Innerhalb von zwei Monaten:Wachsende Verzweiflung

Anerkannte Flüchtlinge werden aufgefordert, die offiziellen Unterkünfte zu verlassen und sich eine Wohnung zu suchen. Der überhitzte Mietmarkt der Region gibt das jedoch nicht her

Von Katharina Aurich, Landkreis

Anerkannte Flüchtlinge, die in den Unterkünften der Regierung von Oberbayern oder des Landkreises leben, werden von den Behörden aufgefordert, diese innerhalb von zwei Monaten zu verlassen und sich eigenverantwortlich eine Wohnung zu suchen. "Sollten Sie dieser Auszugsaufforderung nicht nachkommen, beabsichtigen wir, Ihnen innerhalb von Bayern einen Wohnsitz zuzuweisen", heißt es in den Schreiben weiter. Rund 50 anerkannte Flüchtlinge im Landkreis hätten bisher solche Schreiben erhalten, sagt Martin Nell, Pressesprecher der Regierung von Oberbayern. Offensichtlich wird diese Ankündigung aber bisher nicht umgesetzt.

Die Betroffenen fänden auf dem angespannten Wohnungsmarkt im Landkreis kaum eine Bleibe. Sie dürften daher "bis auf Weiteres in den Unterkünften bleiben, sofern auf dem lokalen Wohnungsmarkt und in den gemeindlichen Obdachlosenunterkünften keine Kapazitäten vorhanden sind", erklären die Pressestellen der beiden Behörden. Etwa 780 bleibeberechtigte Flüchtlinge leben derzeit im Landkreis Freising, wie Landrat Josef Hauner Ende Juli informierte, Tendenz steigend.

Für die anerkannten Flüchtlinge bedeuteten die Briefe der Behörde jedes Mal einen Schock, sie würden in Panik versetzt, schildert Angelika Sagerer vom Helferkreis in Zolling. Bisher könnten jedoch alle Betroffenen in der Zollinger Unterkunft bleiben, die Drohung werde wohl zur Zeit nicht umgesetzt. Die ehrenamtlichen Mitglieder des Helferkreises suchten nach Wohnungen und es sei ihnen gelungen, für eine Familie ein kleines Haus in Langenbach zu finden. Außerdem hätten zwei Frauen ausziehen können und wohnten jetzt in Anglberg, berichtet Sagerer von kleinen Erfolgen. Sie hoffe, dass sich mehr Vermieter besinnen und den anerkannten Flüchtlingen, die sich in den Gemeinden gut eingelebt und integriert hätten, eine Chance geben würden.

Auch Habib Amiri und seine Frau Fatema Mohseni, die aus Afghanistan geflüchtet sind, im Pfarrhaus in Haag leben und seit April die Gewissheit haben, bleiben zu dürfen, suchten bisher vergeblich. Obwohl beide arbeiten, Habib Amiri als Techniker bei einem großen Sender in München, sei es ihnen nicht gelungen, etwas zu finden, "wir wohnen immer noch da", bedauert der junge Mann.

Die Geflüchteten erhielten aber nicht nur die Aufforderung zum Auszug aus den Unterkünften, sondern auch eine Rechnung. Nicht für Miete, sondern es werde eine öffentlich-rechtliche Gebühr für die Nutzung einer staatlichen Einrichtung erhoben, erläutert Peter Fürnrohr von der Pressestelle der Regierung. Für Anerkannte, die nicht erwerbstätig seien, würden diese Kosten von den Jobcentern übernommen. Ein Familienvater, der mit Frau und Kind in der Gemeinschaftsunterkunft an der Oberen Hauptstraße in Au lebe, habe so eine Gebührenrechnung über 542 Euro für den Monat August erhalten, berichtet Heiner Barth vom örtlichen Helferkreis.

Seit 2012 engagiere er sich für die Flüchtlinge. "Mit wachsender Verzweiflung" bemühten sich die Helfer, Wohnraum für ehemalige Asylbewerber zu finden. Dies scheitere an fehlenden Wohnungen, am negativen Image von Ausländern und an den Kosten, die für Wohnraum erstattet werden. Der Unterstützungssatz für eine vierköpfige Familie mit einer Mutter und drei Kindern betrage maximal 550 Euro. Selbst in Au und Umgebung finde sich dafür keine Wohnung, sagt Barth.

Wirklich zuständig fühlt sich außer den ehrenamtlichen Helfern in den Gemeinden offenbar niemand. Der Landkreis sei weder für die Unterbringung bleibeberechtigter Flüchtlinge, noch für die Schaffung von Wohnraum im sozialen Wohnungsbau zuständig, stellt Sprecherin Eva Dörpinghaus klar. Landrat Hauner halte die Bürgermeister regelmäßig dazu an, die Geflüchteten, die bleiben dürfen, zu unterstützen und zu beraten. Die Regierung von Oberbayern setze auf eine enge Zusammenarbeit von Landratsamt, Städten und Gemeinden sowie mit den ehrenamtlichen Helferkreisen, "für deren Engagement wir besonders dankbar sind", heißt es aus der Pressestelle.

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