Kommentar:Auf Kante genäht

Der Hebammenmangel muss politisch diskutiert und schnellstens gelöst werden

Von Karin Kampwerth

Werdende Mütter müssen in den kommenden Monaten längere Wege in Kauf nehmen, wenn sie ihr Kind auf natürlichem Weg in einer Klinik entbinden wollen. Als Geburtsort wird im Stammbuch Erding zunächst einmal nicht vermerkt werden, der Kreißsaal wird vorübergehend geschlossen. Der Grund: Es gibt zu wenige Hebammen.

Wobei es nicht daran liegt, dass immer weniger Frauen den Beruf ergreifen wollen. Im Gegenteil: In der Regel erfüllen Hebammen mit großer Leidenschaft ihre Profession, trotz vieler Fallstricke. Alleine die wenig planbare Arbeitszeit macht es freien Hebammen schwer, ein eigenes Familienleben zu organisieren, da sich die Babys ihrer Klientinnen nicht an eine Neun-bis-Fünf-Arbeitszeit halten. Die Kliniken machen ihnen das Leben nicht unbedingt leichter, weil sie die Hebammen auf freiberuflicher Basis beschäftigen. Am ärgsten drückt aber die hohe Berufshaftpflicht, die eine freie Hebamme selber jährlich zahlen muss. Da kommen mehrere Tausend Euro zusammen, die mit den Honoraren schwer auszugleichen sind - schon gar nicht, wenn die Hebamme Teilzeit arbeiten möchte.

Insofern ist die Schließung des Kreißsaals im Erdinger Klinikum hausgemacht, weil die Entbindungsstation dort nur mit freien Hebammen zusammen arbeitet. In der Ebersberger Kreisklinik ist man umsichtiger: Dort können die Gebärenden auf ein achtköpfiges Team von festangestellten und freiberuflichen Hebammen vertrauen. Das gibt nicht nur den Eltern Sicherheit, auch die Ärztinnen und Ärzte wissen ihre Patientinnen während des Geburtsvorgangs in besten Händen. Doch die freien Geburtshelferinnen in Ebersberg können schnell weg sein. Dann nämlich, wenn man in den Kliniken im oberbayerischen Raum erkennt, dass der Hebammenmangel und die damit verbundene Schließung von Kreißsälen nicht nur unbequem für Eltern ist, sondern auch die Gesundheit von Mutter und Kind gefährden kann.

Grund genug, das Thema in den Krankenhäusern nicht länger ökonomisch anzugehen, sondern auch politisch. Wozu sitzen in den Verwaltungsräten der kommunalen Kliniken schließlich Volksvertreter und -vertreterinnen, die sich für Mutter und Kind stark machen sollten? Schließlich sind das dieselben, die vieles dafür tun, um die Geburtenrate in Deutschland zu erhöhen. Klingt irgendwie kontraproduktiv, wenn die Eltern dann nicht wissen, wo sie ihr Kind auf die Welt bringen sollen.

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