Kunstverein Erding:Innehalten und nachdenken

Kunstverein Erding: Der vielfache Jürgen Naglik, eine Spiegelung in seinem Kunstwerk, das den zweiten Preis gewann, passt zum Wettbewerb. Er erhielt auch den ersten Preis des Kunstvereins.

Der vielfache Jürgen Naglik, eine Spiegelung in seinem Kunstwerk, das den zweiten Preis gewann, passt zum Wettbewerb. Er erhielt auch den ersten Preis des Kunstvereins.

(Foto: Renate Schmidt)

Die Jahresausstellung zum Thema "Reflex - Reflexion - Reflexionen" lädt nicht nur zum Anschauen ein. Auch der Ukraine-Krieg spielt eine Rolle.

Von Gerhard Wilhelm, Erding

"Reflex - Reflexion - Reflexionen" ist das Thema der Jahresausstellung des Kunstvereins Erding im Frauenkircherl Erding, die noch bis zum 28. August täglich von 13 bis 19 Uhr zu sehen ist. Ausgestellt sind 31 Werke aus allen Bereichen der bildenden Kunst, darunter auch die der Preisträger des Wettbewerbs zu dem Motto.

Das Thema hatte der neue Vorstand des Kunstvereins schon im vergangenen Jahr beschlossen, sagt Jürgen Naglik, der dritte Vorsitzende des Vereins. "Es ist ein sehr offenes, breit gefächertes Thema, Reflexionen können beispielsweise durch Emotionen ausgelöst werden oder einen Rückblick." Eine interne Jury aus sieben Leuten habe die Werke für die Ausstellung ausgewählt, eine externe Jury mit Petra Borgolte-Faupel von der Grundschule Grüner Markt, Monika Dreier von der Mädchenrealschule Heilig Blut, Sybille Rusteberg von der Herzog-Tassilo-Realschule und Daniel Mr. "Woodland" Westermaier vom Korbinian-Aigner-Gymnasium, die drei Preisträger. "Sie haben natürlich nur anonymisierte Werke vor sich gehabt", betont Naglik. Auch im Hinblick darauf, dass er doppelt gewonnen hat.

Dieses Mal mussten die Originalwerke vorgelegt werden

Diesmal waren drei Einreichungen je Künstler möglich, aber nicht online, auf CD oder USB-Stick, sagt Naglik, sondern es mussten die Originalwerke vorgelegt werden. 60 sind es bis Einsendeschluss gewesen. "Wir wollten es diesmal haptisch machen, um langsam als Vorstand rein zu kommen. Nächstes Mal kann es schon wieder ganz anders sein." Und es wurden nicht nur Arbeiten aus Erding angenommen, der Wettbewerb war offen für alle in Bayern ausgeschrieben worden. Ein "toller Erfolg" sei auch die Vernissage gewesen, zu der um die 90 Leute gekommen sind, wie Naglik sagt. "Es gab sehr gute Gespräche, nach drei Stunden haben wir das Kircherl aber zugemacht."

Kunstverein Erding: Den dritten Preis gewann Henning Stippe mit "Under pressure" (links) und "Mein Geheimnis/dein Geheimnis". Beide Werke entstanden mit Öl und Kohle auf Karton.

Den dritten Preis gewann Henning Stippe mit "Under pressure" (links) und "Mein Geheimnis/dein Geheimnis". Beide Werke entstanden mit Öl und Kohle auf Karton.

(Foto: privat (oh))

Den dritten Preis, der mit 250 Euro dotiert ist, hat Henning Stippe aus München bekommen. Seine Werke heißen: "Under pressure" und "Geheimnis/dein Geheimnis", beides Öl und Kohle auf Karton. Den zweiten Preis mit 500 Euro erhält Jürgen Naglik selber. Mit einer Konstruktion, die das Thema Reflexion mittels Spiegeln doppelt umsetzt. Zum einen als Werk aus Holz und Spiegel, zum anderen als Einladung für den Ausstellungsbesucher, selber ein Kunstwerk zu erschaffen "Je enger die Spiegel zusammen stehen, desto öfters erfolgt die Spiegelung. Einfach ausprobieren", sagt Naglik. Und das fotografische Ergebnis dieser aktiven Beteiligung kann sogar Teil der Ausstellung werden. Wer will, kann sein Foto an bilderwelten56@gmail.com senden und es wird auf einem Monitor in der Ausstellung gezeigt. "Da sind schon ein paar interessante Sachen gekommen", sagt Naglik. "Es ist ein anderes Erlebnis, man konsumiert nicht nur. Es hat was Experimentelles."

Kunstverein Erding: Jürgen Nagliks Holzskulptur mit zwei beweglichen Spiegeln lädt den Besucher ein, selber künstlerisch tätig zu werden.

Jürgen Nagliks Holzskulptur mit zwei beweglichen Spiegeln lädt den Besucher ein, selber künstlerisch tätig zu werden.

(Foto: Renate Schmidt)

Der erste, mit 750 Euro dotierte Preis geht ebenfalls an Jürgen Naglik. Es handelt sich um eine Konzeptarbeit. Das Bild seines Werkes von einem zirka 20 Jahre alten ukrainischen Soldaten machte 2014 der Reuters-Fotograf Gleb Garanich. Naglik suchte dazu das Bild eines Soldatenfriedhofs im Internet und machte daraus eine Fotomontage mit dem Titel "Das Ende der Kindheit". Dazu steht: "Es sind noch Kinder, doch die erlebten Ereignisse lassen alle wehrpflichtigen jungen Männer um Jahrzehnte altern."

Anfangs hat es noch keinen Krieg in der Ukraine gegeben

Ursprünglich sei der Soldat vor einem Panzer gestanden, sagt Naglik. Als man mit der Ausstellung begonnen hatte, habe es noch keinen Krieg in der Ukraine gegeben. Dazu habe er noch das aktuelle Geschehen darstellen wollen. Er habe einen Freund gebeten, der Journalist ist und in der Ukraine unterwegs, ein paar Fotos von aktuellen Geschehnissen zum Thema senden, für den zweiten Teil der Komposition. Ein Bild zeige die Beerdigung eines Kindes. "Die Leute haben nicht mal Zeit, sich von den Kindern zu verabschieden", sagt Naglik. "Die Leute wollen schnell wieder den Friedhof verlassen, denn wenn zu viele Menschen an einem Ort sind, besteht die Gefahr, zum Ziel von Granaten zu werden."

Der dritte Teil seiner Komposition ist ein kurzer Film von einem fünfjährigen Kind, das singt und tanzt und sich auf die Schule freut. Es ist das Mädchen, das beerdigt wird. Drei Jahre später explodiert eine russische Rakete in der Nähe. Im Text zur Komposition heißt es: "Margarita Gasponenko. Sie wurde am 22.06.2022 getötet." "Wenn man weiß, dass schon sehr viele Kinder gestorben sind oder traumatisiert, ist das sehr bedrückend," sagt Naglik. Der Krieg sei viel näher als man denke. Das Video der Eltern von ihrem Kind ist ihm von seinem Jugendfreund weiter geleitet worden.

Kunstverein Erding: Die Konzeptarbeit zum Thema Krieg in der Ukraine, Ende der Kindheit, stammt ebenfalls von Jürgen Naglik. Es handelt sich um eine digitale Collage, mit einem Foto von der Beerdigung eines Kindes und einem Video.

Die Konzeptarbeit zum Thema Krieg in der Ukraine, Ende der Kindheit, stammt ebenfalls von Jürgen Naglik. Es handelt sich um eine digitale Collage, mit einem Foto von der Beerdigung eines Kindes und einem Video.

(Foto: Renate Schmidt)
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: