Sie sehen aus wie die Vorboten einer biblischen Plage, sind aber für Menschen harmlos und nur in der Insektenwelt ein „Killer“: die Großen Grünen Heupferde. Sie sind so groß wie ein Finger, gleichen einem Grashüpfer auf Steroiden. An Stadt- und Siedlungsrändern sind sie nun abends auf Balkonen und Terrassen zu Gast, insbesondere wenn ein Bach in der Nähe verläuft. Vielen Anwohnern fällt eine Zunahme dieses nicht allzu häufigen Insekts auf. Eine mögliche Erklärung ist, dass sie Nutznießer einer Verordnung sind, die die ackerbauliche Nutzung der Uferrandstreifen untersagt, die aus dem Volksbegehren „Rettet die Bienen“ resultierte.
Sie waren nie verschwunden, aber doch nur seltene Besucher von Ende Juli bis Anfang September. Abends hört man sie in den Bäumen zirpen. Wenn man draußen das Licht einschaltet, dann flattert plötzlich dieses Rieseninsekt herab und beäugt mit Genießerblick die Motten, die die Lampe umschwirren. Das Große Grüne Heupferd nuckelt zwar auch manchmal an Gräsern und Kräutern, aber in der Insektenwelt zählt es zu den Prädatoren, sie sind sozusagen die Raubtiere in dieser Liga. Sie fressen andere Insekten, zumeist Blattläuse, aber gerne auch größere Kaliber.
Die Population ist schwankend, das liegt auch daran, dass es beim Heupferd zwei bis fünf Jahre dauert, bis aus einem Ei eine Larve schlüpft. Die Witterung hat ebenfalls einen Einfluss auf die Zahl dieser Insekten: Benötigt wird Regen und dadurch feuchte Erde zur Eiablage in Kombination mit Hitzeperioden.
Ihre Zeit kommt im Juli, dann findet die letzte Häutung vor dem Erwachsenwerden statt. Aus dem kleinen „Rucksack“ entfalten sich die Flügel, die die Mobilität der adulten Heupferde erhöhen. Aktuell auffallend ist, dass man im Vergleich zu früheren Sommern mehr Exemplare im Garten beobachten kann. Lässt man ein Dachfenster nachts zum Lüften offen, kann es sein, dass einem morgens ein Heupferd am Waschbeckenrand interessiert beim Zähneputzen zusieht. Oder im Wohnzimmer sitzt plötzlich ein Jungtier an der Decke, nachdem man übersehen hat, die Balkontür zu schließen. Diese Sichtungen mehren sich und der August, die Hauptsaison des Großen grünen Heupferds, hat noch gar nicht begonnen.
Weil sich dies vor allem entlang der Bäche und Flüsse abzeichnet, hat der bekannte Dorfener Naturfotograf Andreas Hartl eine These, die schlüssig klingt. Er vermutet, dass der Schutz der Uferrandstreifen dabei eine Rolle spielen könnte. Dahinter steckt das Volksbegehren „Rettet die Bienen“, das in Bayern erfolgreich war und auch Konsequenzen für die Uferrandstreifen von Bächen und Flüssen hatte. Auf einer Breite von fünf Metern wurde die ackerbauliche Nutzung untersagt. Man schuf damit einen Puffer, der in anderen Bundesländern längst gesetzlich vorgeschrieben war.
Abgemähte Wiesen bieten dem Heupferd keinen Lebensraum
Der Nutzen für die Natur ist nicht nur ein zusätzliches Habitat für die Insekten. Dieser Schritt verhindert zudem, dass bei Regen Erdreich in die Bäche geschwemmt wird, das die Kieslaichplätze von Fischen verschlammt. Hartl geht davon aus, dass auch das Große grüne Heupferd in den Uferrandstreifen ein passendes Umfeld gefunden hat. Sie benötigen solche Hochstaudenvegetationen, sagt der Naturfotograf, abgemähte Wiesen böten ihnen keinen adäquaten Lebensraum.
Der Biologe Andreas Zahn, Fachmann für Insekten beim Bund Naturschutz Bayern, weist hingegen darauf hin, dass monokausale Erklärungen bei Heuschrecken schwierig seien, weil der Einfluss der Witterung auf die Population ebenfalls eine Rolle spiele. Zudem dürfe in Uferrandstreifen zwar nicht mehr geackert werden, in manchen Bereichen werde aber weiterhin gemäht. Wo dies aber nicht der Fall sei, könne er sich gut vorstellen, dass die Randstreifen den Heupferden den Aufbau einer größeren Population ermöglichen.