"Letzte Generation"Klimaaktivistin vor Gericht

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Auf einen Fußgängerübergang auf der Südallee am Flughafen München hatten sich bereits 2022  Mitglieder der „Letzten Generation“ geklebt.
Auf einen Fußgängerübergang auf der Südallee am Flughafen München hatten sich bereits 2022  Mitglieder der „Letzten Generation“ geklebt. (Foto: Matthias Balk)

Weil sie geholfen haben soll, den Münchner Flughafen lahmzulegen, muss sich eine Klimaaktivistin am Erdinger Amtsgericht verantworten. Obwohl die Beweislage eindeutig erscheint, wird die 25-Jährige nicht verurteilt.

Von Andreas Müller, Erding

„Ort 1 klebt“, melden zwei Klimaaktivisten der „Letzten Generation“ in einem Telegram-Chat am frühen Morgen des 18. Mai vergangenen Jahres. Sie haben sich gerade an einer der Startbahnen am Flughafen München festgeklebt. Vorher hatten sie und drei weitere Zweierteams den Sicherheitszaun durchschnitten. Am Amtsgericht Erding musste sich nun eine 25-Jährige verantworten, die per Handy von außerhalb Hinweise gegeben haben soll. Nach drei Stunden Verhandlung wurde das Verfahren ausgesetzt.

Sechs der acht Aktivisten war es damals gelungen, sich an verschiedenen Orten am Münchener Flughafen mit jeweils einer Hand festzukleben. Und zwar so, dass Teile der Asphaltdecke mit Winkelschleifern herausgeschnitten werden mussten. Die Reparatur kostete 1300 Euro, der Schaden am Zaun beläuft sich auf  4000 Euro. Zudem mussten Flüge annulliert und Flugzeuge umgeleitet werden. 10 500 Passagiere waren von der Aktion betroffen.

So jedenfalls steht es in dem Strafbefehl gegen die 25-jährige Musikerin aus Regensburg. Über ihren Einspruch ist am Dienstag am Erdinger Amtsgericht verhandelt worden. Mit Chat-Nachrichten wie „Polizei auch bei mir“ soll sie über das Verhalten des Sicherheitspersonals informiert haben. Außerdem soll sie an diejenigen, die sich festgeklebt hatten, geschrieben haben: „Haltet gern mal das Schild hoch.“ Damit war wohl ein Banner mit politischer Botschaft gemeint.

Nach Angaben der Flughafenpolizei sind die Demonstranten „sehr strukturiert“ vorgegangen und waren „gut organisiert“. Die Blockade sei anwaltlich unterstützt und zentral gesteuert worden. Während die Aktion noch lief, seien bereits erste Fotos in soziale Netzwerke eingestellt worden. Die Zweierteams seien am Vortag mit angemieteten Autos zu verschiedenen Stellen des Sicherheitszauns gefahren worden. Alle Beteiligten hätten Decknamen verwendet: die angeklagte Regensburgerin „Hummel 1“.

Weil sie herumtippte, seien die Beamten erst auf das Handy aufmerksam geworden

Den Strafbefehl gegen die Musikerin über 90 Tagessätze hat die Staatsanwaltschaft mit Beihilfe zur Sachbeschädigung, zum Hausfriedensbruch und vor allem zur Störung öffentlicher Betriebe begründet. Wesentliches Beweismittel: das sichergestellte Handy der 25-Jährigen. Die Handyauswertung dürfe nicht verwertet werden, argumentierte ihre Verteidigerin. Ihre Mandantin sei zu spät über ihre Rechte belehrt worden. Ein Polizeibeamter hat bestätigt, dass die Musikerin zunächst als Zeugin vernommen worden ist, weil es anfangs „keinen nachweisbaren Tatverdacht“ gegeben habe.

Auch wenn dies rechtswidrig gewesen sein sollte, hätte sich die fehlende Belehrung über ihr Schweigerecht nicht ausgewirkt, gab Amtsrichter Andreas Wassermann zu bedenken. Schließlich hat sich die Angeklagte nach Angaben des Vernehmungsbeamten ohnehin nicht zu den Taten geäußert. Aber auf ihrem Handy herumgetippt, entgegnete die Verteidigerin. Dadurch seien die Polizisten erst auf das Telefon als mögliches Beweismittel aufmerksam geworden. Wäre ihre Mandantin als Beschuldigte belehrt worden, hätte sie ihr Handy weggelegt, war sich die Anwältin sicher. Wassermann konnte sie damit jedoch nicht überzeugen.

Das Verfahren soll im Herbst wieder starten, dann mit bis zu 40 Zeugen

Drei Stunden dauerte die Verhandlung. Ein Urteil gab es dennoch nicht. Die Verteidigerin war nämlich mit Wassermanns Vorgehen, die Haupttat durch Verlesen von Polizeiberichten einzuführen, nicht einverstanden. Nach dem Unmittelbarkeitsgrundsatz seien die Beamten als Zeugen zu laden, argumentierte sie. „Wir sind nicht am Schwurgericht“, entgegnete der Richter, setzte das Verfahren aber dennoch aus und kündigte einen neuen Anlauf für Herbst an, zu dem er 30 bis 40 Zeugen laden werde.

Eine Möglichkeit, das Verfahren vorzeitig zu beenden, gibt es allerdings noch: Auf Anregung der Verteidigerin wird die Staatsanwaltschaft eine Einstellung prüfen. Wassermann hielt eine solche für möglich: Das bloße „Vor-Ort-Sein“ und „das bisschen Kommunikation“ seien „unterschwelligste Beihilfehandlungen“, die im Vergleich zu den Vorwürfen in anderen Verfahren nicht ins Gewicht fielen, erklärte der Richter. Nach eigenen Angaben ist die Musikerin im März wegen anderer Blockadeaktionen von den Landgerichten in Berlin und Nürnberg-Fürth rechtskräftig zu Geldstrafen verurteilt worden.

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