150 Jahre Berufsschule Erding:Prägend für manchen Erdinger Lebenslauf

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Am 11. April 1867 hat die Erdinger Schule den Unterricht aufgenommen - mit 37 Schülern, inzwischen sind es 2400. Fachbereiche und Schulgebäude sind gewachsen und wurden modernisiert. Eine Entstehungsgeschichte

Von Veronika Wulf, Erding

Josef Biller kann sich noch gut erinnern: Er war 17 Jahre alt, stand auf der Bühne der Erdinger Berufsschule, vor ihm saßen die Ehrengäste und die ganze Schulgemeinschaft. Und er sollte eine Rede zum 100-jährigen Schuljubiläum halten. "Freilich war ich aufgeregt", sagt Biller heute, 50 Jahre später. Der CSU-Kreisrat war damals noch auszubildender Flugtriebwerkmechaniker und hatte keinen Schimmer, dass er später mal Lehrer, ja sogar Schulleiter dieser Schule sein wird. 34 Jahre unterrichtete er, fast zwei Jahrzehnte davon leitete er die Berufsschule. Gerne denkt er an diese Zeit zurück. "Ich hatte das Glück, dass ich in meiner Heimatstadt Schulleiter sein durfte", sagt er. "Nirgendwo sonst in Bayern hätte ich das gemacht." Jetzt hat die Dr.-Herbert-Weinberger-Schule wieder ein Jubiläum zu feiern: 150 Jahre Bestehen.

Wer früher Schuster, Schreiner oder Kaufmann werden wollte, lernte den Beruf vom Vater oder Meister. Sowohl Praxis als auch Theorie schaute man sich im Betrieb ab, so war es jahrhundertelang. Erst im Laufe des 19. Jahrhunderts wurde es üblich, sich berufliches Wissen an Schulen anzueignen, wie auch in Erding. Am 11. April 1867 - vor genau 150 Jahren - beschloss der Magistrat der königlichen Stadt Erding die Gründung der Berufsschule. Zwei Monate später bestätigte König Ludwig II von Bayern die Einrichtung als gewerbliche Fortbildungsschule. Das geht aus Dokumente des Stadtarchivs und aus der Schulchronik hervor.

So sah die Berufsschule 1972 aus. Der Neubau aus den 50er-Jahren bildet noch heute das Herzstück der Erdinger Berufsschule an der Freisinger Straße. 1972 wurde der erste Erweiterungsbau (rechts) fertiggestellt. Knapp zehn Jahre später kam ein zweiter hinzu, wegen stets steigenden Schülerzahlen. (Foto: Archiv Museum Erding)

Das Erdinger Wochen- und Amtsblatt druckte am 14. April 1897 auf seiner ersten Seite die Schulordnung ab. Im ersten Absatz heißt es in Frakturschrift: "Die gewerbliche Fortbildungsschule dahier hat den Zweck, einerseits den Bildungsbedürfnissen jener Lehrlinge und Gesellen zu entsprechen, welche nicht in der Lage sind, eine Gewerbeschule zu besuchen, andererseits Gewerbeschüler nach ihrem Uebertritte in Uebung zu halten."

Eine überschaubare Zahl von 37 Schülern besuchte den ersten Kurs, der im September 1867 begann. Aufgenommen wurden zwölfjährige Jungen, die eine Aufnahmeprüfung bestanden. Ein eigenes Gebäude hatte die Schule damals noch nicht. Die Schülergruppe lernte im Schrannengebäude der Volksschule. Auf dem Lehrplan standen Naturwissenschaft, Technologie, gewerbliche Buchführung und Kalkulation, zuerst als Abendunterricht, später auch tagsüber. Ebenfalls zum Unterricht gehörte der sonntägliche Elementarunterricht, in dem der Pfarrer der Jugend den christlichen Glauben näher brachten.

In den ersten Jahren unterrichteten Lehrer der Volksschule und "opferwillige Männer", wie es in einem Zeitungsartikel zum 30-jährigen Bestehen der Schule heißt. Ein Apotheker habe ehrenamtlich Naturlehre und Chemie gelehrt, der Benefiziat unentgeltlich Religionsunterricht erteilt. Vier Jahre nach der Gründung dann wurde der erste hauptamtliche Lehrer angestellt. Glaubt man dem Artikel, war der Unterricht kein schlechter. Von einer "ersprießliche(n) Thätigkeit des Lehrpersonals" ist die Rede. Den meisten Schülern seien die Unterrichtsstunden unter den "liebenswürdigen Vorträgen" des "Herrn Realienlehrers Eder (...) zu schnell verronnen."

