Süddeutsche Zeitung

Krankenhausausschuss Erding:Geplante Klinikreform löst Existenzsorgen aus

Erding fürchtet eine ungerechtfertigte Einstufung als Grundversorger in "ländlich geprägter Region". Die größte Herausforderung für eine bessere Beurteilung ist der bundesweite Personalmangel.

Von Gerhard Wilhelm, Erding

Die im Dezember 2022 veröffentlichten Pläne der Regierungskommission führen auch am Klinikum Erding zu einer großen Unsicherheit. Noch ist nicht absehbar, wie sich die Pläne der Expertenkommission auf das Klinikum Landkreis Erding mit seinen beiden Standorten konkret auswirken werden. Sicher scheint jedoch, dass die vorgestellten Pläne nachhaltige Auswirkungen haben werden, wenn sie umgesetzt werden sollten. Es droht die Einstufung Erdings in das "Level I-n" und Dorfens zum "Level I-i". Beide Level würden zu massiven Einschnitten führen. In Kraft treten soll voraussichtlich der Umbau am 1. Januar 2024. Nun soll eine Strategie erarbeitet werden, um besser eingestuft zu werden.

Die Situation am Klinikum Erding und in Dorfen ist auch 2022 nicht rosig gewesen. Zwar stiegen die Zahlen bei den wichtigsten Eckpunkten - den Case-Mix-Punkten und den Fallzahlen - gegenüber dem Jahr 2021, aber insgesamt, so Krankenhausdirektor Dirk Last im Krankenhausausschuss am Mittwoch, habe man die geplanten Zahlen "deutlich verfehlt". Einer der Gründe sei gewesen, dass man den Einfluss von Impfungen gegen Covid-19 überschätzt habe. Der krankheitsbedingte Ausfall sei mit rund 20 Prozent beim Personal weitaus höher ausgefallen, was zu einem verminderten Angebot an medizinischen Diensten geführt habe. Unter anderem verursacht durch die große psychische und physische Belastung des Personals, wie Last als richtige Vermutung bestätigte.

Und fehlendes Personal ist einer der Gründe, warum das Klinikum und Landrat Martin Bayerstorfer (CSU) besorgt sind, was die Zukunft der beiden Kliniken in ihrem jetzigen Zustand und die geplanten Erweiterungen betrifft. Seit dem Bekanntwerden der Reformpläne herrsche überall Aufregung und Verunsicherung, welche konkreten Auswirkungen sie für die einzelnen Kliniken haben könnten. Es bestehe durchaus die "Gefahr", dass der Standort Erding lediglich dem "Level In" und die Klinik Dorfen dem "Level Ii" zugeordnet werden, sagte Krankenhausdirektor Last. "Level I"-Häuser dürften dann nur noch einen gewissen Anteil der 128 definierten Leistungsgruppen behandeln. Folge man den Plänen der Regierungskommission sei für die Zuordnung zum "Level II" die derzeitige Notfallstufe 2 eine zwingende Voraussetzung. Derzeit habe der Medizinische Dienst (MD) dem Klinikum Landkreis Erding nur die Notfallstufe 1 anerkannt - trotz 16 000 Notfallpatienten im Jahr.

Über drei "Leiharbeiter" kann die 24-Stunden-Versorgung gewährleistet werden

Das größte Problem sei derzeit die personelle Besetzung der Notfallversorgung, insbesondere die Vorhaltung von zehn Beatmungsplätzen auf der Intensivstation sowie eine Aufnahmestation. Beides könne das Klinikum Erding zwar vorhalten, so Last, aber derzeit nur über drei "Leiharbeiter". "Da haben wir zu kämpfen." Die anderen Strukturvoraussetzungen für die Notfallstufe 2, die erweiterte, würden erfüllt.

Was es bedeutet nicht in "Level II" eingestuft zu werden, hat der Landkreis Passau in einem Schreiben an den Bayerischen Gesundheitsminister Klaus Holetschek und alle Bundestags-. Landtags- und Bezirkstagsabgeordnete erläutert, das den Ausschussmitgliedern vorlag, und dem Krankenhausdirektor Last hinzufügte: "Super geschrieben, steht alles drin". Darin wird befürchtet, dass "Level-I-Kliniken" "so nicht mehr überlebensfähig" sein werden und ihr Leistungsumfang "massiv eingeschränkt". Ob das Klinikum Erding auch künftig ein breitgefächertes stationäres Versorgungsangebot an beiden Standorten aufrechterhalten kann (dazu gehören beispielsweise auch die Brustchirurgie, die Thoraxchirurgie, die Viszeralchirurgie, die Gefäßchirurgie und eventuell die Schlaganfalleinheit) hänge laut Last auch mit davon ab, ob es gelinge, die bereits jetzt geforderten Strukturmerkmale zu erfüllen. Nur eine Klinik der Stufe II dürfe beispielsweise eine Geburtshilfe betreiben.

Unter den Kliniken gebe es mittlerweile eine regelrechte Kannibalisierung

Die größte Hürde und Herausforderung auf dem Weg zu Stufe II sei die Personalakquise, sagte Last. Unter der "Misere" Personal hätten alle Kliniken zu leiden und deshalb gebe es mittlerweile unter ihnen eine regelrechte Kannibalisierung. Freising werbe zum Beispiel "ganz aggressiv" mit einer Antrittsprämie von bis zu 11 000 Euro und Ebersberg suche mit großen Plakaten nach Personal. "Die Häuser beäugen sich derzeit gegenseitig, was beim anderen passiert." Kooperationen würden nur teilweise funktionieren, weil jeder abwarte, wie die Reform tatsächlich umgesetzt werde.

Einig war man sich im Krankenhausausschuss, dass das Klinikum Erding kein reiner "Grundversorger" in einer "sehr ländlich geprägten Region" sei. Man dürfe Patienten und Angehörigen nicht weite Anfahrten zumuten, zum Beispiel zu einer "Level-II-" oder "Level-III-Klinik" zu kommen. Man könne Erding nicht mit der Situation in Mecklenburg-Vorpommern vergleichen, sagte Landrat Bayerstorfer. Zumal der Landkreis ein Wachstumslandkreis sei. Zudem dürfe man die demografische Entwicklung nicht missachten. Bayerstorfer zeigte sich fest überzeugt, dass auch der Trend zur Spezialisierung und Konzentrierung im Krankenhauswesen nur ein vorübergehender sei, so wie früher die Privatisierungs- oder Fusionierungswellen. Auch alles Regionale sei lange verpönt gewesen. "Wir haben jetzt eine Durststrecke und durch die müssen wir durch", so der Landrat.

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