Süddeutsche Zeitung

Sozialausgaben steigen:Sparhaushalt der Rekorde

Der Kreistag beschließt den Gesamthaushalt 2023 mit einem Volumen von 275 Millionen Euro. Allein für den Bereich Soziales sind 107 Millionen Euro eingeplant. Die Grüne stimmen gegen den Haushalt, weil sie Investitionen in Klima- und Umweltschutz vermissen.

Von Thomas Daller, Erding

Der Kreistag hat den Spar- und Rekordhaushalt des Landkreises für 2023 mit einem Gesamtumfang von 275 Millionen Euro mehrheitlich beschlossen. Nur die zehn Kreisrätinnen und Kreisräte der Grünen stimmten dagegen. Viele Pflichtausgaben sind gestiegen: Allein der Bereich Soziales macht mit einem Volumen von 107 Millionen Euro 48 Prozent des Verwaltungshaushaltes aus. Hinzu kommt das voraussichtliche Defizit des Klinikums in Höhe von 15,5 Millionen Euro. Die Kreisumlage steigt auf einen Umlagesatz von 53,47 Prozentpunkten. Um den Haushalt zu finanzieren, entnimmt der Landkreis 30 Millionen aus der Rücklage, die damit vollständig aufgebraucht wird.

Landrat Martin Bayerstorfer (CSU) verwies in seiner Haushaltsrede auf die schwierige Lage und die Tatsache, dass die Pflichtaufgaben gestiegen seien. Bei der Jugendhilfe nehme der Zuschussbedarf um 2,8 Millionen Euro, bei der Sozialhilfe um 3,6 Millionen Euro zu. Auch die Personalkosten steigen von 62 auf 69 Millionen Euro. Dabei spielen die zu erwartenden Tarifsteigerungen eine Rolle, die mit fünf Prozent eh noch moderat angesetzt sind. Man benötige aber auch zusätzliche Stellen beispielsweise für die Bearbeitung von Wohngeld oder Bürgergeld.

Die Wohnungsbaugesellschaft erhält vom Landkreis einen 20 Millionen-Kredit

Zwei große Posten sind die Kommunalbeteiligung von 15,5 Millionen Euro am Klinikum des Landkreises sowie ein 20-Millionen-Euro-Kredit an die Wohnungsbaugesellschaft, die damit bezahlbaren Wohnraum schaffen soll. Allerdings ist dabei offen, ob und wie viel Geld davon 2023 abgerufen werden kann. Außerdem handele es sich bei dem Kredit um einen einmaligen Betrag, sagte Bayerstorfer.

Ferdinand Geisberger (CSU), der stellvertretende Sprecher des Gemeindetags im Landkreis, wies auf die schwierige Lage der Kommunen hin, die die steigende Kreisumlage schultern müssten. Zudem würden die beiden bisherigen stärksten Zahler, Erding und Oberding, aufgrund rückläufiger Gewerbesteuereinnahmen "schwächeln". Die Umlage würde dadurch noch stärker auf andere Kommunen verteilt. Geisberger nannte die Zahlen des Klinikums "schlimm", dennoch wolle es "keiner schließen oder verkaufen". Aber da die Rücklage aufgebraucht werde, könne man 2024 kein zweites Mal darauf zurückgreifen.

Ulla Dieckmann (SPD) erinnerte daran, dass Investitionen, zum Beispiel im Straßenbau, aufgeschoben und der Bauunterhalt um zehn Prozent gekürzt sowie die Planung eines Parkhauses am Klinikum aufgegeben wurde. "Für die nächsten Jahre fragen wir uns bei den großen Investitionen wie dem Umbau des alten Landratsamts, ob dieser nicht verschoben werden und dies mit Anmietungen von Büroraum erstmal kompensiert werden könnte", sagte Dieckmann.

Florian Geiger (Grüne) kündigte in seiner Rede an, dass seine Fraktion dem Haushalt nicht zustimmen werde. Er würdigte zwar das Ergebnis der Einsparbemühungen. Doch es gebe keine relevanten Investitionen in den Klima- und Umweltschutz: "Investitionen in Photovoltaikanlagen wurden hinausgeschoben und verzögert." Anträge der Grünen auf Erstellung eines Solarkatasters oder auf die Gründung einer Energieagentur würden seit Jahren ausgebremst. Der ÖPNV sei trotz aller Investitionen noch immer keine Alternative zum Individualverkehr und "vom Radverkehrskonzept hat man auch schon lange nichts mehr gehört." "Es sind schwere Zeiten", sagte Geiger, "und wir können aus vielerlei Gründen nicht mehr so weitermachen."

Der hohe Zuschussbedarf des Klinikums Erding bereitet allen Fraktionen Sorge

Wolfgang Reiter (ÖDP) machte insbesondere das Klinikum als Ursache für die Schieflage des Haushalts aus. Wenn man die Defizite in 2022 und 2023 nicht bezahlen müsste, könnte man theoretisch die Kreisumlage um zwölf Punkte senken. "Dann wären wir bei 42 oder 43 Prozent - ein Traum für alle Kommunen", sagte Reiter. Er kritisierte die deutsche Gesundheitspolitik der vergangenen Jahre, die mit den Fallpauschalen Fehler gemacht hätten. Dies müsse geändert werden, sonst komme es zu weiteren Klinikschließungen wie zum Beispiel in Haag.

Georg Els (Freie Wähler) sagte, er sei besorgt, dass man die Leistungsfähigkeit der Gemeinden überfordere und dadurch der Landkreis in eine Verschuldung getrieben werde: "Soziales macht nahezu die Hälfte des gesamten Haushalts aus." Auch der ÖPNV mit einem Zuschussbedarf von 6,2 Millionen Euro sei immer noch nicht die Lösung: "Wir werden vielleicht ein neues Mobilitätskonzept brauchen." Den Freien Wählern sei eine medizinische Versorgung wichtig, "aber mit Realitätssinn": "Einen operativen zweistelligen Millionenverlust im Jahr kann sich der Landkreis auf Dauer nicht leisten."

Thomas Bauer (CSU) sprach von einem "ausgepressten Haushalt": "Das Klinikum Erding hat uns überrollt, wir haben überproportionale Belastungen im Jugend- und Sozialbereich". Die Kreisumlage sei für "keinen erfreulich, aber noch vertretbar". Die 30 Millionen Euro aus der Rücklage seien nun weg, man werde die laufenden Kosten im Auge behalten müssen. Zum Klinikum sagte Bauer, der selbst Mediziner ist, dass der Kräftemangel erst begonnen habe, sowohl in der Pflege, als auch bei den Ärzten.

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