Interkulturelle Woche:Für eine bunte Gesellschaft

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Bunte Stühle - bunte Gesellschaft: Unter dem Motto "zusammen.wachsen" hatte In Via, der katholische Verband für Mädchen und Frauensozialarbeit, am Mittwoch einen Aktionstag auf dem Schrannenplatz in Erding organisiert. (Foto: Renate Schmidt)

Was wünschen sich Migrantinnen? Welche Vorstellungen haben sie vom Leben? Beim Aktionstag von In Via am Schrannenplatz wird ihre Stimme gehört

Von Antonia Koch, Erding

Mit konzentriertem Blick taucht die junge Frau den Pinsel in die rote Farbe. Vorsichtig bemalt sie damit die Lehne eines Stuhls. Das Baby, das sie auf ihren Rücken gebunden hat, schaut neugierig dem malenden Mädchen nebenan zu. So mancher Passant hat am Mittwochnachmittag auch neugierig geschaut, was da am Schrannenplatz vor sich geht. Anlässlich der bundesweiten Interkulturellen Woche hatte der Verband In Via den Aktionstag "zusammen.wachsen" organisiert. Mädchen und Frauen mit Migrationshintergrund konnten sich austauschen, informieren, ihre Wünsche vorstellen. Und Stühle in allen Farben bemalen. Bunte Stühle für eine offene, eine bunte Gesellschaft.

Eine der jungen Migrantinnen, die bei der Aktion dabei war, ist 22 Jahre alt und vor fünf Jahren aus Eritrea nach Mühldorf am Inn gekommen. Ihr Plan ist eine Ausbildung in der ambulanten Pflege. "Das ist mein Wunsch für die Zukunft", sagt sie bestimmt. Aktuell ist die junge Frau auf der Berufsschule und besucht eine Integrationsklasse, die sie voraussichtlich mit der Berufsbildungsreife im kommenden Jahr abschließen wird. Seit drei Jahren ist Erding ihr neuer Wohnort, wo sie auch bleiben will. Andere hatten ihre Wünsche auf bereit liegende Postkarten geschrieben. Auf einer steht: "Ich hoffe, dass Deutsche und Flüchtlinge Hand in Hand gehen, denn Einheit ist immer stärker."

In der Realität bedeutet das: viel Arbeit. Julia Detterbeck ist seit fast vier Jahren bei In Via. Sie leitet den Jugendmigrationsdienst und beschreibt die Tätigkeit als sehr vielseitig: "Es sind die verschiedensten Fragestellungen dabei." Hauptthemen der Beratungsarbeit sind vor allem die Vermittlung von Sprachkursen, Arbeits- und Ausbildungsplätzen. Fälle, die herausfordern gäbe es auch immer wieder. So klappte "letztens erst ein Familiennachzug. Zwei achtjährige Jungen sind nach Erding gekommen", erzählt die Sozialpädagogin. Über zwei Jahre hatte es sich gezogen, das behördliche Vorgehen sei beim Thema Familiennachzug oft sehr schwierig. Außerdem seien solche Geschichten sehr emotional: Eine der Mütter hatte ihr Kind seit bereits fünf Jahren nicht mehr gesehen, so Neda Nayeri, zuständig für den Jugendmigrationsbereich. Das Thema Wohnen sei in Erding auch stets präsent und sorge für Schwierigkeiten. "Die Wohnungssuche dauert teilweise Jahre". Für junge Migranten in der Ausbildung sei das Leben ohne eigene Unterkunft oft eine Belastung. Die Asylunterkünfte erschweren einen Arbeitsalltag, da dort oft wenig Platz für Ruhe sei.

Für einen erfolgreichen Integrationsprozess sei ein früher Start mit am wichtigsten, so Nayeri: "Man sollte damit immer so früh wie möglich anfangen. Wenn man vom ersten Tag an den Kontakt knüpft, dann passiert alles fast von alleine". Mit dem Aktionstag wolle der Verband darauf aufmerksam machen, was jetzt schon Realität sei: "Wir leben in einer pluralistischen Gesellschaft, da kommt man immer mit jemandem mit Migrationsgeschichte zusammen", sagt Nayeri. Mittlerweile bietet der Frauenverband mit seiner Arbeit Beratung in allen Lebensbereichen für jeden an, der eine Migrationsgeschichte zu erzählen hat. In Via Erding zieht ab 1. November um - in die Lange Zeile 21a.

Die Geschichte von In Via reicht weit zurück. Ellen Ammann, Aktivistin und Politikerin, gründete 1897 am Münchner Hauptbahnhof die erste katholische Bahnhofsmission Deutschlands - der Vorläufer von In Via. Mit insgesamt 27 Verbänden ist In via deutschlandweitvertreten. In Erding arbeitet der katholische Verband seit 2008 in drei Bereichen: Die Flüchtlings- und Integrationsberatung für Menschen ab 27 Jahren, der Jugendmigrationsdienst unter der Leitung von Julia Detterbeck und, neu auf dem Plan, das Programm Respect Coa ches.

© SZ vom 30.09.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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