Die Worte, die Amtsrichter Michael Lefkaditis dem inzwischen 21-jährigen Angeklagten auf dem Weg mitgab, fassten kurz zusammen, weshalb er ihn zu 80 Stunden Sozialdienst wegen vorsätzlicher Körperverletzung verurteilt hatte: "Eine Beziehung ist kein Freibrief, übergriffig zu werden." Der Angeklagte hatte im Juni vergangenen Jahres seine 19-jährige Freundin in Dorfen auf offener Straße ins Gesicht und auf den Hals geschlagen. Die 19-Jährige sagte dazu nichts. Sie erklärte vor Gericht, dass sie seit 2021 mit dem Angeklagten verlobt sei und deshalb von ihrem Recht Gebrauch mache, die Aussage zu verweigern.
Die Anklageschrift und die in der Akte beiliegenden Fotos der Wunden und Blutergüssen am Hals und im Gesicht der jungen Frau sprachen jedoch eine deutliche Sprache. Die handgreifliche Auseinandersetzung hatte zwar niemand gesehen. Allerdings hatte die Polizei einen Anruf erhalten, dass es zu einem Streit auf der Straße gekommen sei. Eine Streife, die zufällig in der Nähe war, war schnell zur Stelle. Beide seien sehr aufgebracht gewesen, sagte eine Polizeibeamtin vor Gericht, die Frau habe geweint und sei ängstlich gewesen, der Angeklagte sei vor allem auf sich selbst wütend gewesen.
Weil er Suizidgedanken aussprach, wurde er ins Bezirkskrankenhaus Taufkirchen gebracht
Bei der Befragung, was geschehen sei, habe sich heraus kristallisiert, dass ihr Streit bereits zu Hause begonnen hatte und auf der Straße eskalierte. Er sei offenbar mit einer von ihr angekündigten Trennung nicht zurecht gekommen. In Anwesenheit der Polizei habe er dann plötzlich mit der Faust auf dem Boden geschlagen und Suizidgedanken ausgesprochen. Deshalb habe man ihn vorsorglich gefesselt, damit er sich nicht weiter verletze. Nach ein paar Minuten habe er sich etwas beruhigt. Die Streife brachte ihn vorsichtshalber jedoch ins psychiatrische Krankenhaus Taufkirchen.
"Was war denn los", wollte Amtsrichter Lefkaditis wissen. "Das weiß ich auch nicht mehr so", sagte der Angeklagte. Es sei damals viel zusammen gekommen. Er habe keinen Pass, kein Geld, keinen Job und er sei eh depressiv veranlagt. "Ich habe mein Leben nicht in Griff bekommen." Er sei voller "Wut, Schmerz und Hass" gewesen und durch das alles zusammen sei "nur Blödsinn" herausgekommen. Er sei vor allem auf sich selber sauer.
Eigentlich gab es nach dem Vorfall zwei Kontaktsperren für den Angeklagten
Eigentlich hatte man gegen ihn zwei Kontaktsperren nach dem Gewaltschutzgesetz angeordnet. Während der zweiten Sperre sei er aber zufällig mit der 19-Jährigen in München zusammengengetroffen, sagte der Angeklagte. Sie hätten sich ausgesprochen, die Aufhebung des Kontaktverbots erwirkt und lebten seit Mitte September wieder zusammen.
Dass beide schon seit August 2021 verlobt sind, hatte die 19-Jährige erst nach einem Hinweise der Jugendgerichtshilfe gesagt. Amtsrichter Lefkaditis hakte deshalb nach, wie ernst es mit dem Verlöbnis ist. Die Zeugin beteuerte, dass es ihnen ernst sei, sie habe sogar einen Ring zur Verlobung bekommen. Nur habe bisher das Geld für die Hochzeit gefehlt.
Ein gewaltfreies Aufwachsen sei auch wichtig für ihr Kind, betonte Amtsrichter Lefkaditis
Da beide nicht berufstätig sind und der Angeklagte weder eine abgeschlossene Schul- noch Berufsausbildung hat, ist Geld eines der Probleme der beiden, wie auch die Vertreterin der Jugendgerichtshilfe bestätigte. Den beiden sei bereits seit 2021 eine Betreuung durch das Jugendamt zugeordnet. Beide wüssten, dass sie sich nichts mehr zu schulden kommen lassen dürfen, sonst drohe ihnen, dass sie ihr gemeinsames Kind in anderweitige Betreuung geben müssen. Beim sehr emotionalen Angeklagten seien noch einige "Entwicklungsbausteine" offen, er sei noch kein Erwachsener. Am besten würde ihm ein "gerütteltes Maß an Sozialstunden" helfen, die er vielleicht in einem Pflegeheim ableisten könne, da er in dem Bereich einen Job ausüben wolle. "Dann kann er zeigen, was er kann."
Diesem Vorschlag schloss sich Richter Lefkaditis an. Er hoffe, dass der Angeklagte zeige, dass er sein Leben selbst in die Hand nehme, um später für seine Familie auch finanziell sorgen zu können. Und es dürfte auch sonst nichts mehr zwischen beiden vorfallen, denn ein gewaltfreies Aufwachsen sei wichtig für ihr Kind.