Kranzberg:Mit Leib und Seele

Dieter Stiele und seine Frau Viola

Der Kranzberger Bäcker Dieter Stiele und seine Frau Viola hören auf.

(Foto: Lukas Barth)

Dieter Stiele ist Bäcker aus Leidenschaft. Dennoch gibt er seinen kleinen Betrieb in Kranzberg zum Jahresende auf, weil er keinen neuen Gesellen findet und die Arbeit zu zweit mit seiner Frau nicht bewältigen kann

Von Petra Schnirch, Kranzberg

"Das macht mir keine Freude", sagt Dieter Stiele. "Ich bin Bäcker mit Leib und Seele." Dennoch schließen er und seine Frau Viola Ende des Jahres Backstube und Geschäft. Ein dreiviertel Jahr haben sie vergeblich nach einem qualifizierten Mitarbeiter gesucht. Ende Dezember geht ein Bäckergeselle Stieles in den Ruhestand - eigentlich wollte er schon im Sommer aufhören, ließ sich aber überreden, noch einige Monate weiterzumachen. Allein mit dem verbliebenen Konditorgesellen könne er die Arbeit nicht bewältigen, sagt Dieter Stiele. Das Geschäft laufe gut.

Entsprechend enttäuscht sind seine Kunden. "Schade", heißt es in mehreren Kommentaren auf der Facebook-Seite der Stieles, "die Bäckerei Stiele war für unsere Gemeinde eine Bereicherung". Oder: "Die besten Kranzberger Semmeln." "Leider gehen die kleinen guten Geschäfte drauf", meint ein weiterer User. Stiele hatte die Bäckerei, einen über hundert Jahre alten Familienbetrieb an der Oberen Dorfstraße, 2005 übernommen. Der Baden-Württemberger brachte aus seiner Heimat Seelen mit, ein Weißbrotgebäck, war aber immer offen für Neues. Von alteingesessenen Kranzbergerinnen ließ er sich beibringen, wie man Kirchweihnudeln macht. Der 49-Jährige legte hier seinen ganzen Ehrgeiz hinein und kämpfte mit dem Schmalzgebäck auch um den Titel "Deutschlands bester Bäcker", ein ZDF-Format mit Fernsehkoch Johann Lafer. In der Vitrine im kleinen Aufenthaltsraum der Bäckerei steht das Buch zur Sendung ganz vorne. Jetzt, zum Oktoberfest, hat Stiele wieder ein Wiesnbrot kreiert, das in einem stilisierten Masskrug, einer Papp-Manschette, steckt. Wichtig ist für ihn, "dass ich weiß, was in meinem Brot drin ist".

Eigentlich kann man so etwas gar nicht aufgeben, meint er selbst. Im Frühjahr bauten die Stieles in einer Ecke des Ladens ein kleines Café ein. Dennoch reifte allmählich der Entschluss, aufzugeben, je länger die Suche nach einem Bäcker dauerte. Was sein Handwerk angeht, blickt Stiele pessimistisch in die Zukunft: "In fünf bis zehn Jahren wird es keine kleinen Bäcker mehr geben", prophezeit er, sondern nur noch Großbetriebe, in denen vieles maschinell erledigt werde. Das sei traurig, gute Lebensmittel würden in Deutschland aber zu wenig geschätzt. Als Beispiel nennt Stiele die Aufbackstationen im Discounter: Die Semmel, die dort rauskommt, könne gar nicht frisch gebacken sein. Vielen aber sei das nicht bewusst. Bäcker, das "ist ein hoch sensibler Beruf", erklärt er. Allein die Teigtemperatur ist, das wird bei seinen Ausführungen deutlich, eine Wissenschaft für sich. Beispielsweise im Übergang zum Herbst, wenn sich die Temperatur in der Backstube ändert.

Zu schaffen macht den Handwerksbetrieben auch die zunehmende Bürokratie. So muss die Kühlkette genau dokumentiert werden, ein Reinigungsplan muss vorliegen, im kommenden Jahr sind laut Stiele Nährwertangaben vorgeschrieben. Von Januar an bräuchte er zudem eine neue, digitale Kasse. "Ein kleiner Betrieb kann das alles gar nicht bewerkstelligen."

Was er künftig machen wird, steht noch nicht fest. Wenn er ein gutes Angebot bekommt, werde er im Bäckerhandwerk weiterarbeiten, sagt Dieter Stiele. Er überlegt aber auch, etwas ganz anderes zu tun, "einen Radikalschnitt also". Seine Frau, eine Gartenbauingenieurin, will ihre Arbeitszeit in Weihenstephan aufstocken. Er freue sich, dass er künftig mehr Zeit für die Familie habe, er sei aber auch traurig, den Laden aufgeben und die Kunden enttäuschen zu müssen. Ein Problem muss er noch lösen: Um den neuwertigen Backofen verkaufen zu können, müsste in die Wand ein Loch geschlagen und anschließend wieder verputzt werden. Dem verweigert sich laut Stiele derzeit aber der Besitzer. Wann die Bäckerei genau zusperrt, ist noch offen. Eigentlich würde Stiele die Kranzberger über Weihnachten noch gern mit Backwaren versorgen. Da er die Backstube bis zum Jahresende räumen muss, wird das voraussichtlich nicht möglich sein. Den Vorschlag des Vermieters, bis Ostern weiterzumachen, habe er ausschlagen müssen, sagt Stiele. Das sei zu zweit einfach nicht zu schaffen. Kleiner Trost für Kranzberg: Ein Bäckereifachgeschäft soll dort wieder einziehen. Johann Döbl verhandelt gerade mit Interessenten.

Ein großer Aktionstag findet in der Bäckerei in jedem Fall noch statt: Am Samstag, 15. Oktober, unterstützen die Stieles - als Anhänger des FC Ingolstadt - ein behindertes Mädchen. Lisa sammelt Geld, damit Menschen mit und ohne Handicap zu Auswärtsspielen der Schanzer fahren können. Dieter Stiele will ein "Lisa-Brot" backen, natürlich gibt es auch Kirchweihnudeln.

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