Projekt am Gymnasium Dorfen:Geschichte hautnah erleben

Projekt am Gymnasium Dorfen: Erinnerungen an die Zeit, als die GIs nach Dorfen kamen: Comedian und Schulpate Michael Mittermeier testet beim Aktionstag des Gymnasiums zum Ende des Zweiten Weltkriegs eine alte Harley Davidson.

Erinnerungen an die Zeit, als die GIs nach Dorfen kamen: Comedian und Schulpate Michael Mittermeier testet beim Aktionstag des Gymnasiums zum Ende des Zweiten Weltkriegs eine alte Harley Davidson.

(Foto: Renate Schmidt)

Zeitzeugen-Berichte sowie historische US-Fahrzeuge vermitteln den Schülern bei einem Aktionstag ein anschauliches Bild von den letzten Kriegstagen in Dorfen.

Von Philipp Schmitt, Erding

Ende April 1945 rollte eine Kolonne aus Panzern, Jeeps, Transportern und Motorrädern der US-Streitkräfte - von Frankreich kommend - durch den Landkreis auf Dorfen zu. Ziel war kurz vor Kriegsende die Befreiung Deutschlands von der NS-Schreckensherrschaft. Es hatte heftig geschneit, als die US-Soldaten nach kurzen Gefechten in Dorfen einzogen, am 2. Mai übernahmen sie das Kommando. Viele weiße Fahnen hingen an den Häusern. Die Soldaten wurden in Hotels, Sälen, Privathäusern einquartiert. Das Gymnasium Dorfen erinnert anlässlich des 1250. Stadtjubiläums an die historischen Ereignisse vor 78 Jahren.

Am Freitag wurde unter der Überschrift "Schicksalsjahr 1945 - Krieg, Kapitulation, Katastrophe" ein Projekttag mit Vorträgen von Zeitzeugen und einem Begleitprogramm organisiert: "Es war ein toller Aktionstag, durch die Veranstaltung ist Geschichte greifbar und verständlich geworden, mehr als durch das Lesen in einem Geschichtsbuch", sagte Rektor Markus Höß auf der Bühne in der Aula. "Die Erinnerung an die schlimmen Folgen eines Krieges haben vor dem Hintergrund des aktuellen Ukrainekrieges derzeit eine ganz besondere Bedeutung", fügte der stellvertretende Schulleiter Wolfgang Lanzinger hinzu, der den Projekttag mit Rainer Sertl und engagierten Schülern mit initiiert hat.

Von der Initiative "fasziniert" zeigte sich der seit 2017 als Pate des Gymnasiums fungierende Comedian Michael Mittermeier, der das Engagement und die Courage der Schüler und Lehrkräfte würdigte. Sein Vater habe als Kind die Zeit miterlebt, als Dorfen in Scherben lag und von den US-Truppen befreit wurde, sagte er.

Projekt am Gymnasium Dorfen: Die Schüler zeigten großes Interesse an Ausstellungsstücken wie dem alten Dodge.

Die Schüler zeigten großes Interesse an Ausstellungsstücken wie dem alten Dodge.

(Foto: Renate Schmidt)
Projekt am Gymnasium Dorfen: Die Film-AG war auf dem Schulgelände für Filmaufnahmen vom Aktionstag unterwegs.

Die Film-AG war auf dem Schulgelände für Filmaufnahmen vom Aktionstag unterwegs.

(Foto: Renate Schmidt)

Viele betagte Zeitzeugen hielten Vorträge in den Klassenzimmern. Schüler konnten Fragen stellen. Im Osthof des Schulareals konnten sie Selfies mit Mittermeier und vor historischen US-Jeeps und Motorrädern machen. Sie durften sich in die mit historischen Utensilien und Helmen ausstaffierten Jeeps und Dodge-Truppen- und Munitionstransporter oder auf eine Harley-Davidson, Baujahr 1942, von Guido Loibl aus Straubing setzen.

Eine zehnköpfige Gruppe um Thorsten Blaschke war in US-Uniformen mit ihren historischen Fahrzeugen nach Dorfen gekommen. In der Feldküche neben den Militärfahrzeugen erhielten Schüler - wie in der Nachkriegszeit - Suppe. Vor fast acht Jahrzehnten wurden hungrige Kinder in Dorfen so versorgt. "Ich kann mich noch gut an die Schulspeisung erinnern", sagte der 88-jährige Georg Bauer.

