Hartnäckigkeit zahlt sich ab und zu doch aus. Jahrelang hat sich die Gewerkschaft Verdi vergebens bemüht, beim Logistikunternehmen ITG im Gewerbegebiet Schwaig, gleich neben dem Flughafen München, einen Betriebsrat auf die Beine zu stellen. Mehr als zwei Unterstützer kamen nie zusammen. Der neue Verdi-Bezirkssekretär Haris Softic wollte es dann wissen und legte sich persönlich ins Zeug. Nun wird in wenigen Wochen in dem Unternehmen, das inzwischen mehr als 1000 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zählt, zum ersten Mal ein Betriebsrat gewählt.
"Verdi kann ein sehr erfreuliches Ergebnis vermelden", beginnt die Pressemitteilung, die Andreas Faltermaier, Pressesprecher von Verdi Flughafen, vor kurzem verschickt hat. Der stellvertretende Vorsitzende der Verdi Flughafenregion, früher Verdi-Vorsitzender bei der Postniederlassung Freising und Betriebsratsvorsitzender, hatte sich jahrelang darum bemüht, auch weil ITG früher eine Tochter von DHL Deutsche Post war. "Lediglich zwei Unterstützer konnten die Jahre gefunden werden", schreibt Faltermaier. Den Durchbruch habe Haris Softic, ebenfalls ein ehemaliger Postler und erst seit kurzem im Amt als Bezirkssekretär von Verdi München, "nach monatelanger harter Vorarbeit" erreicht. Und dann gleich das: "Als erstes wurde der Wahlvorstand gewählt, und das war noch nie da, sage und schreibe 417 Beschäftigte nahmen unter Coronabedingungen an der Aufstellungsversammlung teil", informiert der Verdi-Pressesprecher.
Er sei ja noch recht neu im Amt, sagt Haris Softic: "Ich war frisch und frech." Über Wochen habe er immer wieder vor Ort das persönliche Gespräch mit Mitarbeitern gesucht, Vertrauen aufgebaut, Vorurteile und Ängste entkräftet, die Bedeutung, Aufgaben und Rechte eines Betriebsrats erklärt. Es gab Zeiten, da sei er zweimal die Woche nach Schwaig gefahren, in Raucherecken draußen sei oft leichter ein Kontakt zustande gekommen, "so viel habe ich in meinem Leben noch nicht geraucht." Viele Faktoren hätten eine Rolle gespielt, entscheidend sei gewesen, dass er so hartnäckig dran geblieben sei, "bis ich ihre Herzen aufgeweicht hatte und sie nicht anders konnten".
Unterstützung hatte und hat der 39-Jährige auch vom Vorsitzenden des Verdi-Landesbezirksfachbereichs David Merk, und der Vorsitzenden der Verdi-Flughafenregion, Monika Ludwig, die dieses Vorhaben nie aufgegeben habe, so Pressesprecher Faltermaier.
Das Unternehmen ITG am Münchner Flughafen wurde 1981 gegründet, beschäftigt laut Verdi derzeit um die 1100 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und betreibt erfolgreich klassische Lagerlogistik und Fullfillment. Als Ende März die Aufstellungsversammlung stattgefunden hat, da rechnete Softic mit vielleicht 150 Teilnehmenden. Mehr als 400 Frauen und Männer kamen schließlich zusammen, im Freien und schön mit Sicherheitsabstand. Mit so einer Zahl hatte niemand gerechnet, "wir waren überwältigt".
Und was sagt ITG? "Die Geschäftsleitung der ITG unterstützt bei der Konstituierung eines Betriebsratsgremiums, was angesichts des starken Wachstums des Unternehmens in den letzten Jahren eine normale Entwicklung darstellt", schreibt Thomas Bogner, Leitung Kommunikation und Marketing bei ITG. Das Verhältnis zur Belegschaft sei "bisher bereits durch Vertrauen und Fürsorge geprägt, was sich in einem guten Betriebsklima, einem hervorragenden Arbeitsumfeld und zahlreichen langjährigen Beschäftigten widerspiegelt", so die offizielle Stellungnahme.
Softic verweist auf das Betriebsverfassungsgesetz, das Arbeitnehmern von Betrieben ab einer bestimmten Betriebsgröße das Recht einräume, einen Betriebsrat zu wählen. Es einfach wichtig und unerlässlich, dass es "jemand gibt, der die Belegschaft als Partner auf Augenhöhe vertritt", sagt Haris Softic. ITG habe bei Bekanntgabe des Projekts "sehr neutral" reagiert und dem Vorhaben keine Steine in den Weg gelegt. Das könne man nicht von allen Unternehmen sagen. Es gäbe auch andere Beispiele, die aus den USA herüberschwappten: Anwälte, die sich darauf spezialisiert haben, Betriebsratgründungen möglichst zu erschweren.
Für den ITG-Betriebsrat laufen nun die Vorbereitungen auf Hochtouren. Zur Urnenwahl auf dem Betriebsgelände werden Verdi-Mitglieder mit einer eigenen Liste antreten. Auch der Arbeitgeber könnte eine eigene Liste ins Feld schicken. ITG winkt ab: Das Unternehmen werde "auf Wahllisten keinen Einfluss nehmen, so wie dies die betriebsverfassungsrechtlichen Regelungen im Übrigen auch vorsehen", schreibt Thomas Bogner. Darüber hinaus gebe es hierzu "aufgrund des vertrauensvollen Umgangs mit der gesamten Belegschaft auch keine Veranlassung."
In knapp drei Monaten, so schätzt Verdi, wird es also einen Betriebsrat bei ITG in Schwaig geben. Er spüre "eine große Euphorie" in der Belegschaft, sagt Haris Softic. Einen Wahlslogan hat Verdi auch schon: "Ready or not - wir kommen".