Jubiläum:Hundertjährige Wurzeln

Der Kreisjagdverband führt sein Bestehen auf den 1920 gegründeten Dorfener Jägerverein zurück, der sich waidgerechtes Verhalten auf die Fahnen schrieb

Von Thomas Daller, Landkreis

Der Kreisjagdverband, Kulturpreisträger des Landkreises Erding, feiert in diesen Tagen sein 100-jähriges Bestehen. Eigentlich ist das ein wenig geschwindelt, denn den Jagdverband gibt es erst seit 1948. Aber der Grundstein für den Erdinger Verband wurde bereits 1920 gelegt, in Form des Jägervereins Dorfen. Damals fing man an, sich mit waidgerechtem Verhalten auseinanderzusetzen, und auch der Gedanke der Hege bekam einen höheren Stellenwert.

Bis 1848 war die Jagd ein Adelsprivileg. Das wurde dann aufgehoben und 1850 neu geregelt. Jeder, der einen Jagdschein beantragte und sich eine Jagdpacht leisten konnte, ballerte in Wald und Flur wild darauf los. Ungeübte Schützen schossen Treiber und andere Jäger an und auch die Wilderei feierte fröhliche Urständ. Am meisten litt das Wild darunter, das oftmals nur anschossen wurde und im Unterholz dann kläglich verendete.

Mit der Gründung des Jägervereins Dorfen wollte man diesem Treiben ein Ende setzen und jagdliche Regeln einführen, sagte Franz Streibl, der 2006 eine lesenswerte Chronik des Kreisjagdverbandes Erding verfasst hat. Neben den Dorfener Jägern waren auch Jäger aus Buchbach und Schwindegg bei der Gründung mit dabei sowie eine große Gruppe aus Taufkirchen. Sie förderten das Schießwesen, bald nach der Gründung wurde der Stand in Osendorf errichtet. Außerdem unterstützten sie die Hundehaltung, damit angeschossene Tiere aufgespürt werden konnten.

Jägerjubiläum

Dorfener Jäger mit ihrer Beute. Die Aufnahme stammt aus dem Archiv von Franz Streibl und ist undatiert.

(Foto: Privat)

Es muss eine muntere Truppe gewesen sein, die sich damals zusammen geschlossen hatte. Von einem ihrer ersten "Schützenkränzchen" berichtete die Dorfener Zeitung wie folgt: "Am Samstag abends hatte der Jägerverein Dorfen in den Räumen des Gasthofes zum Grünen Baum in Hausmehring bei seinem Mitglied Herrn Ökonomierat Streibl ein lustiges Schützenkränzchen gehalten. Die Kegelhalle war zum Tanzsall umgeschaffen, in Tannengrün gekleidet und mit Jagdstücken reich geschmückt. An der Westwand der Halle war ein mächtiger Kuttengeier mit mehr als zwei Metern Flügelweite, der vor Jahren in Gatterberg erlegt worden ist. Neben dem Saaleingang war eine sehr praktisch angelegte Schießbude mit fliegender Schnepfe, laufendem Wild und afrikanischem Wüsten- und Urwaldgetier. Auf der Brüstung hatte sich der Wurzelsepp mit seinem Magenbitter und anderen Tränklein niedergelassen. Die weiten Räume waren bald mit fröhlichen Menschenkindern gefüllt. Der Besuch von Auswärts war sehr stark. Erst in den Morgenstunden beförderte der Autodienst Forster die letzten Gäste zurück in den Markt. Und alle sprechen mit Begeisterung von dem Jägerball."

Was bei diesem amüsanten Sittengemälde aus den 1920er Jahren auffällt, ist auch der ausgestopfte Kuttengeier, den man heutzutage meist als Mönchsgeier bezeichnet. Derart seltene Tiere kamen damals noch im Landkreis vor, wohl aber nur beim Durchzug, wie Chronik-Autor Streibl vermutet. Sogar ein Seeadler wurde noch 1935 in Pumpernudl gewildert. Ein gewisser Hans Neumaier hatte den Vogel beim Ausmisten des Saustalls entdeckt, seinen Zwilling geholt und das Tier vom Baum geschossen. Voll Stolz ging er mit seiner Beute zum Fotografen Böld in Isen und ließ sich fotografieren. Das Foto war gut gelungen und wurde im Schaufenster ausgestellt. Ein aufmerksamer Polizist sah das Foto, erstattete Anzeige und Neumaier musste seine Strafe im Gefängnis in Haag absitzen.

Jägerjubiläum

1920 gründeten die Jäger den ersten Jagdverein im Landkreis.

(Foto: Privat)

Adler und Geier waren wohl nur zu Gast im Landkreis Erding, aber es gab damals ein paar Arten, die noch heimisch waren und mittlerweile im Landkreis ausgestorben sind. Laut Streibl wurden in den 1920er Jahren noch viele Rebhühner geschossen, auch der Birkhahn, das Wappentier des Kreisjagdverbandes, war vor allem im Erdinger Moos weit verbreitet. Im Isener Forst gab es auch noch viele Waldschnepfen. In seiner Chronik zitiert Streibl eine Abschussstatistik aus dem Jahr 1908 aus dem Landkreis Erding: Damals wurden im ganzen Jahr 450 Rehe, 6300 Hasen, 2200 Fasanen, 140 Birkwild, 7300 Rebhühner, 240 Wachteln, 400 Wildenten, 30 Schnepfen, 21 sonstiges Federwild, 150 Füchse, 2 Dachse, 20 Marder, 70 Iltisse, 250 Wiesel, 3 Fischotter, 1000 Raubvögel und 400 "Sonstiges" erlegt.

Mittlerweile haben sich die Aufgaben des Kreisjagdvereins gewaltig geändert, die eigentliche Jagd ist nur noch ein Teil davon und auch die "Förderung der Geselligkeit" ist aus der Satzung längst verschwunden. Der Verband hat derzeit rund 550 Mitglieder, rund ein Viertel aller Neueintritte sind Frauen. Anders als zur Gründerzeit müssen sich die Jägerinnen und Jäger vor allem mit dem Erhalt und der Gestaltung der Lebensräume des Wildes beschäftigen. Problematisch ist zum Beispiel die hohe Zahl von Wildunfällen im Landkreis, der von zahlreichen viel befahrenen Straßen durchschnitten wird. Rund 900 Rehe kommen jedes Jahr unter die Räder. Der Kreisjagdverband hat sich an mehreren Pilotprojekten beteiligt, in denen es um die Frage ging, wie man diese Unfälle in Zukunft reduzieren kann.

Jägerjubiläum

Ministerpräsident Franz Josef Strauß kam gerne zur Hasenjagd in den Landkreis.

(Foto: Privat)

Eine weitere Herausforderung in jüngster Zeit ist die Ausbreitung der Afrikanischen Schweinepest, die von Wildschweinen auf Hausschweine übertragen werden kann. Bei beiden Arten führt die Krankheit häufig nach kurzer Krankheit zum Tod. Zuletzt hat die bayerische Staatsregierung die Abschussprämie für Wildschweine drastisch erhöht. Die Schweinezüchter und -mäster im Landkreis haben wegen der sich ausbreitenden Pest schlaflose Nächte und drängen darauf, dass die Jäger so viele Schwarzkittel wie möglich schießen. Die Jäger kommen diesem Ansinnen nach, sie wollen aber auch nicht, dass diese heimischen Wildtiere zum Schädling herabgewürdigt werden.

Innovativ ist der Jagdverband bei der Rettung von Rehkitzen vor dem Mähdrescher: Versuche mit Drohnen und Wärmebildkameras waren zuletzt erfolgreich. Hinzu kommt auch eine Öffentlichkeitsarbeit zur Schärfung des Bewusstseins für Umwelt und Natur mit Vorträgen in Kindergärten und Schulen mit dem "Umweltmobil". Nicht zuletzt stellen sie auch kulturelle Großereignisse wie 2016 den Landesbläserwettbewerb des Jagdverbandes in Erding auf die Beine. Diese vielseitigen Bemühungen hat auch der Landkreis 2017 mit der Verleihung des Kulturpreises an den Kreisjagdverband gewürdigt.

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