Informationsveranstaltung:Gemeinsam für Artenvielfalt

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Wie kann man Landwirtschaft und Biodiversität in Einklang bringen? Über dieses Thema hat das Landwirtschaftsamt Ebersberg gemeinsam mit Landwirten, Naturschützern und Landschaftspflegeverband informiert. Das Fazit: Die Bauern brauchen Kooperation und Unterstützung

Von Franziska Spiecker, Forstinning

Gemeinsam geht es. Die Ebersberger sind ihrer Zeit voraus. Und: Bauern müssen für artenfreundliche Landwirtschaft entlohnt werden. Über diese Dinge waren sich die etwa 30 Anwesenden bei der Informationsveranstaltung "Landwirtschaft und Biodiversität - Erzeugung gestalten und Arten erhalten" in Forstinning einig. Und das, obwohl verschiedenste Interessengruppen in den Rundgang des Ebersberger Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) über das "Südlichen Schwabinger Moos" einbezogen waren.

Bei frühsommerlichen Temperaturen trafen sie sich auf dem Hof des Landwirts Josef Steiler: Vertreter des AELF, des Bayerischen Bauernverbands, des Landschaftspflegeverbands (LPV) Ebersberg, der Unteren Naturschutzbehörde am Landratsamt Ebersberg und des Maschinenrings, Bürgermeister aus Forstinning und Markt Schwaben, ein Jäger, Landwirte und nicht zu vergessen: Landrat Robert Niedergesäß (CSU), der in einem Wasserstoff-Testwagen angekommen war. Sie alle wollten Flächen vorstellen, beziehungsweise besichtigen, die sowohl landwirtschaftlich genutzt werden, als auch der Artenvielfalt dienen.

Vorbei an Feldern und Wiesen, frei herumlaufenden Rehen und Hasen, ging es also zur ersten Mustergrünfläche: der Pflegewiese. Die etwa kniehohe Mischung aus Blumen und Gräsern hatte einige Lücken und wurde laut Landwirt Steiler seit 30 Jahren nicht mehr gedünkt. Auch gemäht würde die "sehr artenreiche Wiese" nur ein bis zwei Mal im Jahr, erklärte LPV-Geschäftsführer Josef Rüegg, wobei der Zeitpunkt variiere, je nachdem wie weit die Blüten seien. 35 bis 40 verschiedenen Pflanzen seien es insgesamt, unter ihnen zum Beispiel Schafgaben und Margeriten, Wiesenglockenblumen und Sauerampfer. Für die Wiesenbrüter sei das gut, weil sie Flächen mit vielen Insekten bräuchten, und - ergänzte AELF-Behördenleiter Georg Kasberger: "Jede Blüte ist mit bestimmten Insekten verbunden". Auch die lückige, offene Struktur komme den Wiesenbrütern laut Rüegg sehr zu Gute. Außerdem könnten sie während Regenperioden bei offenem Boden schneller trocknen, erläuterte der Geschäftsführer des Landschaftspflegeverbands.

Was für die Artenvielfalt gut sei, bedeutet für die Landwirte laut Steiler vor allem Eines: nur einen Viertel des Ertrages, den sie auf artenärmeren Intensivflächen hätten. Zwar würde die Arbeit auf der Pflegewiese durch staatliche Fördergelder bezahlt, nicht aber der Ertragsausfall. Rüegg schlug daher ein etwas anderes Modell vor: "Landwirte sollten für Artenvielfalt bezahlt werden, nicht für einen fiktiven Ertragsausfall." Landrat Niedergesäß, der den Vorschlag einer leistungsbezogenen Förderung zum ersten Mal hörte, bezeichnete ihn auf Nachfrage als "sympathisch": "Der Landwirt muss leben können."

Auf dem Feld wachsen unter anderem Glockenblumen. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Der zweite Stopp war ein Naturdenkmal. Eine ehemaligen Streuwiese mit 120 verschiedene Pflanzenarten, die es vor mehr als 200 Jahren im Schwabinger Moss flächendeckend gab, seit der Intensivierung der Landwirtschaft aber nicht mehr, weil die Tiere sie nicht fressen würden, erläuterte Rüegg. Neben ihm tanzten über Fettkraut, Mehlprimel und Geflecktem Knabenkraut hunderte Pollen in der Luft. "Die Politik hat die Landwirtschaft den Weltmarktbedingungen unterworfen", pflichtete auch AELF-Behördenleiter Kasberger bei, während er an einer für die Futtergewinnung optimalen Intensivwiese mit nur zehn bis 15 Pflanzenarten vorbeiging.

An der nächsten Station, der Postwiese angekommen, erklärte Rüegg, dass auf der ehemaligen Ackerfläche der Gemeinde vergangenes Jahr eine Blumenwiese ausgesät worden sei. "Das Problem für die Blumen sind die Gräser", aber wenn man mindestens 50 Prozent Blumen anlege, hätten diese eine Chance. Über 70 verschiedene Pflanzenarten gäbe es jetzt hier, zentral sei aber, dass die Ausgleichsfläche weiter bewirtet werden müsste, so der LPV-Vertreter.

In den geschützten Gebieten kann man noch die Mehlprimel antreffen. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Auf dem Weg zu den letzten Besichtigungspunkten ergänzte Kasberger, welches Modell das AELF favorisiere: einen zehn Meter breiten Streifen Blühwiese rund um eine Intensivwiese, so dass die Bauern keine Probleme mit der Verwertung hätten. Auch Blühstreifen im Ackerbau, fänden hier alle gut, sagte er mit besonderem Blick auf die Naturschützer. "Besser Blühstreifen als nichts", entgegneten diese und Kasberger resümierte: "Breite Einigkeit im Landkreis ".

Auch Niedergesäß lobte das "Klima der Gemeinsamkeit" zum Abschluss. Seit über einem Viertel Jahrhundert würde man mit dem LPV zusammenarbeiten, was nicht überall in Oberbayern selbstverständlich sei. Auch ein Runder Tisch mit Landwirten und Naturschützern würde im Landkreis bereits seit 2014, nicht erst seit dem Volksbegehren "Rettet die Bienen" durchgeführt, genau wie verschiedene Projekte zur Förderung der Artenvielfalt. Ein Problem sah der Landrat neben all dem Lob aber dennoch: die Flächenkonkurrenz, die sich aus dem wachsenden Zuzug aus der Metropolregion ergebe.

© SZ vom 28.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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