Hohenlinden:Erinnern als gemeinsame Aufgabe

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Hohenlinden geht eine Gemeindefreundschaft mit dem elsässischen Orbey ein. Beide Orte waren Schauplätze blutiger Schlachten zwischen Franzosen und Bayern

Von Philipp Schmitt, Hohenlinden

Die Gemeinde Hohenlinden hat mit der Schlacht von Hohenlinden vom 3. Dezember 1800 einen historischen Platz in der bayerischen und französischen Geschichte. Dem wollen Bürgermeister Ludwig Maurer (ÜWH) und die Gemeinderatsmitglieder gerecht werden: Der Gemeinderat hat bei der jüngsten Sitzung im Bürgersaal des Wendlandhauses auf Vorschlag Maurers einer Gemeindefreundschaft mit der französischen Kommune Orbey im Elsass in den Hochvogesen zugestimmt: "Ich bin froh, dass die Freundschaft zustande kommt und es gegenseitige Besuche geben wird. Große finanzielle Auswirkungen wird diese Freundschaft aber nicht haben", sagte der Gemeindechef.

Wegen der blutigen Schlacht 1800 im Napoleonischen Krieg hat Hohenlinden in der deutsch-französischen Aussöhnung eine besondere Rolle inne. Damit sei sie mit der Gemeinde Orbey in den Hochvogesen verbunden, die mehr als hundert Jahre später im Ersten Weltkrieg erneut Schauplatz von kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Soldaten aus Frankreich und Bayern wurde. An beiden Schauplatzen gab es tausende Opfer. Beide Gemeinden wollen zur Mahnung das geschichtliche Erbe zur Geltung bringen. Sie wollen mit ihren Museen und gegenseitigen Besuchen für Freundschaft, Versöhnung und Verständigung werben und die Erinnerung an das Leid, sowie das Andenken an die Opfer aufrecht erhalten.

Maurer hat 2019 und 2020 bei Zeremonien am Berg Lingekopf in der Gemeinde Orbey im August Grußworte gesprochen. Maurer und den Bürgermeister von Orbey Guy Jacquey verbindet die Überzeugung, dass Europa auf der Ebene der Bürger gesellschaftlich weiter zusammenwachsen sollte. Erinnerungsarbeit und deutsch-französische Freundschaft seien für die Gemeinden wegen des historischen Erbes eine Verpflichtung. Es müsse in Hohenlinden und im hoch über dem Münstertal gelegenen Orbey immer wieder aufs Neue an das von den Kriegen verursachte Unglück und Leid als Mahnung für den Frieden erinnert und die Freundschaft über die Grenzen hinaus gepflegt werden, hieß es dazu.

Im August 2019 und 2020 sprachen Maurer und Jacquey auf dem deutschen und französischen Friedhof in Orbey östlich und westlich vom Lingekopf vor Ehrengästen. Im nächsten Jahr soll eine Gruppe aus Orbey mit Jacquey Hohenlinden besuchen. Eine Gruppe aus Hohenlinden hatte bereits 2010 zum ersten Mal die Gemeinde in den Vogesen und das von Dominique Muller geleitete Museum und Denkmal der Befestigungsanlagen auf dem Lingekopf besucht. 2013 kam der Vorsitzende der Gedenkstätte Dominique Muller, ein pensionierter General, nach Hohenlinden. Dort besuchte er das Denkmal und das Museum zur Schlacht von Hohenlinden im Keller des Schulhauses.

Beim selben Besuch brachten die beiden Bürgermeister Ludwig Maurer (links) und Guy Jacquey (rechts) die Gemeindefreundschaft auf den Weg. (Foto: Michael Stumpf/oh)

"Die Kontakte zu Orbey gibt es schon länger", sagte Maurer dazu. Hohenlinden und Orbey müssten sich wegen der historischen Wurzeln nachhaltig um Versöhnung und Freundschaft bemühen. Die geopolitisch damals bedeutende Schlacht von Hohenlinden - zu der im Museum ein sehenswertes Diorama besichtigt werden kann - forderte tausende Opfer. Die Niederlage Österreichs und des damals verbündeten Bayern gegen die von General Moreau kommandierte französische Rheinarmee bei der Entscheidungsschlacht beendete 1800 eine Epoche. Die durch die französische Revolution ausgelösten Revolutionskriege waren damit vorbei: Hohenlinden wurde auf dem Triumphbogen in Paris eingraviert. Es war ein Wendepunkt in der Geschichte Frankreichs und Bayerns erreicht. 1806 wurde das nun mit Frankreich verbündete Bayern unter Billigung des an die Macht gelangten Napoleon Bonaparte zum Königreich ausgerufen und Max I. Joseph von Bayern zum König ernannt.

Am Lingekopf im Elsass hatten sich mehr als eine Dekade später im Ersten Weltkrieg die Verhältnisse längst wieder geändert: Im Kampf um den strategisch wichtigen Gipfel des etwa 1000 Meter hohen Berges lieferten sich meist junge Menschen aus Frankreich und Deutschland - es waren dort viele Soldaten aus Bayern eingesetzt - heftige Gefechte. Von Juli bis Oktober 1915 sollen hier Muller zufolge 10 000 Franzosen und 7000 Deutsche ihr Leben verloren haben. Danach gab es dort bis November 1918 einen Stellungskrieg, woran die 1968 gegründete und von Muller geleitete Gedenkstätte mit Museum und der im Außenbereich erhaltenen Schützengräben mahnend erinnern.

Die neue Freundschaft mit der französischen Gemeinde Orbey ist für Hohenlinden kein Novum: Die Gemeinde hat bereits vor einigen Jahren eine außergewöhnliche deutsch-französische Gemeindefreundschaft mit Fleury-devant-Douaumont bei Verdun geknüpft. Diese Gemeinde Fleury auf den Maashöhen hat keine Einwohner mehr: Das Dorf wurde im Ersten Weltkrieg 1916 völlig zerstört und nicht wieder aufgebaut. Es gibt aber noch einen Bürgermeister: Jean-Pierre Laporra. Er hat Hohenlinden 2016 mit einer Delegation besucht und im Schulgarten Mirabellen-Bäume eingesetzt. Zuvor hatte Hohenlindens Gemeindechef in Frankreich bei Verdun eine Linde gepflanzt. 1984 war Fleury durch die berühmt gewordene symbolische Geste des französischen Staatspräsidenten Francois Mitterrand und des damaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl, die sich beim Gedenken der Opfer der Schlacht von Verdun im Ersten Weltkrieg bei der Hand nahmen, ins Licht der Öffentlichkeit gerückt.

© SZ vom 01.12.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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