Integration im Landkreis:Unter erschwerten Bedingungen

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Ratlose Gesichter: Maria Brand von der Aktionsgruppe (ganz links), Zahnarzt Mathias Ullrich (Mitte), Catering-Betreiber Hans Oskar (ganz rechts). (Foto: Renate Schmidt)

Jung, motiviert, freundlich: So beschreiben Unternehmer aus dem Landkreis die Flüchtlinge, die sie gerne einstellen würden. Doch die Ausländerbehörde ziert sich mit der Arbeitserlaubnis - obwohl es ein anderslautendes Gesetz gibt

Von Max Ferstl, Erding

Die Arbeitgeber im Landkreis sind unzufrieden mit der Erdinger Ausländerbehörde. Am Montagabend bei einem Pressegespräch in den Räumen der Erdinger Aktionsgruppe Asyl betonten sieben regionale Arbeitgeber, dass sie gerne Flüchtlinge als Azubis einstellen würden. Diese wären motiviert und fleißig. Eine Beschäftigung, so der Tenor, scheitere daher nicht an den Flüchtlingen, sondern an der Behörde, die Arbeitsgenehmigungen nicht oder nur unzureichend erteilen würde. Berichte, denen zufolge Flüchtlinge faul seien und häufig Lehren abbrechen würden, wären falsch, sagt Maria Brand, die Sprecherin der Erdinger Aktionsgruppe Asyl: "Wir als Helferkreis haben andere Erfahrungen gemacht." Die Unternehmer offensichtlich auch.

Junge und motivierte Menschen

Alle haben einen Flüchtling als Azubi eingestellt oder haben es zumindest vor. Nun haben alle ein Problem, nur hat das Problem nichts mit faulen Azubis zu tun. Im Gegenteil: Von jungen, motivierten, freundlichen Menschen ist die Rede, die sich in Praktika für die Stelle empfohlen haben. Jetzt dürfen sie nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen, arbeiten. Zum Beispiel Makka Zyazikova.

Vor wenigen Monaten hat sie die Prüfung zur zahnmedizinischen Fachangestellten erfolgreich absolviert. Sie, die einst mit ihrer Familie aus Tschetschenien floh, wurde als eine der Jahrgangsbesten sogar mit einen kleinen Geldpreis ausgezeichnet. Sie freute sich, aber nicht sehr lange. Am Tag nach der Prüfung verweigerte ihr die Erdinger Ausländerbehörde die Arbeitserlaubnis. "Keiner wusste, wie es weitergeht", sagt Ulrike Neugebauer, ihre Chefin: "Menschlich ist das furchtbar."

Ralf Wawerla, der den gleichnamigen Fachbetrieb für Sonnenschutz und Bodenbeläge leitet, hat eine ähnliche Erfahrung gemacht. Er hat vor einem Jahr einen Nigerianer eingestellt. Ein fleißiger Mann, sagt er. Sehr interessiert, nie gab es Beschwerden. Als dieser nun ins zweite Ausbildungsjahr vorrücken sollte, zierte sich die Ausländerbehörde. Die Arbeitserlaubnis sei erst gekommen, als Wawerla mit rechtlichen Schritten drohte. Er findet: "Wir bewegen uns aus der Rechtsstaatlichkeit."

"Das macht die Planung unheimlich schwierig."

Dabei gibt es seit August 2016 das Bundes-Integrationsgesetz. Es besagt, dass Asylbewerber, über deren Bleiberecht noch nicht entschieden wurde, während der dreijährigen Lehrzeit die Sicherheit haben, hier bleiben zu dürfen. Auch solche, deren Asylantrag vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge abgelehnt wurden und die bei Verwaltungsgerichten gegen die Entscheidung klagen. Mitte Juli waren an deutschen Verwaltungsgerichten mehr als 283 000 Klagen anhängig. Darunter sind auch die Flüchtlinge, welche die Unternehmer aus der Region gerne einstellen würden, aber selten dürfen. "Das macht die Planung unheimlich schwierig", sagt Neugebauer, die Zahnärztin.

Sie war davon ausgegangen, Makka Zyazikova nach ihrer Ausbildung mindestens zwei weitere Jahre beschäftigen zu dürfen, wie es das Integrationsgesetz vorschreibt. "Wir bilden doch nicht Leute aus, um sie danach auf die Straße zu setzen", sagt Neugebauer. Trotzdem gab es Probleme, drei lange Wochen Unsicherheit. Dann immerhin ein kleiner Erfolg. Die 21-Jährige darf nun arbeiten, aber nur ein halbes Jahr.

Der Platz wird freigehalten.

Die Praxis sieht eben oft anders aus. Vor allem Bayern interpretiere das Integrationsgesetz restriktiv, sagt Brand: "Man möchte nicht, dass Flüchtlinge über den Arbeitsmarkt eine Bleibeerlaubnis bekommen." Das sei aus ihrer Sicht die einzige Erklärung, weshalb arbeitswilligen Menschen die Arbeit untersagt werde. Dass es einen Bedarf gibt, daran besteht für die Unternehmer kein Zweifel: Nicht für Anna Simmel von Edeka Simmel, nicht für Manuel Krugmann von Auto Wendt und auch nicht für Josef Luber von der Prüftechnik-Firma Remes. Hans Oskar würde in seiner Catering-Firma gerne einen Afghanen zum Koch ausbilden: "Gibt nicht viele, die den Beruf lernen möchten." Nun hat das Lehrjahr begonnen, aber die Erlaubnis fehlt. "Wir werden ihm den Platz freihalten. Uns bleibt nichts übrig", sagt Oskar. Stand jetzt würden alle verlieren: die Flüchtlinge, die tatenlos in ihren Unterkünften sitzen, "depressiv oder aggressiv" (Brand) werden, die Ehrenamtlichen, deren Bemühungen wirkungslos versanden, die Unternehmen, die nicht wissen, wie das Amt beim nächsten Mal entscheidet.

Als sie nach Deutschland kam, dachte Makka Zyazikova, "alles wäre sicher". Inzwischen weiß sie, dass das nicht stimmt. Bis Februar darf sie arbeiten. Wie es dann weiter geht, weiß keiner. Sie sagt: "Jeder Tag ist ein Kampf." Manchmal geht er gut aus, manchmal schlecht.

© SZ vom 20.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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