Projekt am Gymnasium Dorfen: Schulspeisung wie im Jahr 1946: In der Feldküche gab Vaclav Uvkoc Gemüsesuppe aus.

Schulspeisung wie im Jahr 1946: In der Feldküche gab Vaclav Uvkoc Gemüsesuppe aus.

(Foto: Renate Schmidt)

Rosa Hauder war damals 15 Jahre alt. Ihre Eltern waren die Gastwirte der "Soafa". Die heute 93-Jährige erlebte - ebenso wie der 89-jährige Jakob Lutz - die Tage des Einzugs der US-Truppen mitten in Dorfen. Davor sei Tag und Nacht ein Strom sich zurückziehender, ausgemergelter deutscher Soldaten desillusioniert durch Dorfen abgezogen, schilderten sie. Die US-Truppen nahmen Dorfen zunächst unter Beschuss: Granaten schlugen in der Stadtmitte ein, Gewehrsalven waren zu hören. Rosa Hauder erlebte den US-Einzug im Schutzkeller des Gebäudes der Brauerei Bachmayer. Lutz hingegen sah aus dem Elternhaus US-Soldaten im Garten, hörte Panzer anrollen und vereinzelte Schüsse.

Als Rosa Hauder aus dem Keller kam, erwartete sie ein surreales Szenario: Die Ortsmitte Dorfens war schneeweiß, denn es hatte über Nacht geschneit. Sie sah Panzer, Jeeps, Soldaten - und zum ersten Mal Menschen anderer Hautfarbe. Die elterliche "Soafa" sei später US-Kantine, das "Casino", geworden. Im Jakobmayer-Saal, in Hotels und Häusern wurden Soldaten einquartiert. Von 18 Uhr an galt eine Ausgangssperre. Wer sich nicht an Kommandos der Militärpolizei hielt, musste damit rechnen, erschossen zu werden.

Projekt am Gymnasium Dorfen: Zwei Zeitzeugen: Rosa Hauder und Jakob Lutz erzählten, wie sie die Ankunft der US-Truppen in Dorfen miterlebt hatten.

Zwei Zeitzeugen: Rosa Hauder und Jakob Lutz erzählten, wie sie die Ankunft der US-Truppen in Dorfen miterlebt hatten.

(Foto: Renate Schmidt)
Projekt am Gymnasium Dorfen: Auch eine Ausstellung zum Zweiten Weltkrieg und zur Nachkriegszeit war am Aktionstag aufgebaut.

Auch eine Ausstellung zum Zweiten Weltkrieg und zur Nachkriegszeit war am Aktionstag aufgebaut.

(Foto: Renate Schmidt)

Georg Bauer beobachtete den Einzug der US-Truppen in Lindumund Konrad Weiher in Taufkirchen. Bauer sah von Lindum aus Ende April 1945 US-Panzer auf Dorfen zurollen. Auch Tiefflieger waren im Einsatz. Die Isen-Brücken in Dorfen waren zwar vermint, wurden aber nicht mehr gesprengt. Auch der heute 93-jährige Prälat Josef Mundigl, der frühere Erdinger Stadtpfarrer, hatte in Hubenstein bei Moosen die US-Truppen anrücken sehen.

In Taufkirchen wurden Panzer rund um das Schloss postiert, erzählte Konrad Weiher. Viele Bürger im Landkreis seien nach den harten Kriegsjahren froh gewesen, dass der Spuk fast vorbei war. Die Weichen konnten nach der Diktatur in Richtung Frieden, Freiheit, Demokratie neu gestellt werden. Die Zeitzeugen lobten das Interesse der Schüler. Die Film-AG des Gymnasium mit einer Gruppe von Schülern und Jan Bönke als Regisseur war im Schulhaus für Filmaufnahmen unterwegs. In der Aula war die Ausstellung "Was konnten sie tun?" mit Informationen und Fotos zu mutigen Gegnern des NS-Regimes wie Sophie Scholl zu sehen.

Zur SZ-Startseite

SZ PlusKunstaktion
:Bilder aus dem Feuer

Der Erdinger Künstler Rudolf L. Reiter reist 2006 nach Island und versenkt seine Werke im Vulkan. Nun sind sie heimgekehrt.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: