Süddeutsche Zeitung

Hochwasserschutz Erding:Ein Becken bei Pretzen

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Das Wasserwirtschaftsamt München präsentiert dem Stadtrat eine neue Idee. Es besteht die Chance, dass die Mauern und Dämme entlang der Sempt niedriger ausfallen könnten

Von Regina Bluhme, Erding

In die Planungen für den Hochwasserschutz entlang der Sempt in Erding ist Bewegung geraten. Wie das Wasserwirtschaftsamt München bei der Sondersitzung des Stadtrats am Dienstag informierte, wird nun geprüft, ob im Bereich Pretzen ein Rückhaltebecken gebaut werden könnte. Das hätte den Vorteil, dass die Mauern und Dämme im Stadtgebiet kleiner ausfallen könnten. Für den Herbst sind runde Tische mit Vertretern der Stadt, der Behörden und der Bürgerinitiativen geplant. Der Antrag der Freien Wähler für eine Klausur des Stadtrats zum Thema Hochwasserschutz wurde erst mal zurückgestellt.

Die Erdinger Bürgerinitiative (BI) "Naturnaher Ausbau Sempt" hatte vor der Sitzung mit etwa fünfzig Teilnehmern und Teilnehmerinnen eine kurze Kundgebung abgehalten. Die Prüfung eines Pretzener Beckens war ein Vorschlag der BI, den er nachdrücklich an das Wasserwirtschaftsamt herangetragen habe, sagte Oberbürgermeister Max Gotz (CSU) der SZ. Wie Christian Leeb, Leiter des Wasserwirtschaftsamts München, erläuterte, hat das in Frage kommende Pretzener Becken ein Rückhaltevolumen von 350 000 Kubikmetern. Zum Vergleich: Das ursprünglich vorgesehene und dann verworfene Rückhaltebecken in Niederwörth hätte ein Volumen von 1,9 Millionen Kubikmetern gehabt. Anhand der bisherigen Berechnungen, so Leeb, könnte das Becken den Wasserspiegel bis zu 30 Zentimeter absenken, was dann auch heißen würde, dass die dennoch notwendigen Schutzmaßnahmen im Stadtgebiet entlang der Sempt, also Mauern oder Dämme, entsprechend niedriger gebaut werden könnten. Allerdings würde in Pretzen schon eine "ordentliche Dammhöhe" von bis zu 4,80 Metern nötig werden, mit entsprechendem Steuerbauwerk. Weitere Berechnungen hätten ergeben, dass sich durch das Pretzener Becken der Durchfluss von 90 Kubikmetern pro Sekunde auf 75 Kubikmeter reduzieren ließe, "bei optimaler Steuerung". Im Moment ist das Wasserwirtschaftsamt dabei, die Kosten und die rechtlichen Möglichkeiten für diese Variante zu eruieren. Wie Leeb anfügte, sehe das Amt durch das Pretzener Becken in Singlding "keine große Betroffenheit".

Seit den Überschwemmungen 2013 wird für Erding der Hochwasserschutz geplant. Damals war die Petersbergbrücke abgerissen worden. Nun ist der Neubau, bei dem die Stadt Erding Bauherrin ist, Bestandteil des Planfeststellungsverfahrens des Wasserwirtschaftsamts. Das hat laut Gotz den Vorteil, dass die Stadt ohne ein eigenes Verfahren zu Baurecht kommt und unabhängig vom Baufortschritt der Schutzmaßnahmen mit der Errichtung beginnen könne, sagte Gotz.

Im Moment ist das Wasserwirtschaftsamt noch mit Bodenuntersuchungen beschäftigt. Es sei zu Verzögerungen gekommen, erfuhren die Stadträte, weil im Bereich Altenerding private Grundstückseigentümer die Betretung verweigert hätten. Nun liege aber eine amtliche Duldungsanordnung vor, sagte Leeb, und die Bohrungen könnten beginnen.

Wie schon in vergangenen Stadtratssitzungen betonte das Wasserwirtschaftsamt, dass auf eine "stadtverträgliche Gestaltung", gerade entlang der Landgerichtsstraße geachtet werde. Die Sempt solle zugänglich sein, Mauern könnten begrünt und Sitzgelegenheiten geschaffen werden. Und wie in den Veranstaltungen zuvor drehten sich anschließend die Fragen der Stadträte um Kosten, Ardeo-Brücke und Bachabkehr. Johann Fehlberger (Freie Wähler) schlug unter Raunen des Saals vor, doch einfach mal einen Flussabschnitt einen Meter tief auszubaggern. Das gehe aus naturschutzrechtlichen Gründen nicht, erklärt Leeb, und Gotz fügte hinzu: Es gebe nun mal rechtliche Hürden, die zu akzeptieren seien. Auch Walter Rauscher (CSU) blitzte mit seiner Frage ab, ob nicht eine Rückkehr zum ursprünglich geplanten Becken in Niederwörth möglich sei.

Aber beim Thema Ardeobrücke, die als Nadelöhr bei Hochwasser gilt, könnte sich was tun. Laut Leeb prüft die Behörde, ob nicht ein Grobrechen auf Höhe Am Altwasser verwirklicht werden kann. Eines machte der Leiter des Wasserwirtschaftsamts aber auch klar: "Ein Neubau scheidet aus."

Über den Antrag der Freien Wähler auf eine Klausur des Stadtrat wurde nicht abgestimmt. Gotz sah Widersprüche im Antrag: Zum einen solle die Stadt "ergebnisoffen" diskutieren, zum anderen im Anschluss "mit gestärkter Position" dem Wasserwirtschaftsamt gegenübertreten. Mehrfach hatte Gotz zuvor in der Sitzung darauf hingewiesen, dass nicht die Stadt, sondern der Freistaat Bayern für Gewässer II. Ordnung und somit für die Sempt zuständig sei. Und: Es gelte, rechtliche Bestimmung zu akzeptieren. Er sehe als Oberbürgermeister seinen Auftrag darin, "dass wir jetzt endlich nach acht Jahren mit dem Hochwasserschutz weiterkommen".

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SZ vom 08.07.2021
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