Süddeutsche Zeitung

40 Jahre Kunstverein:"Förderung und Pflege des Kunstschaffens"

Der Kunstverein Erding wird 40 Jahre alt, inklusive seines Vorläufers "Bunter Kreis" gibt es ihn sogar schon ein halbes Jahrhundert. Er erfindet sich kontinuierlich neu und ist aus der lokalen Kulturlandschaft nicht wegzudenken.

Von Florian Tempel, Erding

"Reflex, Reflexion, Reflexionen" ist das Thema und der Titel der Jahresausstellung des Kunstvereins Erding. Das ist subtil gewählt, denn der Kunstverein blickt in diesem Jahr auf 40 Jahre Vereinsgeschichte und 50 Jahre Existenz zurück, rechnet man die zehn Jahre des lockeren Künstler-Zusammenschlusses Bunter Kreis hinzu, aus dem sich der Kunstverein entwickelt hat. Rückbesinnung ist in Vereinen immer ein wichtiges Thema und die Retrospektive ist ein eigenes Ausstellungsformat. Der Kunstverein Erding hat sein Jubiläum aber ohne viel Tamtam lieber mit einem fröhlichen Sommerfest im Bauernhausmuseum gefeiert. Denn für aktive Künstlerinnen und Künstler zählt vor allem eines: der Blick nach vorne auf neue Projekte.

Michael Lang hat eine Chronik zusammengestellt und sie bezeichnender Weise als "eine Dokumentation vor allem des kontinuierlichen Wirkens" bezeichnet. Die Chronologie, die leicht auf der Homepage des Kunstvereins zu finden ist, setzt im Jahr 1981 ein. Davor gab es aber den Bunten Kreis bereits seit neun Jahren als nicht-eingetragene Künstlergruppierung. In der Süddeutschen Zeitung findet sich die erste Notiz über den Bunten Kreis als kleine Meldung im April 1972: "Die Künstler des Landkreises Erding, die sich kürzlich in der Organisation Bunter Kreis zusammengeschlossen haben, werden im Einkaufszentrum an der Westumgehung (E+C-Markt) eine ständige Kunstausstellung einrichten." Ein selbstbewusstes Vorhaben für den Anfang.

Aktionen, Skandale, Diskussionen und Auseinandersetzungen

In der Kunstvereins-Chronik steht zu lesen, dass man sich am 4. Juni 1981 zur Vereinsgründung zusammenfand. Den ersten Vorstand bildeten Carlo Borst, Emil Vinzenz, Annemarie Forstner und Ursula von Puttkammer. Am 3. Februar 1982 erfolgt die Eintragung als "Bunter Kreis Kunstverein Erding e.V." im Vereinsregister des Amtsgerichts Erding. Der Verein hat zu diesem Zeitpunkt 37 Mitglieder. Ausstellungen finden im Frauenkircherl, aber auch im Sparkassen-Hauptgebäude oder in der Volksbank Erding statt. Zweck des Vereins ist "die Förderung und Pflege des Kunstschaffens in Stadt und Landkreis Erding".

Mit Beginn der 1990er Jahre verändert sich einiges. Mit einer Namensänderung rückt der Vorläufer-Club ins zweite Glied, nun heißt es "Kunstverein Erding - Bunter Kreis e.V." Ein Jahr darauf gibt es einen sogenannten Skandal um Bilder von Harry S. Da gibt es zum Beispiel diese Szene, in der ein römischer Legionär einem kopfüber Gekreuzigten ins Gesicht uriniert. Wolfgang Johannes Bekh nennt das "schockierend", der damalige Landrat Hans Zehetmair will "die Verworrenheit eines Geistes, der sich mit der Zeit noch fangen wird" erkennen. Ein Jahr später wird Harry Seeholzer zum stellvertretenden Vorsitzenden des Kunstvereins gewählt.

Neu sind in den 1990er Jahre die 24-Stunden-Aktionen in verschiedensten Räumlichkeiten: im Schlachthof Erding, im Fendsbacher Hof oder am Flughafen München. Die Jahresausstellungen sind recht groß und finden in der Stadthalle oder im Landratsamt und im Frauenkircherl statt. Der Verein hat nun um die 130 Mitglieder.

2006, im Jahr der Fußball-WM in Deutschland, geht der Kunstverein mit der bundesweit ausgeschriebenen Skulpturenausstellung "Das Runde muss ins Eckige" raus in den öffentlichen Raum. Erding schaut über den Tellerrand hinaus. Von 2007 an werden die Jahresausstellungen durch bayernweite Ausschreibung geöffnet. Beim 25-Jahre-Jubiläum erinnert Hans Zehetmair, nunmehr ehemaliger Kultusminister, an die einst provozierenden Bilder von Harry S. und stellt dazu fest, dass ein Kunstverein durchaus anecken dürfe und zur Entwicklung einer "Streitkultur" beitragen solle.

Der Kunstverein bekommt 2009 Räume im Schönen Turm, muss sie nach wenigen Jahren aus Gründen des Brandschutzes wieder verlassen und er erhält von der Stadt das Dachgeschoss im renovierten Haus Am Rätschenbach als Unterkunft. 2010 wird der Zusatz "Bunter Kreis" aus dem Vereinsnamen gestrichen. Die Vorstände wechseln - aktuell ist Frank Halatsch Vorsitzender -, die Aktionen ändern sich, ein Kunstpreis wird von der Sparkasse gestiftet, doch die Jahresausstellungen bleiben Höhepunkte des Jahres. Am 15. August geht es wieder los. Und weil Jubiläum ist, ist etwas ganz Besonderes möglich. Die Ausstellung im Frauenkircherl wird zwei Wochen lang zu sehen sein.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5630574
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ/beb
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.