Süddeutsche Zeitung

Krähen über dem Landkreis:Das Geschrei bleibt das gleiche

Im Stadtpark ist die Zahl der Krähennester um hundert zurückgegangen, doch die Anwohner leiden weiter. Umweltreferent Schreder möchte eine Obergrenze für Kolonien einführen, der Erfolg ist fraglich

Von Antonia Steiger, Erding

Knapp 800 Krähenpaare im Erdinger Stadtpark machen ein derart großes Geschrei, dass eine gute Nachricht fast überhört worden wäre: Die Anzahl der Nester ist zurückgegangen. Nicht nur im Stadtpark, sondern über die gesamte Stadt gesehen: 2019 zählten die Beobachter 1040 Nester, 2020 nur noch 911. Wer in der Nähe des Parks lebt, dem dürfte das herzlich egal sein. 781 Nester wurden im Frühjahr im Park gezählt, ein Jahr zuvor waren es 880; die Lärmbelastung bleibt aber die gleiche. In der Stadtpolitik sieht man das ebenso. Umweltreferent Thomas Schreder (CSU) hat nun eine neue Initiative angekündigt: Er möchte erreichen, dass eine Obergrenze für eine Krähenkolonie eingeführt wird. Alles, was drüber geht, soll dann entfernt werden. So der Plan. Er dürfte vermutlich nicht aufgehen, die Regierung von Oberbayern grätscht schon wieder dazwischen: Die Festlegung einer Obergrenze sei "keine geeignete Methode im Saatkrähenmanagement", heißt es dort auf Nachfrage.

Eigentlich gilt die Kolonie im Stadtpark ja als unantastbar, weil sie die Hauptkolonie ist. Splitterkolonien dürfen dagegen durchaus angegriffen werden, so lautet die Regel schon seit vielen Jahren. Dementsprechend pflücken Bauhofmitarbeiter regelmäßig Nester aus den Bäumen in den Splitterkolonien, endlich offenbar auch mit Erfolg: Die bisher größte Splitterkolonie an der Krankenhausstraße ist nicht mehr das, was sie einmal war: 2019 waren dort 50 Nester in den Bäumen, in diesem Frühjahr nur noch zehn. In den weiteren neun Splitterkolonien wurden laut Pressesprecher Christian Wanninger 130 Nester gezählt; vier davon am Bahnhof Altenerding; dort haben die Krähen eine neue Splitterkolonie gegründet.

Schreder bestätigte in der Stadtratssitzung zwar, dass die Regierung von Oberbayern weiterhin streng über die Kolonie im Stadtpark wache, dennoch konnte ein Erfolg erzielt werden: Weil die Bewohner der beiden Seniorenheime wegen der Beschränkungen zur Eindämmung des Coronavirus ihr Zuhause in diesem Jahr kaum verlassen konnten, konnte die Stadt eine Ausnahmegenehmigung erwirken: In einem 200 Meter breiten Korridor rund um die Seniorenheime hätten die Eier aus den Nestern entfernt werden dürfen, sodass weniger jungen Krähen geschlüpft wären. Doch dazu kam es nicht: Als man in den Nestern nachsah, saßen dort schon die Jungvögel, die natürlich nicht angetastet werden durften.

Dass der neueste Vorstoß von Erfolg gekrönt sein könnte, scheint fraglich: Schreder hatte auf Nachfrage des Stadtrates Hans Balbach (Erding Jetzt) den Stadträten erklärt, dass er eine Obergrenze für Kolonien definieren lassen wolle, doch die Regierung von Oberbayern winkte schon ab: Dies sei keine geeignete Maßnahme, weil die "Konfliktträchtigkeit von Saatkrähen-Brutkolonien" unabhängig von der Größe der Kolonie zu sehen sei. Es gebe Kolonien mit zwanzig Brutpaaren, die "als höchstproblematisch empfunden" werden, und Großkolonien "mit vielen Hundert Brutpaaren, die weitgehend konfliktfrei" seien, teilte Wolfgang Rupp als Pressesprecher der Regierung von Oberbayern mit. Den Anwohnern des Stadtparks dürfte mit dieser Argumentationslinie nicht geholfen sein, auch wenn sie bestätigen könnten, dass hundert Krähenpaare weniger eine ebenso unerträgliche Lärmbelastung sind.

Rupp teilte weiter mit, dass seine Behörde "regelmäßig artenschutzrechtliche Ausnahmen zur Entfernung von Nestern, zur optisch-akustischen Vergrämung und zum Einsatz von Falknern" erteilte. Das bestätigte auch Schreder. Er wies aber Hoffnungen zurück, dass die Sondergenehmigung zur Entfernung von Eiern aus den Nestern im kommenden Jahr auf einer größeren Fläche als dem 200 Meter breiten Korridor bei den Seniorenheimen erlaubt werden könnte. Schreder sagte auch, dass bei der Größe der Kolonie im Park zwei Falken nötig seien, um eine abschreckende Wirkung auf die Krähen zu erzielen. Rupp schrieb außerdem, dass die Stadt Erding bereits eine umfassende Genehmigung zum Einsatz solcher Methoden bis einschließlich der Brutsaison 2020 erhalten habe. Weitere Gespräche seien möglich.

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Quelle:
SZ vom 09.10.2020
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