Hochwasser:Unterschiedliche Sichtweisen

Hochwasser: Solche Zustände soll es nicht mehr geben: Altenerding im Juni 2013

Solche Zustände soll es nicht mehr geben: Altenerding im Juni 2013

(Foto: Renate Schmidt)

Bei einer Bürgerversammlung zum Thema Hochwasser treffen die Verantwortlichen auf wütende Menschen. Befriedigende Antworten auf ihre Fragen können Stadt und Wasserwirtschaftsamt nicht liefern.

Von Mathias Weber

Kein Platz war mehr frei am Ende, die Zuhörerer, die zu spät kamen, mussten stehen. Die Stadthalle war voll am Montagabend, als Erdings Oberbürgermeister Max Gotz zu einer Bürgerversammlung zum Thema Hochwasser einlud. Bis zum Ende der Veranstaltung wurde sie aber immer leerer: Enttäuscht gingen viele Betroffene wieder nach Hause, weil sie auf ihre drängenden Fragen keine Antwort bekamen: Was war im Juni schief gelaufen? Wie konnte das Hochwasser die Stadt so unvorbereitet treffen? Und was wird sich nun ändern?

Nicht im Sinne einer Rechtfertigung

Schon nach den Einführungen von OB Gotz und dem für Erding zuständigen Experten vom Wasserwirtschaftsamt in München, Josef Höschl, wurde allerdings klar, dass Gotz diese Veranstaltung nicht im Sinne einer Rechtfertigung begriff. In seiner Begrüßung streifte der Oberbürgermeister zwar kurz mögliche Konsequenzen aus der Katastrophe - etwa eine verbesserte Ausstattung der Einsatzkräfte, eine dezentralere Verteilung dieser über das Stadtgebiet, auch bauliche Veränderung sowie eine "kräftige Mittelausstattung" müsse es geben. Die Bürgerversammlung aber verstand er von Anfang an als "Zusammentragen" von Meinungen, sie sollte der Auftakt sein zu einer umfangreichen Analyse. Die Bürger aber wollten etwas anderes, wie sich in der zunehmend hitzigeren Diskussion zeigte.

Verantwortliche waren auf dem Podium zahlreich vertreten, neben dem Kreisbrandrat Willi Vogl waren das Vertreter von Stadt und Landratsamt. Auch Abgesandte des Büros Aquasoli aus Traunstein waren anwesend, die für die Stadt eine Hochwasserschutzkonzept erarbeiten sollen. Am Ende allerdings waren es nur Gotz und Höschl vom Wasserwirtschaftsamt, die mit dem Publikum diskutierten. Höschl selbst besprach noch einmal das Hochwasser aus seiner Sicht.

Er selbst hatte am verhängnisvollen Sonntag Nachtschicht im Münchner Amt. Lange sei ihm nicht klar gewesen, "wie brenzlig die Situation war": "Auch uns am Wasserwirtschaftsamt hat das Hochwasser in gewisser Weise erschreckt." Zum Unglück kam offenbar auch noch Pech: Ein wichtiger Pegel sei an diesem Sonntagabend nicht überspült worden, sodass an das Amt die richtigen Stände dieses Pegels gesendet wurden, nicht aber die eigentlich dramatischen, hohen Stände drum herum. Auch die sich immer weiter auffüllenden Gräben, etwa an der Austraße, habe man unterschätzt. Die Schleusen hätten hingegen "im Allgemeinen" gut funktioniert.

Planungen könnten Jahre in Anspruch nehmen

Mehrmals wurde Höschls Vortrag durch ironisches Klatschen und Raunen unterbrochen. Etwa als es um Konsequenzen und ein Zeitkonzept ging: Derzeit würde das Amt so genannte Basisstudien durchführen, die möglicherweise in Planungen münden könnten, die wiederum Jahre in Anspruch nehmen könnten. Realistisch sei es, dass bauliche Veränderungen im Hochwassergebiet mindestens fünf Jahre dauern könnten, "aber auch zehn bis 15 Jahren", wie Höschl sagte. Bis dahin wolle er Empfehlungen an die gefährdeten Bewohner geben: So sollen "gefährdete Räume angepasst genutzt werden". Soll heißen: Keine Wertgegenstände im Keller lagern oder sie sichern. Oder gleich selbst das Haus hochwasserfest machen und versiegeln. Die Anwohner quittierten diese Vorschläge mit ungläubigen Lachen und Kopfschütteln.

Gotz nahm Stellung zu diesen "Zwischentönen" aus dem Publikum: Die Stadt wolle schnell Ergebnissen erreichen, da komme es auf die Zusammenarbeit aller an. Und die Zuhörer sollen nicht mit dem Gefühl nach Hause gehen, dass ihre Anliegen nicht gehört würden. Auf den von ihm beschworenen Zusammenhalt in der Bürgerschaft konnte er sich allerdings an diesem Abend nicht verlassen: In ihren Wortmeldungen stellten die Betroffenen aus Altenerding, Aufhausen und Langengeisling genau die Fragen, die Gotz und Höschl in ihren Statements aussparten. Die Informationspolitik etwa: "Kann man uns denn nicht früher warnen? Sagt uns Bescheid!", forderte ein Anwohner.

"Kühlen Kopf bewahren"

Oder die Sache mit den zu niedrig gebauten Brücken: Warum sind sie so flach, was wolle man dagegen tun? Und warum wurde das Flussbett seit mehr als 50 Jahren nicht gereinigt, wie ein Anwohner sagte. Gotz forderte, "einen kühlen Kopf zu bewahren". Er könne durchaus konkret werden: Er sprach von dem Hochwasserreferenten, den er nach Dorfener Vorbild (siehe Interview unten) einsetzten wolle und den 200 000 Euro, die bereits im Haushalt für weitere Hochwasserplanungen vorhanden seien. Und ja, die Brücke an der Petersbergstraße in Altenerding sei ein Problem gewesen. Möglicherweise könnten die Brückenbauwerke umgebaut werden. Zunehmend gereizt warnte er aber vor Problemen, etwa durch Anwohner, bei einem möglichen Neubau.

Nach knapp dreieinhalb Stunden war vielen Anwohnern der Erkenntnisgewinn der Veranstaltung wohl zu gering, immer mehr bezahlten ihr Bier, holten ihre Jacken - und fuhren nach Hause.

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