Süddeutsche Zeitung

JFG Sempt Erding:Zeitweise überambitioniert

Die Jugendfördergemeinschaft kämpft um ihre Zukunft. Da ist wohl einiges schiefgelaufen

Von Antonia Steiger, Erding

Kleine Jungs spielen auch in Erding am liebsten Fußball, viele kleine Mädchen ebenfalls. Erst mal nur zum Spaß, später geht es um mehr. Wie jeder Sportler wollen auch Fußballer am liebsten gewinnen, und zwar am liebsten jedes Spiel. Der Männerfußball in Erding hinkt jedoch seit Jahrzehnten den Erwartungen hinterher. Ob Taufkirchen, Moosinning, Altenerding oder jetzt Schwaig: Kleine Gemeinden rundherum haben und hatten Teams, die höher spielten als die Erdinger. Diesen aus der Sicht der Kreisstädter grundlegenden Fehler zu beheben, war das Ziel, als im Jahr 2006 die Jugendfördergemeinschaft Sempt Erding (JFG) gegründet wurde. Vier Vereine - der FC Erding, der FC Langengeisling, Rot Weiß Klettham und die SpVgg Eichenkofen - legten ihre Jugendarbeit zusammen. Die SpVgg Altenerding wurde nicht gefragt, auch sie sollte übertrumpft werden. Heute steht das Projekt vor dem Aus. Fast.

Die Regularien für Jugendfördergemeinschaften sind zahlreich, eine ist besonders wichtig: JFGs müssen je eine A-Jugend und eine D-Jugend stellen sowie eine B- oder eine C-Jugend. Sie müssen auf diese Weise eine kontinuierliche Jugendarbeit nachweisen. Wer das nicht schafft, muss zunächst Strafe zahlen, später wird das Startrecht entzogen.

Vor dieser Situation steht nun die JFG Sempt Erding: Sie steht ohne A- und ohne B-Jugend da. Die A-Jugend hatte sich schon eine Saison zuvor mittendrin aus dem Spielbetrieb verabschiedet. Zwei C- und zwei D-Jugendmannschaften gibt es im Moment. Doch wie diese Spieler innerhalb von ein oder zwei Jahren so heranreifen sollen, dass sie gemeinsam eine A-Jugend bilden können, die nicht von vornherein komplett chancenlos ist gegen ihre Gegner, das ist noch unklar. Es gibt aber Pläne. Die JFG Sempt Erding hat sich selbst noch nicht abgeschrieben.

Christoph Greckl, der zweite Vorsitzende der JFG, sagt: "Wenn alle mitziehen, dann können wir mit den älteren Spielern reden. Wir brauchen aber Unterstützung." Es müssten alle mitspielen. Und es muss manches anders laufen als früher.

Schon vor ein paar Jahren war festzustellen: Die Bedürfnisse von so vielen Spielern aus vier, später fünf Vereinen - Türk Gücü noch dazu - zu koordinieren, sodass alle zufrieden sind, ist nahezu unmöglich: Die richtig guten Spieler wollen vorwärts kommen und am liebsten noch weiter oben spielen; die schwächeren Spieler wollen aber auch gesehen werden und sich nicht zweitrangig behandelt fühlen. Dahinter stehen manchmal ambitionierte, manchmal besorgte Eltern. Und dazu kommt: Im Sport und noch viel mehr im Jugendsport steht und fällt der Erfolg mit der Person des Trainers. Glaubhafte und engagierte Übungsleiter zu finden, daran sind schon andere Vereine gescheitert.

Schwerwiegende Konflikte zwischen Vorstand und Trainer bis hin zu gerichtlichen Auseinandersetzungen hatten die Krise im A-Jugend-Bereich ausgelöst. Viele Jugendliche verließen mit ihrem Trainer den Verein, der Rest konnte auf Dauer nicht überleben. Darauf folgte die Krise in der B-Jugend: Sie löste sich vor wenigen Monaten kurz nach Trainingsbeginn auf: Statt 28 Spieler gab es plötzlich nur noch eine Handvoll. Die Gründe sind so unklar wie vielfältig: Der Trainer passte nicht; es gab Gerüchte, dass die B-Jugendlichen in der A-Jugend spielen sollten; einigen war das Training zu unambitioniert, anderen überambitioniert. Und weg war sie, die B-Jugend. "So was habe ich auch noch nie erlebt", sagt Greckl.

Ein weiterer Einschnitt: Nach der vergangenen Saison zog sich die SpVgg Eichenkofen aus der JFG zurück. Deren Jugendleiter Rainer Fischer sagt, dass viele Jugendliche die Bindung zum Verein verloren hätten. Es habe ihnen keinen Spaß mehr gemacht. "Wenn der Fußball in Eichenkofen nicht sterben soll, brauchen wir aber jeden Jugendlichen." Die SpVgg macht ihre eigene Jugendarbeit mit einem erstaunlichen Ergebnis: Sie startet mit einer eigenen A-Jugend und schafft das, was die JFG nicht geschafft hat. Mit Spielern, die sich bei der JFG nicht mehr gut aufgehoben fühlten. Ihr Trainer ist ein Zugpferd: der ehemalige FC Bayern-Jugendspieler Anderl Faltermaier. Das sind nicht die schlechtesten Voraussetzungen.

Wie könnte es mit der JFG weitergehen? Der Bayerische Fußballverband hat dem Verein bereits ein weiteres Jahr zugebilligt - bis zur Saison 2021/2022 -, um wieder eine A-Jugend zu stellen. Unterdessen überlegt der Vorstand, wie die divergierenden Bedürfnisse unter einen Hut zu bringen seien. Eine Möglichkeit wäre, sagt Greckl, im A- und vielleicht auch im B-Jugend-Bereich eine Spitzenmannschaft zu formen. Wer dort nicht spielt, soll an seinen Heimatverein angebunden bleiben. Dort wird die Basisarbeit gemacht - erfolgreich. Es wimmelt überall von kleinen Kindern. Selbst G-Jugendliche rennen in Klettham dem Ball hinterher. Nur zum Spaß.

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Quelle:
SZ vom 14.09.2019
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