Süddeutsche Zeitung

Kommentar:Fatale Einstellung

Die Politik könnte in der Flüchtlingspolitik viel mehr erreichen, wenn sie offen auf die Bürger zugehen würde. Die überragende Hilfsbereitschaft der Münchner hat das gezeigt

Von Wolfgang Schmidt

Wie wäre es, wenn die politisch Verantwortlichen im Erdinger Land es einmal mit einer offensiven Ausrichtung probieren würden, wenn es um die Unterbringung von Flüchtlingen geht? Wenn man den Bürgern im Landkreis sagt, ihr bekommt neue Nachbarn, es sind Leute, deren Elend euch betroffen gemacht hat, als ihr die Fernsehbilder gesehen habt? Wenn man ihnen sagt, es sind Menschen aus Fleisch und Blut, die vielleicht eine andere Hautfarbe haben, die eine andere Sprache sprechen? Aber sonst, sonst sind es Menschen wie ihr auch.

Es gibt Bürgermeister in diesem Landkreis, die allen Ernstes darauf hoffen, dass der Mann, der soeben in den Ort eingezogen ist, nicht als Asylbewerber im Straßenbild zu erkennen ist. Das, so wird dann sinngemäß argumentiert, sei die beste Vorbeugung gegen Ressentiments oder gar Fremdenhass. Diese Einstellung ist fatal. Das Verstecken von Flüchtlingen kann keine Lösung sein. Noch fataler sind nur noch Überrumpelungsaktionen, die den selbstgerechten Wutbürgern die Entschuldigung für ihre Entrüstung frei Haus liefern. Es gibt keinen bequemeren Rückzugswinkel für die rechten Krakeeler als der Vorwurf, warum hat man uns nicht informiert? Diese Ausrede sollte man ihnen nehmen.

Was mit Offensive zu erreichen ist, hat die überragende Hilfsbereitschaft der vielen, vielen Münchner an ihrem Hauptbahnhof gezeigt. Da blieb einfach kein Platz für Ausländerhass.

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Quelle:
SZ vom 03.09.2015
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