Süddeutsche Zeitung

Isar-Amper-Klinikum Taufkirchen:Mitten in der Gesellschaft

Die kbo-Klinik feiert Jubiläum und blickt auf ihre 100-jährige Geschichte zurück. Heute steht die Bürgerschaft der Einrichtung positiv gegenüber. Das war auch schon mal anders

Von Philipp Schmitt, Taufkirchen

Die Tore zum Wasserschloss stehen heute weit offen. Das kbo-Isar-Amper-Klinikum, dessen Patienten zum Teil im Wasserschloss betreut werden, ist fest in der Gemeinde Taufkirchen verwurzelt, darauf wiesen am Mittwoch etliche Redner hin, unter anderem Bürgermeister Stefan Haberl (CSU). Er sei als kleiner Bub noch vor einem verschlossenen Schlossportal gestanden, wie er sagte. Alle waren gekommen, nicht nur um zum 100-jährigen Bestehen des Klinikums auf seine Geschichte zurückzublicken, sondern auch, um nach vorne zu schauen. "Wir haben hier noch einiges vor", sagte der Bezirkstagspräsident und Verwaltungsratsvorsitzende Josef Mederer und kündigte damit einen weiteren Ausbau an.

Die Redner zeichneten die wechselvolle Historie des 1921 in der Weimarer Republik als Landesfürsorgeanstalt gegründeten Hauses und seine Entwicklung zum modernen psychiatrischen Fachkrankenhaus nach. "Es ist viel passiert. Die Entwicklung des Klinikums ist bemerkenswert, die kompetenten Mitarbeiter leisten viel, die Klinik ist auf einem guten Weg. Weiter alles Gute", sagte der bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU). Das Fachkrankenhaus sei für neue Herausforderungen gewappnet. Holetschek würdigte die Arbeit der 800 Mitarbeiter und appellierte an alle Beteiligten, auch künftig an einem Strang zu ziehen. "Sie können sich darauf verlassen, dass der Freistaat Bayern weiterhin ein verlässlicher Partner sein wird."

Es sei bei der Reform 1975 im Rahmen der Psychiatrie-Enquete richtig gewesen, regionale, wohnortnahe psychiatrische Versorgungszentren zu schaffen. Das in Taufkirchen gegründete Huntington-Zentrum-Süd leiste gute Arbeit. Holetschek erinnerte aber auch an dunkle Phasen während der nationalsozialistischen Diktatur und sagte, er sei froh, dass es eine derartige Stigmatisierung von Erkrankten nicht mehr gebe. Er fügte an, dass der Fokus bei den Zukunftsthemen nicht nur auf den Klimawandel gerichtet werden dürfe, sondern dass auch Pflege und Gesundheit in den Mittelpunkt gerückt werden müssten. Versprechungen während der Pandemie müssten Taten folgen, die Rahmenbedingungen müssten verbessert werden, "um nicht sehenden Auges vor die Wand zu fahren". Zudem müsse aus psychiatrischer Sicht auf Kinder und Jugendliche geachtet werden, die von der Coronavirus-Pandemie betroffen waren.

Auch Mederer wies auf die Kompetenz des Klinikums hin. Es habe sich mit vielfältigen Behandlungsangeboten in einem sich ändernden Umfeld gut entwickelt und sei wichtiger Teil des psychiatrischen Versorgungsnetzes geworden. Den Patienten und Patientinnen würde eine "beeindruckende Vielfalt an Behandlungsmöglichkeiten geboten", sie kommen vor allem aus den Landkreisen Erding und Freising.

Das Klinikum arbeitet seit 2020 mit dem Universitätsklinikum Ulm zusammen und ist überregional angesehen. In der Ära des früheren Ärztlichen Direktors Matthias Dose, der sich auch beim Aufbau des Huntington-Zentrums-Süd engagiert hat, und von Hermann Schmid seien mutige Entscheidungen auf dem Weg zur modernen psychiatrischen Klinik getroffen und umgesetzt worden. Ein "wichtiger und richtiger Schritt" sei die zunächst in der Gemeinde kontrovers diskutierte Ansiedelung der Frauen-Forensik gewesen. Inzwischen sei sie fest in der Gemeinde integriert. Das 110-jährige Bestehen könnte vielleicht schon in einem Neubau gefeiert werden, so klang die Vision des Klinik-Geschäftsführers Franz Podechtl, der mit Stinne Fronius die Veranstaltung moderierte und den Ärztlichen Direktor Peter Brieger vertrat. Mederer und Haberl stimmten ihm zu.

Mederer erinnerte wie Holetschek und Haberl an das dunkle Kapitel der NS-Zeit, als auch in Taufkirchen in der damaligen Landesarmenanstalt behandelte Menschen deportiert wurden. Dieser Bereich müsse weiter erforscht werden, sagten sie. Er ist bereits Thema in der neuen Chronik, die der Historiker und Krankenpfleger Christian Pfleger mit Mitarbeitern erstellt hat. Die Chronik greift Aspekte des Werdegangs der Klinik zum psychiatrischen Fachkrankenhaus mit wohnortnaher Versorgung und insgesamt 410 Betten auf. Sie kann als 220-seitige Publikation des Bildungswerkes Irsee erworben werden.

Josef Mederer und Stefan Haberl würdigten beide die gute Zusammenarbeit und Kooperation zwischen Bezirk und Gemeinde, die schon in der Ära des Bezirksrats und Altbürgermeisters Franz Hofstetter gepflegt worden sei. "Das Klinikum ist seit seiner Anfangszeit in Taufkirchen verwurzelt", sagte Haberl. "Ich finde es wirklich faszinierend, wie sich das Krankenhaus und das Wasserschloss wieder in das Herz der Taufkirchener zurück gearbeitet hat." Ein positives Bewusstsein sei in der Bevölkerung geschaffen worden. Das Klinikum sei in Taufkirchen integriert und ein wichtiger Arbeitgeber.

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SZ vom 16.09.2021
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