Im Landkreis:Neue Sicherheitskonzepte für Badegewässer

Im Landkreis: August, 35 Grad, ein Sommertag am Thenner Weiher. Die Aufnahme stammt aus diesem Jahr. Auch zu Corona-Zeiten stürmen die Badegäste das Ufer und das Wasser. Mithilfe einer Hausordnung und Hinweistafeln will der Landkreis jetzt Unfällen und gerichtlichen Auseinandersetzungen vorbeugen.

August, 35 Grad, ein Sommertag am Thenner Weiher. Die Aufnahme stammt aus diesem Jahr. Auch zu Corona-Zeiten stürmen die Badegäste das Ufer und das Wasser. Mithilfe einer Hausordnung und Hinweistafeln will der Landkreis jetzt Unfällen und gerichtlichen Auseinandersetzungen vorbeugen.

(Foto: Renate Schmidt)

Am Notzinger und Thenner Weiher will der Landkreis alle Eventualitäten auf mögliche Unfälle hin überprüfen. Zugleich beruft man sich auf einen anderen juristischen Sachverhalt, der mehr Eigenverantwortung erfordert

Von Thomas Daller, Erding

Der Landkreis übt sowohl beim Notzinger als auch beim Thenner Weiher das Hausrecht aus. Mit mehr Sicherheitshinweisen will man an beiden Badegewässern Unfälle vermeiden. Hinzu kommt aber auch die Haftungsfrage: Im Strukturausschuss hat der Landkreis die bislang bestehende Satzung für die Gewässer aufgehoben und durch eine sogenannte Hausordnung ersetzt. Dadurch will man sicherstellen, dass im Falle eines Badeunfalls weder der Landrat noch die Mitglieder des Kreistags juristisch belangt werden können.

Ein Fall in Hessen, wo drei Kinder in einem gemeindlichen Löschweiher ertrunken sind und der Bürgermeister in erster Instanz wegen fahrlässiger Tötung verurteilt wurde, hat bundesweit für Aufsehen gesorgt. Der Landkreis Erding will präventiv "sauber aus dieser Nummer rauskommen", wie es Landrat Martin Bayerstorfer (CSU) formulierte. Dazu hat der Strukturausschuss ein Sicherheitskonzept beschlossen, mit dem man Unfällen möglichst vorbeugen will. Man ist sich aber bewusst, dass man damit einen Unglücksfall nicht hundertprozentig verhindern kann. Deshalb wurde auch die Satzung gekippt. Stattdessen beruft man sich nun auf den Artikel 141 der Bayerischen Verfassung. Dieser sogenannte "Schwammerlparagraf" garantiert den Bürgern den freien Naturgenuss, fordert dabei aber auch eigenverantwortliches Handeln ein.

Das Thema bereitet auch den Bürgermeistern Sorge. Das betonten im Strukturausschuss sowohl der Erdinger Oberbürgermeister Max Gotz (CSU) als auch der Wörther Bürgermeister Thomas Gneißl (ÜPWG). Gotz sagte, an ihn würden Wünsche herangetragen, den Kronthaler Weiher noch attraktiver zu machen, beispielsweise mit einer Wasserskianlage. Aber vor diesem Haftungshintergrund sei er nicht gewillt, etwas in dieser Hinsicht zu unternehmen. Die Kommune sehe sich gezwungen in einer "Spaßgesellschaft die Spaßbremse zu sein". Gneißl sagte, das gelte auch für Dorfteiche oder Skaterplätze: "Eigenverantwortliches Handeln ist nicht mehr das, was es früher war."

Die juristischen Tücken erläuterte Rechtsanwalt Georg Kraft dem Strukturausschuss. Badeunfälle würden der sogenannten Verkehrssicherungspflicht unterliegen. 60 Prozent aller Klagen gegen Kommunen würden auf diese Thematik abzielen. Das Problem seien nicht die zivilrechtlichen Forderungen, wenn es um Schadenersatz gehe, weil die Kommunen dagegen versichert seien. Anders sei es beim Strafrecht, wenn es zu einer Klage wegen fahrlässiger Körperverletzung oder gar fahrlässiger Tötung komme.

Kraft betonte, dass man mit einem Sicherheitskonzept nachweisen müsse, auf alles Erdenkliche geachtet zu haben. Das erfordere jedoch nicht, an jedem Weiher einen Bademeister einzusetzen. "Ein Bademeister wird nur dort erwartet, wo man Eintritt zahlt." Aber wenn ein Badesee flach zu den Ufern hin auslaufe und es an manchen Stellen zu einer plötzlichen Tiefenänderung komme, müsse man dort einen Rohrpfosten mit einem Warnschild ins Wasser stellen. Und für Badeinseln gelte beispielsweise, dass sie nicht zu weit entfernt vom Ufer verankert sein dürfen und man am Ufer einen Hinweis anbringe, wie weit man schwimmen müsse, um dorthin zu gelangen. Ferner müssten an allen Zugängen zu einem Badegewässer Schilder mit allen Sicherheitshinweisen und Vorschriften angebracht werden.

Außerdem müsse man einen verlässlichen Unterhalt gewährleisten. Kraft nannte als Beispiel einen Fall, bei dem sich eine ursprünglich verankerte Badeinsel in einem Gewässer im Chiemgau losgerissen habe. 30 Jahre lang sei nichts passiert. Eines Tages sei sie dann aus Ufernähe so weit abgetrieben, dass ein Badegast beim zurückschwimmen ertrunken sei. Auch auf Hinweise müsse man zeitnah reagieren: Das spiele bei dem Fall in Hessen mit den drei ertrunkenen Kindern eine Rolle. Denn die Gemeinde sei vorher von der Versicherung darauf aufmerksam gemacht worden, sie müsse den Löschweiher mit einem Zaun sichern, was nicht geschehen sei. Und zur Haftung gehöre auch, dass man mit solchen Arbeiten nicht gerade jenen Bauhofmitarbeiter beauftrage, gegen den es schon mehrere Beschwerden gebe, weil er häufig betrunken zur Arbeit erscheine. Auch das könne von Gerichten als fahrlässig bewertet werden. "Die Beurteilung der Verkehrssicherungspflicht ist immer eine Einzelfallentscheidung", betonte Kraft.

Der Strukturausschuss nahm das Konzept und die Hausordnung einstimmig an. Sie treten zum 1. Januar 2021 in Kraft.

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