Dank des damaligen Erdinger Landrats Herbert Weinberger bekam die Berufsschule ein neues Gebäude. 1957 wurde der Grundstein gelegt. (Foto: Bildarchiv Museum Erding)

1913 wurde die Einrichtung in "Berufliche Fortbildungsschule" umgetauft. Inzwischen besuchten sie 123 Schüler. Nach dem Ersten Weltkrieg kam eine kaufmännische Klasse dazu und - Mädchen. Vorher war der Unterricht den Jungen vorbehalten. Um 1925 bekam die Schule ihre eigenen Räume im sogenannten Knabenschulhaus. Von 1930 an hieß sie "Berufsschule" und es gab ganztägigen Unterricht.

Im Zweiten Weltkrieg beschädigten Bomben das Schulgebäude schwer. Nach einem raschen Wiederaufbau stiegen die Schülerzahlen rasant. Ende der 50er-Jahre stellte der Landkreis der Schule einen Bauplatz für einen Neubau zur Verfügung (siehe Kasten): in der Freisinger Straße, wo sie heute noch ist. Durch die neuen Räume konnte Werkstattunterricht für fast alle Berufe eingeführt werden. Das neue Gebäude war für 1200 Schüler ausgelegt und stellte sich bald als zu klein heraus. Der Neubau wurde zwei Mal erweitert, 1972 und 1981. Denn der Bedarf stieg weiter: In den 70er-Jahren explodierte die Zahl der gewerblichen und kaufmännischen Schüler, sodass sie Ende des Jahrzehnts auf 2700 kletterte. Das Schulhaus war so überfüllt, dass einige Klassen im Gebäude der Staatlichen Realschule unterrichtet werden mussten. Auch in den Fliegerhorst, ins Feuerwehrhaus und in die Grund- und Hauptschulen mussten einige Klassen verlegt werden, bis der dritte Erweiterungsbau 1981 abgeschlossen war.

In den folgenden zwei Jahrzehnten investierte der Landkreis in die technische Modernisierung der Schule, Geräte und Maschinen wurden angeschafft, um den Unterricht dem technischen Fortschritt anzupassen. Im gleichen Zeitraum ging die Anzahl der Schüler wieder zurück, die der Lehrer dagegen stieg - zum großen Wohlwollen der Schule, da lange Zeit ein akuter Mangel geherrscht hatte. Heute besuchen rund 2400 Schüler die Berufsschule, die bei gut 100 Lehrkräften lernen - vom Vollzeitlehrer bis zum Zimmerermeister.

In ihren 150 Jahren ihres Bestehens hat sich die Berufsschule ständig weiterentwickelt, Fachbereiche wurden ausgebaut, neue kamen hinzu, Gebäude wurden neu gebaut und erweitert. Der heutige Schulleiter Dieter Link blickt zufrieden auf den jetzigen Zustand der Einrichtung. "Die berufliche Ausbildung ist der Exportschlager Bayerns und Deutschlands", sagte er bei einem Pressegespräch im März. Zwei Lehrer der Berufsschule Erding seien vor einigen Jahren nach China gereist, um über das deutsche System der beruflichen Bildung zu berichten. Inzwischen seien sie Gründungsväter eines Berufsschulzentrums dort. "Diese grundsolide duale Ausbildung sorgt dafür, dass wir im Grunde immer genügend Fachkräfte in Deutschland haben", sagte Link.

In diesem Jubiläumsjahr veranstaltet die Schule eine Reihe von Projekten von Schülern und Lehrern: eine Maibaum-Aufstellung, ein Rekordversuch mit 150 Stunden Unterricht am Stück, eine Zeitkapsel, die für spätere Schülergenerationen vergraben wird, und eine Spendenaktion zu Weihnachten. Für den offiziellen Festakt am 28. September konnte die Schule den ehemaligen Amtschef des Kultusministeriums Josef Erhard als Festredner gewinnen. Wahrscheinlich wird auch der ehemalige Schulleiter Josef Biller vorbeischauen. "Von Haus aus bin ich noch immer eng mit der Berufsschule verbunden und komme immer gern vorbei, wenn es etwas zu feiern gibt", sagt er.

© SZ vom 11.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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