigten sodann bewusst wahrheitswidrig eine akute Vermögensgefährdung vorgespiegelt", hieß es in der Anklageschrift. Neben den genannten vorgeblichen Wohnungseinbrüchen in der Nachbarschaft wurden im vorliegenden Fall auch Bankmitarbeiter vorgeschoben, die angeblich in die Taten involviert seien und Konten abräumten. Um das Geld vor ihnen zu sichern, sollten die Senioren ihr Geld vom Konto abheben und der "Polizei" übergeben.

"Die Anrufer sitzen in der Türkei neben den Organisatoren, die für die Anweisungen an die Abholer zuständig sind. Aufgabe der Abholer ist es, den Geschädigten das Bargeld und sonstige Wertsachen abzunehmen", so die Staatsanwaltschaft in ihrer Anklage. Hier arbeiteten dann meist ein Fahrer und ein Abholer als Team. "Der Abholer erhält von seinem Logistiker in der Türkei vor Betreten des Anwesens per Handykontakt grünes Licht für die Abholung."

Der Angeklagte sei nicht etwa "der Chef der Bande gewesen, aber er war dabei", sagte de Vorsitzende Richter in seiner Urteilsbegründung. Der 24-Jährige habe in der professionell und effizient sowie mit einer hohen kriminellen Energie arbeitenden Bande "nicht eine tragende Rolle eingenommen, aber eine notwendige - ohne Abholer funktioniert die Betrugsmasche nicht". Diese Rolle bekleidete der Angeklagte in den meisten Fällen. In den letzten "ist er dann um eine Stufe nach oben gestiegen", so der Richter. Der 24-Jährige war dann derjenige, der die Beute von einem anderen Abholer übernahm und sie an organisatorisch höher stehende Bandenmitglieder weiterleitete.

Er habe zu der Zeit "falsche Entscheidungen" getroffen

Der bisher nicht vorbestrafte Angeklagte gab im Prozess an, zu der Zeit kein Geld gehabt und dann "falsche Entscheidungen" getroffen zu haben. Angefangen habe es, als ein Mitarbeiter eines Freisinger Friseursalons ihn gebeten habe, als Gefallen für ihn 4000 Euro an einer Tankstelle entgegenzunehmen. So wurde der Kontakt zwischen dem Angeklagten und den Hintermännern der Bande hergestellt. Später holte der Angeklagte die Beute bei weiteren Betrugsfällen dann gegen ein "Honorar" von jeweils 500 Euro ab. Die Bande flog durch einen aufmerksamen Taxifahrer auf, der einen Geschädigten zur Bank fahren sollte, um Geld zu holen. Dem Taxifahrer kam das komisch vor, er verständigte die Polizei.

Neben Taten in München sowie in Schwaben erbeutete die Bande auch bei einem Betrug in Isen 14 000 Euro sowie bei einem in Vaterstetten 24 500 Euro. Im letzteren Fall wurde das Verfahren bezüglich des Angeklagten jedoch eingestellt, weil sein Tatbeitrag für seine Gesamtstrafe nicht ins Gewicht gefallen wäre. Zu Gute kam ihm auch sein umfängliches Geständnis, das er nach einem zweistündigen Verständigungsgespräch zwischen den Prozessbeteiligten ablegte. Der "Deal" sah vor, dass die Strafe nicht höher als drei Jahre und elf Monate und nicht weniger als zwei Jahre und elf Monate beträgt.

Die beiden Verteidiger beantragten exakt diese zwei Jahre und elf Monate, die Staatsanwältin das obere Strafmaß von drei Jahren und elf Monaten. Der Angeklagte verpflichtete sich, 5000 Euro an die Staatskasse als Wiedergutmachung zu zahlen. Das Geld wird auf den Gesamtschaden von gut 197 000 Euro angerechnet, der in dieser Höhe laut Urteil beim Angeklagten eingezogen werden soll.

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