Kultur im Landkreis Erding:Vorhang auf

Lesezeit: 3 Min.

Die Veranstaltungsbranche hat eine schwere Zeit hinter sich. Nach Corona-bedingter Zwangspause läuft der Ticketverkauf noch etwas zäh. Aber jammern? Niemals.

Von Regina Bluhme, Erding

"50 ist das neue 200." Mit diesem Rechenbeispiel bringt Birgitt Binder, Chefin des Dorfener Jakobmayer, die Situation der Veranstaltungsbranche im Landkreis Erding auf den Punkt. Wo früher vielleicht 200 Menschen zu einer Vorstellung kamen, sind es jetzt, nach dem Ende der Corona-Beschränkungen, deutlich weniger. Die Kulturszene läuft sich erst allmählich wieder warm.

"Ein bisschen zäh" geht es laut Birgitt Binder, Chefin des städtischen Kulturzentrums Jakobmayer in Dorfen, im Vorverkauf voran. Es sei wohl so, dass die Leute nach Monaten der Pandemie-Einschränkungen erst wieder Mut schöpfen müssten, unter Leute zu gehen. Viele hätten noch Karten von ausgefallenen Veranstaltungen zuhause und müssten diese jetzt erst mal "abarbeiten". Dazu kämen der Ukraine-Krieg und die finanziellen Ungewissheiten, "was wird denn noch alles teurer werden?". Zudem seien einfach auch viele Leute aktuell wegen einer Corona-Erkrankung ans Haus gebunden.

Birgitt Binder leitet das städtische Kulturzentrum Jakobmayer in Dorfen. (Foto: Renate Schmidt)

Generell merke man, dass es mit dem Ticketverkauf "insgesamt irgendwie schwieriger geworden ist". Aber, so Birgitt Binder: "Wir lassen nicht locker. Die Menschen brauchen Kultur. Kultur wirkt für die Seele!"

Diese Aussage würde auch Wolfang Ramadan von Brot-Zeit & Spiele sofort unterschreiben. Seine Agentur organisiert Veranstaltungen in ganz Oberbayern, im Landkreis Erding immer wieder im Gasthof Klement in Isen. "Wir machen die Kultur-Grundversorgung vor Ort", erklärt Ramadan. Und das sei wichtig, gerade in diesen Zeiten. Für Fördergeld habe er lange kämpfen müssen, aber seit kurzem gelte er offiziell als "Dezentraler Veranstalter im ländlichen Raum" und könne Zuschüsse erhalten. Gerade rechtzeitig, "sonst hätte es mich zerrissen". Sehr viel habe er auch seinen Abonnenten zu verdanken. Er habe ihnen versprochen, "wenn ihr mir helft, dann mache ich weiter". Jetzt könne er das Versprechen einlösen.

Wolfgang Ramadan heißt auf der Bühne nun Wolfgang Ferdinand. (Foto: Manfred Neubauer)

Hinter ihm liegt eine anstrengende Zeit. "Alles, was stattgefunden hat, war Lotterie." Viele Acts sind ins Wasser gefallen, im Klement heuer auch schon zwei. "Wir sagen nichts ab, wir verschieben", so Ramadan. Seit vergangener Woche aber sei die Nachfrage nach Tickets enorm gestiegen. "Seit Tagen klingelt bei mir ständig das Telefon. Es geht rund." Der Vorverkauf für das Open-Air unter dem Motto "Kultur erleben und gsund bleim" vom 11. Juni bis zum 3. Juli in Bad Tölz läuft. Auf der Bühne stehen unter anderem Willy Astor, Wally und Amy Warning und Ramadans Geheimtipp Die Feisten. Ramadan sieht es so: "Die Hoffnung stirbt zuletzt, und jede Krise ist auch einmal vorbei gegangen."

Clubbetreiber Andreas Wagner überlegt, ob er die Sommerpause diesmal ausfallen lässt

Andreas Wagner betreibt mit einem Partner in der ehemaligen Ziegelei in Dorfen das Veranstaltungsgelände Tonwerk. Zuletzt fand dort der Streetfood-Markt statt, und der sei sehr gut angekommen, so Wagner. Auch die Gastronomie und der Club Heizwerk seien gut besucht, "wir können nicht jammern". Die Jungen wollten wieder feiern und tanzen. Aber dass der Club jetzt komplett gestürmt werde, "das kann ich auch nicht unterschreiben". Man müsse schon auch aktiv werden im Bereich Werbung und Marketing. Aktuell würden viele Clubbetreiber überlegen, ob sie wie sonst üblich in die Sommerpause gehen oder lieber durchspielen sollen nach der langen Durststrecke. "Wir beobachten jetzt mal, wie es im Mai läuft, und dann schauen wir, ob wir uns im Juli und August weiter trauen." Eins stehe fest: Man müsse viel spontaner agieren als früher.

Auch Stefan Panhauser von SP Events aus Isen sagt, dass das Publikum eher zurückhaltend sei angesichts von Corona vielleicht einfach vorsichtiger. "Mancher will sich vielleicht jetzt nicht in eine Halle mit 800 Leuten reinstellen." Andere wollten erstmal ihre alten Tickets einlösen, und angesichts der Benzin- und Heizkosten überlege der eine oder andere eben dann schon, ob er sich noch eine Karte für einen Kabarettabend leisten mag. Für Harry G. hat Panhauser im Mai fünf Abende in der Stadthalle Erding organisiert. Der auch aus dem Fernsehen bekannte Comedian ist im Grunde eine sichere Bank, doch für die fünfte Vorstellung waren Stand Mittwoch von 800 Tickets 200 verkauft.

Der Mensch brauche gerade jetzt die Kultur, "um nicht komplett zu versauern"

Anfangs habe er Skrupel gehabt, staatliche Fördermittel zu beantragen, sagt Panhauser. Jetzt sei er froh, dass er diese Unterstützung hat. Und er ist überzeugt: Gerade jetzt, auch angesichts der aktuellen weltweiten Krisenlage, "braucht der Mensch doch die Kultur, um nicht komplett zu versauern". Es sei wichtig, dass überhaupt was stattfinde, "lieber eine Veranstaltung mit 80 Zuschauern als mit gar keinen". Am 7. Mai hat Panhauser für Roland Hefter die Stadthalle Erding reserviert. Das Programm des Liedermachers lautet: "So lang's no geht."

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: