Klinikum Erding:Gereiztes Klima

Klinikum Erding: Am Erdinger Klinikum rumort es

Am Erdinger Klinikum rumort es

(Foto: Renate Schmidt)

Die Mitarbeiter des Klinikums Erding drückt eine steigende Arbeitsbelastung. Sie beklagen, dass sich die glänzende Außendarstellung so gar nicht im Innenverhältnis widerspiegelt

Von Florian Tempel

"Spitzenmedizin ganz nah", das ist der sogenannte Claim des vor einem Monat in Klinikum Landkreis Erding umbenannten Kreiskrankenhauses. Das englische Wort Claim - Anspruch, Behauptung oder Forderung - ist ein ausschließlich im deutschsprachigen Raum gebräuchlicher Marketingbegriff, der seit einigen Jahren den aus der Mode gekommenen Begriff Slogan ersetzt. Mit seinem Claim, seinem neuen Namen und einem neuen Logo repräsentiert sich die "Erneuerung" des Hauses nach außen hin, hat Klinikvorstand Sándor Mohácsi erklärt. Doch hinter der Fassade, an der das schöne neue Klinik-Symbol prangt, wird Kritik laut. Langjährige Mitarbeiter beklagen, dass sich die glänzende Außendarstellung so gar nicht im Innenverhältnis widerspiegelt. Anspruch und Realität klafften weit auseinander.

Die Arbeitsbelastung vor allem der Pflegekräfte steigt seit Monaten kontinuierlich. Das wird unter anderem durch die Zahl der "Belastungs- und Gefährdungsanzeigen" belegt. In Belastungsanzeigen machen Pfleger etwa deutlich, dass sie ein untragbares Arbeitspensum bewältigen mussten. Ein konkreter Fall, den ein langjähriger Mitarbeiter der SZ nannte: Für die Versorgung von 38 Patienten der chirurgischen Station seien an einem Wochenende nur eine examinierte Schwester, eine Pflegehelferin, die kaum Deutsch spricht, und ein Pflegeschüler eingeteilt gewesen. Belastungsanzeigen von überforderten Mitarbeitern gab es zwar schon immer. Jeder, der in einem Krankenhaus arbeitet, weiß, dass es Spitzen gibt, die sich kaum vermeiden lassen. Doch während früher nur wenige Belastungsanzeigen im ganzen Jahr abgegeben wurden, stieg ihre Zahl nach SZ-Informationen zuletzt auf etwa zwei pro Monat. Wobei viele Kollegen, so ein Insider, trotz klarer Überlastungssituationen diese nicht anzeigen würden. Weil viele resigniert glaubten, dass das eh nichts brächte, oder weil sie eine kritische Auseinandersetzung mit ihren Vorgesetzten und der Klinikleitung scheuten.

Die Belastung resultiert zum einen aus dem Mangel an Fachkräften, die im ganzen Großraum München schwer zu finden sind. Das Klinikum Erding ist ausweislich seiner Stellenanzeigen permanent auf der Suche nach neuen Mitarbeitern. Viel Neue würden aber, sagt ein Mitarbeiter des Hauses, angesichts der Arbeitsbelastung in Erding oft nach kurzer Zeit schon wieder kündigen. Ein anderer Grund für die steigende Mehrbelastung ist aber auch, dass im Klinikum Erding immer mehr Patienten operiert und behandelt werden, was entsprechend mehr Arbeit für die Pflegekräfte mit sich bringt.

Die Mitarbeiter drückt eine steigende Arbeitsbelastung. Klinikvorstand Mohácsi hat hingegen trotz immer neuer Rekorde bei den Patientenzahlen und der Anzahl der Operationen mit wirtschaftlichen Millionenverlusten zu kämpfen, die ihm bei seinem Amtsantritt im März 2011 laut eigener Aussage in diesem Ausmaß nicht bekannt waren. Der Stress auf beiden Seiten kann ganz schnell zu einem gereizten Arbeitsklima führen, wie ein Vorfall Ende Juli illustriert. Ein Assistenzarzt hatte während einer Besprechung eine leicht kritische Äußerung gemacht. Mohácsi, dem der Satz zugetragen wurde, reagierte schroff mit gleich drei Abmahnungen auf einmal. Nach Protesten der Ärzteschaft zog Mohácsi die Abmahnungen zurück und der Vorfall gilt beiden Seiten mittlerweile als vollkommen beigelegt.

Die kurze Eskalation ist zwar ein Einzelfall, wie er in jedem Unternehmen vorkommen kann. Doch für die Klinik-Mitarbeiter, die von ihm erfuhren, wirkte er irritierend und demotivierend, da er an Zeiten erinnert, als Kritik und offene Worte im Haus nicht möglich waren - was dann 2010 im totalen Eklat endete. Es passt zudem nicht zu dem ebenfalls erst vor einem Monat veröffentlichten neuen "Leitbild" des Klinikums Erding. Darin heißt es unter anderem, "unsere Unternehmenskultur ist geprägt von einem konstruktiven Miteinander. Respekt und Offenheit kennzeichnen unseren Umgang mit unseren Patienten, Partnern und Kollegen."

Zum Teil sind es auch vermeintliche Kleinigkeiten, die das Personal irritieren. Nach der Einführung eines neuen Systems zur Arbeitszeiterfassung wurde den Mitarbeitern versichert, ihre Überstunden würden auf einem Sonderkonto vermerkt und später übertragen werden. Das war vor Monaten. Nun kommen zwar endlich die Zeitgutschriften - doch sie stimmen zum Teil nicht mit dem überein, was die Mitarbeiter sich notiert hatten.

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