Hörgertshausen:Entschleuniger mit Kuschelgesicht

Christian Vogl hält auf seinem Hof in Sankt Alban bei Hörgertshausen Lamas und Alpakas, auch Wanderungen mit den sanften Vierbeinern bietet er an. Er hat die Erfahrung gemacht, dass sie Stress "einfach weg saugen"

Von Alexandra Vettori, Hörgertshausen

Bonfire ist ein echter "Sir", kanadische Linie, seltene Farbe, grau-weiß, und sehr erhaben. Gegen Cassidy freilich und dessen schmelzenden Schokokugelblick aus weißem Kuschelgesicht mit zentimeterlangen Wimpern kommt er auf den ersten Blick nicht an. Muss er auch nicht, Bonfire ist ein Lama-Wallach, bringt 160 Kilo auf die Waage, Cassidy ist ein Alpaka und mit seinen 16 Jahren gerade mal 60 Kilo schwer, die natürliche Rangfolge im Gehege ist damit eine klare Sache.

Hörgertshausen: Ungewöhnlicher Anblick in der Holledau: Auf dem Hof von Christian Vogl leben mit Blick auf einen Hopfengarten Lamas und Alpakas.

Ungewöhnlicher Anblick in der Holledau: Auf dem Hof von Christian Vogl leben mit Blick auf einen Hopfengarten Lamas und Alpakas.

(Foto: Marco Einfeldt)

Das Gehege, Offenstall, kleiner Paddock, Weiden mit Aussicht auf Wälder, Felder, Hügel und einen Hopfengarten stehen in Hörgertshausen, Gemeindeteil St. Alban, und könnte lauschiger nicht gelegen sein. Doch nicht nur deshalb wirken Bonfire, Cassidy und ihre derzeit fünf Kolleginnen und Kollegen so tiefenentspannt. Diese Eigenschaft zeichnet die beiden Tierarten aus, weshalb sie sich im gestressten Europa wachsender Beliebtheit erfreuen. Lama- und Alpakawanderungen sind keine Seltenheit mehr. Auch Christian Vogl, der Besitzer von Bonfire und Co, bietet solche Wanderungen an, "aber nur als Hobby", wie der 53-Jährige betont.

Hörgertshausen: Vor 15 Jahren sind die ersten Lamas auf dem Voglhof in Sankt Alban eingezogen.

Vor 15 Jahren sind die ersten Lamas auf dem Voglhof in Sankt Alban eingezogen.

(Foto: Marco Einfeldt)

Eigentlich kommen Lamas wie Alpakas aus den südamerikanischen Anden und gehören zur Familie der Kamele. Beide Arten wurden dort schon vor über 6000 Jahren von den Inkas als Fleisch- und Wolllieferanten domestiziert. Lamas sind Tragetiere, die aber nicht geritten werden, Alpakas schätzt man wegen ihrer feinen Wolle. Nach St. Alban bei Hörgertshausen verschlug es die ersten beiden Lamas vor 15 Jahren. Da hatte Christian Vogl sich schon eine Zeitlang für die sanften Tiere und ihre beinahe magische Ausstrahlung interessiert. "Ich war damals selbständig im Straßenbau tätig, täglich unterwegs, von 5 bis 21 Uhr", erzählt er. Der Umgang mit Lamas und Alpakas, so spürte er, "ist richtig entspannend". Und irgendwann beschloss er, diese Tiere auf dem ehemaligen Bauernhof, den die Vogls in St. Alban bewohnen, zu halten. "Da musste ich erst mal rumsuchen, wo gibt es die? Das war damals noch nicht so verbreitet und damit nicht so einfach." Auf einem Lama-Markt erstand er schließlich die ersten beiden Tiere. Ein Jahr später war Familie Vogl bei einer Lama-Show, als sich die mittlere der drei Töchter, Viktoria, damals sieben, heute 21 Jahre alt, in eine "kleine weiße Wolke" verliebte - Cassidy. Sie bettelte so lange, bis sich der Papa erweichen ließ, und so kam Cassidy auf den Voglhof.

Hörgertshausen: Christian Vogl schwärmt davon, dass der Umgang mit den Tieren so richtig entspannend wirkt. Tochter Viktoria hat es vor allem Cassidy, ein flauschiges Alpaka, angetan.

Christian Vogl schwärmt davon, dass der Umgang mit den Tieren so richtig entspannend wirkt. Tochter Viktoria hat es vor allem Cassidy, ein flauschiges Alpaka, angetan.

(Foto: Marco Einfeldt)

Mit einem Mythos räumt Christian Vogl gleich mal auf. So entspannt, wie die Tiere sind, sie bleiben Fluchttiere und deshalb muss man das Spazierengehen auch üben. "Untrainiert gehen sie nicht so entspannt", sagt er lächelnd. Auch beim Probegang für die Zeitung scannen Cassidy und Bonfire ständig die Umgebung ab. Gerade den Wald mögen die Tiere, die aus unbewaldeten Höhenlagen mit Weitblick stammen, eigentlich gar nicht und passen deshalb auf, ob nicht ein Raubtier aus dem Dickicht kommt. Umso wichtiger ist, dass die Tiere dem Herdenoberhaupt Mensch vertrauen. Rangfolge ist ein Thema, deshalb ist das Training wichtig. Damit zusammen hängt auch das Spuck-Thema. Ja, sagt Christian Vogl, die Tiere können spucken und tun das auch untereinander, eben um die Rangordnung zu klären. Der erste Spucker, erklärt Vogl grinsend, ist eine Warnung, aus Luft und Gras. Fühlen sich die Tiere dann immer noch bedrängt, kommt es dicke, mit Mageninhalt. Menschen aber, betont Vogl, spucken seine Tiere nicht an.

Und noch einen Mythos gibt es: Lamas und Alpakas suchen sich bei Wanderungen ihre Menschen aus, heißt es oft. Ganz so romantisch sei es nicht, sagt Vogl. "Die Tiere gehen schon unheimlich auf den Menschen ein, aber direkt aussuchen, das nicht." Dennoch achtet auch er bei den Wanderungen darauf, dass Tier und Mensch zusammen passen. "Ich kenne die Charaktere der Tiere. Der Klassenkasper kriegt immer den Cassidy, die großen Lamas bekommen meistens die Mädchen mit Pferdeerfahrungen oder vom Typ Klassensprecherin", sagt er mit einem Lächeln. Er erinnert sich an einen Leitwallach, mit dem er selbst beim Führen immer Probleme hatte. "Und mit einer jüngeren Tochter ist er immer ganz brav gegangen."

Inzwischen beschäftigt sich die ganze Familie mit Lamas und Alpakas. Seine Frau Simonetta hat einen Spinnkurs gemacht und verarbeitet jetzt die Wolle, im Hofladen gibt es auch Lama-Betten, die kann man dort nur bestellen. Christian Vogl selbst ist Preisrichter bei Zuchtwettbewerben und beruflich inzwischen zu einer Airline gewechselt. "Stress und Zeitdruck sind geblieben, doch jetzt wenigstens in geregelten Arbeitszeiten," sagt er. Und wenn es mal wieder richtig hektisch ist, setzt er sich, daheim angekommen, erst mal zu den Lamas und Alpakas, "die saugen den Stress dann einfach weg".

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