Historischer Meilenstein ist für Anlieger Alptraum:"Für den Rest unseres Lebens"

A94 Story Hohenlinden

Seit Oktober endet die Autobahn A 94 Richtung Passau nicht mehr in Pastetten. Von einem Tag auf den anderen hat das das Leben vieler Menschen im Isental dramatisch verändert.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Nach der Eröffnung der A 94 ist das Entsetzen groß: Die Menschen in den Einöden, Weilern und kleinen Orte entlang der Autobahn leben im Dauerlärm. Die Politik im Landkreis fordert einstimmig Gegenmaßnahmen

Von Florian Tempel, Dorfen

Zur "feierlichen Verkehrsfreigabe" auf dem neuen Autobahnparkplatz Fürthholz-Nord kommen am 30. September fast 1000 Menschen. Für Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer und den bayerischen Verkehrsminister Hans Reichhart (beide CSU) sowie viele andere Politiker vor allem aus den Landkreisen Altötting und Mühldorf ist der die Eröffnung der Isentalautobahn ein Tag der Freude, ein historisches Ereignis, ein Meilenstein. Drei junge Männer bringen mit einer Spontandemo die Sicht der anderen zum Ausdruck. Sie entrollen Transparente und skandieren "Kein Grund zum Feiern!" Der Altöttinger Landrat Erwin Huber (CSU) beschimpft sie vehement als Egoisten und Menschenverächter.

Vom darauffolgenden Tag an, an dem die Autos und Lastwagen auf der A 94 fahren dürfen, wird das Isental mit Verkehrslärm zugemüllt. Die Menschen in den vielen Einöden, Weilern und kleinen Ortschaften entlang der A 94 leben fortan im Dauerlärm. Das Entsetzen ist groß: So schlimm hat sich das niemand vorgestellt. "Der reine Horror, die totale Katastrophe", sagt eine Anwohnerin. "Du weißt, es ist nicht nur heute oder morgen so - das geht weiter für den Rest unseres Lebens", sagt ein anderer. Eine dritte Frau sagt: "Entweder du erschießt dich oder du ziehst weg - aber beides sehe ich nicht ein." Die Betroffenen fordert, dass man etwas tut, dass man ihnen hilft und die für sie unerträgliche Lebenssituation ganz schnell ändert.

Der Dorfener Bürgermeister Heinz Grundner (CSU) hat die A 94 bei der Eröffnung noch als "Meilenstein für die Infrastruktur unseres Raumes" gepriesen. Die neue Autobahn biete "eine Vielzahl an Chancen und Entwicklungsmöglichkeiten". Es sei "an der Zeit, die Fakten zu akzeptieren oder zumindest hinzunehmen", sagt er am 30. September,

Nur einen Monat später legt Grundner im Dorfener Stadtrat einen Resolutionstext vor, der aufgreift, was die Grünen und der Bund Naturschutz als erste gefordert haben: Als Sofortmaßnahmen sollen Geschwindigkeitsbegrenzungen auf 100 Stundenkilometer für Pkw und Tempo 60 für Lastwagen her. Außerdem wird der Einbau von Flüsterasphalt und weitere konkrete Lärmschutzmaßnahmen, wie etwa Nachbesserungen an den klappernden Brücken verlangt. Nach dem Stadtrat Dorfen beschließt auch der Kreistag beschließt im Dezember eine fast gleich lautende Resolution. Die Abstimmungen sind einstimmig.

Mitte Dezember brennen entlang der Neubaustrecke alle paar hundert Meter Mahnfeuer. In Eck bei Dorfen findet die zentrale Kundgebung statt. Bürgermeister Grundner, Landrat Martin Bayerstorfer und die Landtagsabgeordnete Ulrike Scharf (alle CSU) vertreten die Ansicht, um wirkungsvollen Lärmschutz zu erreichen, müsse man nun "parteiübergreifend gemeinsam handeln".

Heiner Müller-Ermann, viele Jahre Sprecher der Aktionsgemeinschaft gegen die A 94, findet es wie viele andere, es sei "nur schwer erträglich, wenn die Brandstifter nun Feuerwehrleuten sein wollen". Doch auch er sieht ein, dass ohne die CSU nichts zu erreichen ist. Die Christsozialen haben die Isentalautobahn gegen jede Vernunft durchgedrückt, nun scheinen sie die einzigen, die Verbesserungen beim Lärmschutz erreichen können.

Auch die Anwohner hoffen darauf. Eine Woche vor Weihnachten kommt Verkehrsminister Reichhart ins Isental, um sich selbst ein Bild zu machen. Seine Botschaft an die geplagten Autobahnanrainer klingt aber wenig hoffnungsvoll: "Kann man was machen und was kann man machen?" Nun, das müsse man im Detail klären, sagt Reichhart, den das alles bald nicht mehr kümmern muss - er will lieber Landrat in Günzburg werden.

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