In mehr als 300 Sprachen übersetzt:Stille Nacht

In mehr als 300 Sprachen übersetzt: Der Erdinger Kreisvolksmusikpfleger Reinhard Loechle hat sich der Geschichte von "Stille Nacht" angenommen und alle Herkunftsorte besucht.

Der Erdinger Kreisvolksmusikpfleger Reinhard Loechle hat sich der Geschichte von "Stille Nacht" angenommen und alle Herkunftsorte besucht.

(Foto: Renate Schmidt)

Zum Jubiläum des Klassikers stellt Kreisvolksmusikpfleger Reinhard Loechle die wechselvolle Geschichte hinter dem berühmten Weihnachtslied vor. Bei der Recherche hat er einige faszinierende Zusammenhänge entdeckt

Von Julian Zieglmaier, Erding

In vielen Pfarrgemeinden bildet das Weihnachtslied Stille Nacht, Heilige Nacht den traditionellen Abschluss der Christmette. Und das schon seit 200 Jahren. Dabei hat der Welthit eine Karriere hingelegt, die auch heutige Popweihnachtssongs wie Last Christmas oder Feliz Navidad vor Neid erstarren lassen. Entstanden im bayerisch-österreichischen Grenzgebiet um 1818 verbreitete es sich innerhalb weniger Jahrzehnte erst nach Ostdeutschland, von dort nach Amerika und dann über die ganze Welt. Es wurde in mehr als 300 Sprachen übersetzt, wird jedes Jahr von über zwei Milliarden Menschen gesungen und ist auf unzähligen Tonträgern und in unzähligen Versionen erschienen. Dabei blieben die ursprünglichen Schöpfer lange im Dunklen. Der Erdinger Kreisvolksmusikpfleger Reinhard Loechle hat sich der Geschichte des Liedes angenommen, alle Herkunftsorte und wichtigen Stationen besucht und stellt seine Erkenntnisse vor.

Manche Menschen brennen einfach für die Dinge, mit denen sie sich beschäftigen. Das merkt man auch bei Reinhard Loechle schnell. Man muss ihm nur ein paar Minuten zuhören, wenn er über Stille Nacht, Heilige Nacht erzählt, schon ist man selbst gefesselt. "Es ist schon wirklich unglaublich, was es da für Zusammenhänge und kleine, unfassbar faszinierende Geschichten gibt", berichtet Loechle begeistert. Begonnen habe alles mit Joseph Mohr, Priester und Dichter aus Salzburg. Während seiner Tätigkeit als Hilfspfarrer in Marapfarr im Lungau habe er 1816 das Gedicht Stille Nacht, Heilige Nacht verfasst, das später zum Liedtext werden sollte. 1818 komponierte Franz Gruber, Lehrer und Organist aus Hochburg bei Burghausen, auf Bitten von Mohr die Melodie zum Lied. Beide waren seit 1817 in Oberndorf bei Salzburg in der Pfarrei und Kirche St. Nikola, an deren Stelle heute die Stille-Nacht-Kapelle steht, angestellt. Mohr als Hilfspriester, Gruber als Kirchenmusiker.

"An Heiligabend 1818 ist Stille Nacht, Heilige Nacht nach der Christmette in der Kirche St. Nikola uraufgeführt worden. Damals war es noch verboten im Gottesdienst Lieder zu singen, die nicht auf Latein waren. Die erste Aufführung ist mit Gitarre begleitet worden", erzählt Loechle. Die Musik und der Text seien vor allem von den äußeren Umständen geprägt worden. Die Menschen im Salzburger Land, in Oberösterreich, in Tirol und im Süden Bayerns hatten mit den Nachwirkungen der Napoleonischen Kriege zu kämpfen. "1815 hat es in Indonesien einen schlimmen Vulkanausbruch gegeben. Die Jahre bis 1818 waren extrem kalt und feucht, das hat den Menschen zusätzlich zu schaffen gemacht", Stille Nacht, Heilige Nacht habe in dieser Situation genau die richtige Stimmung vermittelt. Das Lied wurde Teil der volkstümlichen Weihnachtslieder in Oberösterreich und im Salzburgerland.

"Der Orgelbauer Karl Mauracher aus Fügen im Zillertal hat bei einem Auftrag in Oberndorf einen Notenzettel mit dem Liedtext, aber ohne Autor gefunden. Den hat er dann mit nach Tirol genommen und so hat sich das Lied in den 1820ern auch da verbreitet." Viele Familien aus dem Zillertal hätten zu dieser Zeit ihr Auskommen damit aufgebessert, dass sie als fahrende Händler und Musikanten durch Ostdeutschland gereist seien. "In den protestantischen Pfarrgemeinden ist es, im Gegensatz zu den katholischen Regionen in Bayern und Österreich, erlaubt gewesen, deutschsprachige Texte zu singen", dadurch sei das Lied in der Region bekannt geworden. Vor allem die Familie Strasser aus Hippach in Tirol hat das Lied in Leipzig und Umgebung bekannt gemacht.

Auch nach Nordamerika hat es das Lied gebracht: "Die fahrenden Gruppen sind damals überall unterwegs gewesen, auch in Amerika. Und es sind viele, die das Lied kannten, ausgewandert. Es ist dann auf Englisch übersetzt worden. Die Amerikaner haben es aber für ein amerikanisches Volkslied gehalten, weil der Komponist ja nicht bekannt war." Als die Hofkapelle des preußischen Königs 1854 eine Aufführung geplant und in Österreich nach dem Urheber gesucht habe, sei man auf Joseph Mohr und Franz Gruber gestoßen. "Da wurde eigentlich angenommen, dass es vielleicht von Michael Haydn oder Mozart komponiert wurde", so Loechle.

Es bleiben trotzdem noch viele Fragen. Warum wurde Joseph Mohr nach seinem Tod noch einmal aus seinem Grab geholt, um ihm den Schädel abzutrennen? Wie wurde das Lied weltweit bekannt? Was hat eine Weltausstellung mit Stille Nacht, Heilige Nacht zu tun? Welche Probleme hatte die katholische Kirche im Zillertal mit dem Erfolg des Liedes? Wer Antworten auf all diese und noch mehr Fragen haben möchte kommt am Sonntag, den 16. Dezember, ab 16 Uhr in den Konzertsaal der Kreismusikschule in Erding. Dort berichtet Reinhold Loechle von seinen Ergebnisse, begleitet von weihnachtlicher Musik. Der Eintritt ist frei.

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