Süddeutsche Zeitung

Kurzwelle für Notfälle:Mit Mann und Maus

Beim Fieldday am Haager Weiher kommunizieren die Freisinger Amateurfunker nicht nur mit Menschen in ganz Europa, sondern auch mit Flattertieren

Von Katharina Aurich, Haag

Im Katastrophenfall, wenn der Strom ausgefallen ist und kein Handynetz mehr funktioniert, sind sie oftmals die Ersten und Einzigen, die einen Notruf senden können - die Kurzwellensender der Amateurfunker. Zum Glück sei solch ein Katastrophenfall in Freising noch nicht vorgekommen, berichtet Gerd Büttgen, Vorsitzender der Freisinger Amateurfunker. Dennoch wollen die Mitglieder des Vereins jederzeit gerüstet sein, mitten in der Natur mit einem Stromaggregat eine Funkstation aufbauen zu können. Um dies zu üben und 24 Stunden lang mit Gleichgesinnten Kontakt aufzunehmen, trafen sich die Funker vergangenes Wochenende am Haager Weiher und sprachen mit 400 Gleichgesinnten aus ganz Europa bis nach Israel.

Selbst der Dauerregen am Sonntag hinderte sie nicht daran, in ihrem Transporter sitzend immer wieder ihre Kennungen in den Äther zu sprechen und auf eine Reaktion aus der Ferne zu warten. Ein Bogenschütze hatte den Aufbau der Anlage am Samstag unterstützt, in dem er zielsicher ein Drahtseil in einen Baum schoss, so dass daran die 80 Meter lange Kurzwellenantenne hochgezogen werden konnte. "Je länger und höher, umso besser" schildert Büttgen, Rufzeichen DF2KX. Jeder Funker erhalte nach dem Abschluss der Funkerprüfung, die ähnlich anspruchsvoll wie die Führerscheinprüfung sei, sein ganz persönliches, weltweit einmaliges Rufzeichen, erklärt der Ingenieur. Nachdem die Antenne hoch oben im Baum installiert war, wurde sie mit der regensicher in einem Transporter installierten Funkanlage verbunden. Auf einem freien Platz, mindestens hundert Meter von der nächsten Stromquelle und einer festen Behausung entfernt, müsse die Anlage aufgebaut werden, erklärt Hans Schechner, Notfunkbeauftrager des Freisinger Ortsverbandes, die internationalen Regeln.

Das Schöne an ihrem Hobby sei vor allem die Kommunikation, Menschen auf der ganzen Welt kennenzulernen und Freundschaften zu schließen, über alle ethnischen, religiösen oder politischen Grenzen hinweg. "Wir sind vollkommen tolerant", sagt Manfred Ramin, der als Physiker bei Texas Instruments Transistoren baute, jetzt aber in Rente ist, die Welt bereist und oft Funkerfreunde besucht. Sein Funkgerät sei immer mit dabei, "wir schaffen Verbindungen, darum geht es uns Funkern", sagt Ramin.

Neben ihrer Leidenschaft, mit anderen zu kommunizieren, seien Funker von der Technik begeistert und hätten viel Freude am Experimentieren, beschreibt Ramin. Besonders gerne seien sie mit ihrem Hobby wie beim Fieldday in der freien Natur, "wir sitzen ja nicht nur alleine im Funkerkämmerlein", fügt Büttgen an.

Vor allem Rauschen und Knacken ertönt aus dem Kopfhörer, dann wieder ein Rufzeichen, das die Freisinger umgehend beantworteten. Anhand der Kennung wissen die Funker, wo auf der Erde sich ihr Gesprächspartner befindet. Eine Verbindung gilt dann als geglückt, wenn man sich gegenseitig den Standort mitteilt. Komme ein dritter Funker während des Gesprächs dazu, warte er höflich, bis er an der Reihe sei, beschreibt Ramin. Jede geglückte Verbindung werde dann in eine Logbuch eingetragen. Man teile sich nicht nur den Standort mit, sondern spreche auch über das Wetter und manchmal kämen auch persönliche Themen zur Sprache. Funkersprache sei Englisch, besonders spannend sei es, mit Menschen aus Russland oder dem Balkan, also aus ganz anderen Kulturkreisen, zu sprechen, findet Büttgen.

Der Freisinger Ortsverband des "Deutschen Amateurradioclubs (DARC), so der offizielle Name der Amateurfunker, hat 56 Mitglieder, das Durchschnittsalter liegt über 50 Jahren. Daher freuen sich die Funker über Nachwuchs. Ihr Hobby sei sehr vielfältig, man könne Technik ausprobieren, für die Funklizenz besuche man Lehrgänge über die Grundlagen der Elektrotechnik, lerne die Gesetze und die Betriebstechnik, zählen Bütten und Ramin auf. Dabei komme auch das gesellige Miteinander nicht zu kurz, so nutzten sie den Fieldday zum Grillen und ausgiebigen Ratschen, nicht nur über den Äther.

Neben den zwischenmenschlichen Kontakten entstanden am Wochenende am Haager Baggerweiher auch solche zu ganz besonderen Lebewesen, den Fledermäusen, die mit Ultraschall auf Jagd nach Insekten gingen. Die für das menschliche Ohr nicht hörbaren akustischen Signale, die die Nachtjäger aussenden, können nämlich durch sogenannte Fledermausdetektoren hörbar gemacht werden. Solche kleinen, handlichen Geräte löteten und schraubten die Funker gemeinsam mit Jugendlichen zusammen. Leider gelang dann nur die Kontaktaufnahme mit einem Exemplar, da bei dem regnerischen Wetter keine Insekten flogen und sich die Jagd über der Wasseroberfläche für die Fledermäuse nicht lohnte.

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Quelle:
SZ vom 10.09.2019
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