Süddeutsche Zeitung

Historisches Gebäude:Keine halben Sachen

Das ehemalige Rathaus in Parsdorf soll für eine Wohnnutzung teilweise neu gebaut werden. Um Fördermittel nicht zu gefährden, will die Gemeinde gleich drei bis vier Architekten mit der Planung beauftragen

Von Wieland Bögel, Vaterstetten

Wer sich weiterbilden will, sei es in Geschichte, Architektur oder auch in Rechtskunde, kann einen VHS-Kurs besuchen - oder eine Sitzung des Vaterstettener Gemeinderates. Dort gab es in der jüngsten Sitzung Interessantes aus der Ortshistorie und aus der Welt des Vergaberechts zu erfahren. Hintergrund ist der Plan, das ehemalige Rathaus der Gemeinde im Ortsteil Parsdorf zu sanieren und in ein Wohnhaus umzubauen. Was, wie sich seit eineinhalb Jahren immer wieder zeigt, nicht ganz einfach ist. Nun beschloss der Gemeinderat, in die konkrete Planung einzusteigen - und das gleich von drei oder sogar vier Architekten erledigen zu lassen.

Fachleute wie Ralf Schloemilch vom Bauamt sprechen bei diesem Vorgang von einem "Vergabeverfahren mit Mehrfachbeauftragung". Laienhaft formuliert, werden dabei mehrere Architekten mit derselben Aufgabe betraut, am Ende entscheidet der Auftraggeber, wessen Plan am vielversprechendsten ist und umgesetzt werden soll. Die Aufgabe lautet hier, das Gebäude aus dem Jahr 1926, das ursprünglich ein Wohnhaus war, in dem früher aber unter anderem auch die Schule und das Rathaus untergebracht waren, zu modernisieren und zwischen vier und sechs Wohnungen einzubauen.

Eine Aufgabe, die aus mehreren Gründen nicht ganz einfach sei, wie Schloemilch den Gemeinderäten erläuterte. Erstens wegen der Historie des Baus. Denn dieser besteht streng genommen eigentlich aus zwei Häusern. Der erste ist ein 1926 errichtetes Wohnhaus an der Dorfstraße. Dieses Gebäude habe sich in den vergangenen neun Jahrzehnten kaum verändert. Allerdings war der nördliche Teil des Gebäudes ursprünglich ein Stadel. Der wurde 1946 zunächst mit zwei Wohnungen versehen, in das eigentliche Wohnhaus zog der Parsdorfer Polizeiposten ein. Sieben Jahre später übernahm die Gemeinde das Gebäude, baute den ersten Stock des Stadels zum Klassenzimmer für die Parsdorfer Schule um und nutzte den Rest als Verwaltungsgebäude.

Dieser Ausbau in mehreren Schritten macht nun aber die Sanierung kompliziert, denn die beiden Teile des Hauses sind von sehr unterschiedlicher Qualität. Das alte Wohnhaus habe eine "sehr robuste, gutmütige Bausubstanz", sei außerdem unterkellert und könne wohl vergleichsweise einfach renoviert werden. Anders sieht das mit dem vielfach umgebauten ehemaligen Stadel aus. Im Gegensatz zum ortsbildprägenden Wohnhaus sei hier kaum erhaltenswerte Bausubstanz vorhanden. Außerdem müsste man den fehlenden Keller wohl durch neue Nebengebäude ausgleichen, was aber zulasten des Erscheinungsbildes gehen würde, das man ja gerade erhalten wolle. Sinnvoll sei daher, so Schloemilchs Fazit, den Altbau zu erhalten und zu sanieren, den Stadel dagegen abzureißen und durch einen Neubau mit Keller zu ersetzen, der aber optisch dem abgerissenen Gebäude entspricht.

"Das ist beileibe kein einfaches Bauwerk", sagte Bürgermeister Georg Reitsberger (FW), "die Planung ist eine Herausforderung." Denn zum einen wolle man natürlich das alte Haus erhalten, außerdem habe die Gemeinde "eine Bringschuld, günstige Wohnungen zu bauen". Helfen soll dabei das kommunale Wohnraumförderprogramm des Freistaates, das bis zu 30 Prozent des Grundstückswert und der Baukosten finanziert, sowie sehr preiswerte Kredite vergibt. Mit der Förderstelle habe man bereits das weitere Vorgehen besprochen und sich für die Mehrfachbeauftragung als beste Lösung entschieden.

Aber auch als teuerste, kritisierte Herbert Uhl (FW), mit Verweis auf die Verfahrenskosten von 105 000 Euro. Man wisse ja ohnehin bereits, was in dem Gebäude passieren solle, da brauche es kein so aufwendiges Planungsverfahren mehr. "Ich bin da ähnlicher Meinung", sagte Benedikt Weber (CSU), es gebe doch bereits Entwürfe für einen Umbau aus einer vorangegangenen Studie. Renate Will (FDP) stellte die Frage, ob die Förderstelle der Gemeinde die Mehrfachvergabe vorschreiben könne.

Dies sei zwar nicht der Fall, erklärte Kämmerer Markus Porombka, aber einfach an irgendwen vergeben dürfe die Gemeinde den Auftrag natürlich auch nicht. Schließlich sei man ans Vergaberecht gebunden, und eine Ausschreibung "kostet immer Geld". Vielleicht spare die Gemeinde mit einer einfacheren Vergabe ein paar Tausend Euro, die man dann aber an anderer Stelle, etwa durch gestiegene Baukosten, wieder verliere. Ohnehin bekomme die Gemeinde 60 Prozent der Kosten für die Vergabe aus dem Fördertopf erstattet.

Das sei ja kein Argument, meinte dagegen Uhl, "wir geben 100 000 Euro aus, damit wir 60 000 bekommen." Es gehe nicht um 60 000 sondern bis zu 600 000 Euro, entgegnete Porombka, diese Fördersumme plus einen Kredit von 0,6 Prozent auf 33 Jahre setze man aufs Spiel, wenn die Ausschreibung nicht sauber laufe. CSU-Fraktionschef Michael Niebler verwies noch auf ein anderes Risiko: Er verstehe ja, wenn die hohen Planungskosten "ein Grummeln auslösen". Mehr Sorgen habe er allerdings davor "dass wir hier einen Berliner Flughafen bauen". Um hinterher keine unangenehmen Überraschungen zu erleben sei daher eine sorgfältige Planung sinnvoll, auch wenn die etwas teurer sei.

Der Meinung waren letztlich auch die meisten Gemeinderatsmitglieder. Bei zwei Gegenstimmen, jener von Uhl und Manfred Schmidt (AfD), wurde die Mehrfachbeauftragung beschlossen.

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Quelle:
SZ vom 30.01.2019
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