Süddeutsche Zeitung

Herbert Knur verlässt die CSU:Die Startbahn oder ich

Herbert Knur fühlt sich "verarscht": Von der Flughafengesellschaft, vom Bund, von der Stadt. Nachdem auch Ministerpräsident Horst Seehofer dem Bau der dritten Startbahn zugestimmt hat, reicht es dem Bürgermeister von Berglern. Nach fast 35 Jahren gibt er sein CSU-Parteibuch zurück.

Petra Schnirch

Herbert Knur kann ausgesprochen charmant und witzig sein, etwa wenn er als Vorsitzender der Fluglärmkommission endlich einmal eine Frau in dem sehr männerlastigen Gremium begrüßen kann. Gleichwohl ist er bekannt dafür, dass er klare Worte findet, wenn es um die Sache geht. Zu einem scharf geschliffenen Werkzeug wird Knurs Zunge stets dann, wenn er gegen eine dritte Startbahn am Münchner Flughafen wettert - keine Versammlung oder Kundgebung ohne drastisches Zitat.

Dass er sich nicht nur auf verbale Duelle versteht, sondern mit seiner Ankündigung ernst machen würde, bei Genehmigung einer weiteren Startbahn der CSU den Rücken zu kehren, hatte jedoch so mancher bezweifelt. Seit Freitag ist klar, dass der Bürgermeister von Berglern in solchen Dingen nicht scherzt. "In der CSU ist für mich kein Platz mehr", bilanziert er bitter. Der Ausbau-Beschluss sei "eine vernichtende Entscheidung für unsere Gemeinde".

Noch vor zwei Wochen hatte Knur als Chef der Erdinger CSU-Kreistagsfraktion selbstbewusst Halbzeitbilanz gezogen, von sofort an ist er dort parteiloses Mitglied. Wer seinen politischen Weg verfolgt hat, weiß, wie schwer ihm dieser Schritt gefallen sein muss. "Doch die Selbstachtung hat letztlich gesiegt", sagt der 64-Jährige. Als Knur 1972 nach Berglern zog, schloss er sich bald der CSU an, 1978 wurde er erstmals in den Gemeinderat gewählt, seit 1990 ist er Bürgermeister der 2600-Einwohner-Gemeinde im Norden von Erding.

Von Anfang an kämpfte Knur auch gegen den Flughafenbau, denn ein Blick auf die Landkarte genügte, um zu sehen, dass die langgestreckte Ortschaft mitten in der Einflugschneise liegen würde. Die Flughafengegner spannten den wortgewaltigen Kommunalpolitiker bald in ihre Arbeit ein. Sechs Jahre lang war er Schriftführer der Schutzgemeinschaft Erding-Nord, Freising und Umgebung, neun Jahre lang sogar deren Vorsitzender.

Seit 2008 leitet er die Fluglärmkommission und manövriert das Gremium, in dem Flughafenkritiker und -betreiber an einem Tisch sitzen, souverän durch lange Tagesordnungen und eine komplexe, trockene Materie um Flugrouten und Lärm. Beruflich bemühte sich Knur seit 1988 als geschäftsführender Leiter und seit 1994 als Direktor der Presse-Akademie in München um die Ausbildung junger Journalisten. Mitte Juli ging er in den Ruhestand.

Schon beim Bau des Flughafens stießen engagierte Gegner wie Knur, die gleichzeitig zur CSU standen, oft auf Unverständnis. Denn der Freistaat ist mit 51 Prozent größter Anteilseigner des Airports - und die Staatsregierung machte nie einen Hehl daraus, dass sie voll hinter den Expansionsplänen der Flughafenbetreiber steht. Dennoch hatte Knur keine Angst davor anzuecken. Richtern, die 2003 alle Klagen gegen die neue Nachtflugregelung zurückgewiesen hatten, warf er eine "erstaunliche Mutlosigkeit" vor.

Bei einer Rundfunk-Aufzeichnung gestand er im Herbst 2010 freimütig, dass er sich von den Gesellschaftern des Flughafens - Freistaat, Bund und Stadt München - "verarscht" fühle. Vor einer Woche, bei der Lektüre des Planfeststellungsbeschlusses für die dritte Bahn, sagte er, dass er "von Seite zu Seite" wütender werde, weil die Einwände der Anwohner und Gemeinden unberücksichtigt blieben. Eine Ohrfeige bekam er 2008 vom frustrierten Wahlvolk dennoch, als die CSU in Berglern abstürzte und auch der Bürgermeister nur noch mit 55 Prozent der Stimmen wiedergewählt wurde, zuvor waren es 70 Prozent gewesen.

Letzte Möglichkeit, eine dritte Startbahn doch noch auf politischem Weg zu verhindern, ist laut Knur, "dass der Stadtrat von München Vernunft annimmt". Von der CSU-Spitze erwartet er kein Umdenken mehr. Im Kreistag zitierte er vor kurzem, bezogen auf die CSU, noch einen Kommentar des Focus-Chefredakteurs Uli Baur. Nur mit "Wahrhaftigkeit, Mut und Ausdauer" könne die Partei ihr ehemaliges Stammpublikum wieder überzeugen. Knur gehört vorerst nicht mehr dazu. "Zugpferd" einer Kampagne und Beispiel für andere CSU-Politiker in der Region will er dennoch nicht sein. Dazu agiert Knur zu überlegt. Einen solchen Schritt müsse "jeder für sich prüfen".

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SZ vom 06.08.2011/bica
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