Große Anstrengungen erforderlich:Europa in Erding

Bundestagsabgeordnete Claudia Tausend fordert vor Erdings SPD-Ortsverein einen Kurswechsel in Europa. Für das Lokale ist Ewald Schurer zuständig: Erding könne mit dem Warteraum Asyl einen Beitrag leisten

Von Max Ferstl, Erding

Als Claudia Tausend 2013 in den Europaausschuss des Bundestages eintrat, versprach ihr Vorgänger einen echten Traumjob: "Du kommst viel rum, siehst viele Länder." Und, so ganz nebenbei: "Viel Arbeit hast du eigentlich nicht." Letzteres stellte sich bald als grundfalsch heraus. Die EU taumelte von einer Krise in die nächste, der Europaausschuss hatte alle Hände voll zu tun: Griechenland, Trump, Brexit.

Claudia Tausend und Isabell Zacharias auf Parteitag der SPD München, 2014

Zu Gast im im Erdinger Mayr-Wirt: Bundestagsabgeordnete Claudia Tausend.

(Foto: Catherina Hess)

Claudia Tausend tupft sich mit einer Serviette den Schweiß von der Stirn. Im Erdinger Gasthof Mayr-Wirt ist es am Mittwochabend kühler als draußen, aber immer noch sehr warm. Vermutlich sind deshalb so wenige gekommen, um mit der Bundestagsabgeordneten der SPD über Europa zu diskutieren. "Ich kann's verstehen", gibt Tausend zu. Sie trocknet sich mit der Serviette den Hals. Nicht viel Arbeit?

"Das hat sich geändert", sagt Tausend, als sie die Anekdote über ihren Vorgänger erzählt. Seinen Namen möchte sie nicht verraten, um niemanden in Verlegenheit zu bringen. Außerdem hat inzwischen ohnehin jeder mitbekommen, dass Europa zur Zeit großer Anstrengungen bedarf. "Die Anzahl der offenen Fragen hat zugenommen", findet Tausend. Hier eine kleine Auswahl: das Freihandelsabkommen TTIP? "Hat uns fast zwei Jahre lang beschäftigt." Die Ukrainekrise? "Die schwerste Konfrontation mit Russland seit dem kalten Krieg." Die vielen Flüchtlinge im Spätsommer 2015? "Kamen nicht überraschend, falls jemand ein bisschen genauer hingeschaut hat."

Tausend zeichnet ein recht düsteres Bild: "Europa befindet sich in einer Krise." Aber sie ist schließlich auch nach Erding gekommen, um Lösungen zu präsentieren, es ist ja auch Wahlkampf: "Nach 35 Jahren Neoliberalismus braucht es eine Abkehr, um Europa und die Demokratie zu stützen." Deutschland müsse mehr investieren, wie es auch die europäische Kommission fordert, damit die kriselnden Länder Europas wieder auf die Beine kommen. Tausend findet: "Das Wohlstandsversprechen ist angeknackst." Zustimmendes Nicken im Saal.

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Am Mittwochabend beim Erdinger SPD-Ortsverein: Der Bundestagsabgeordnete Ewald Schurer.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Ein Ortsverein ist immer eine Art Heimspiel. Doch Tausend weiß: Im Gegensatz zu ihr beschäftigen sich die meisten nicht jeden Tag mit Europa, sondern vor allem damit, was vor der Haustür passiert. Dafür ist Ewald Schurer zuständig, der für den Wahlkreis Erding-Ebersberg im Bundestag sitzt. Schurer sagt: "Europa ist auch hier in Erding." Das offensichtliche Beispiel sei der Warteraum Asyl am Fliegerhorst Erding, der im Herbst 2015 eingerichtet wurde, als sehr viele Flüchtlinge ankamen. Über dessen Sinnhaftigkeit wird gerade debattiert, Landrat Martin Bayerstorfer (CSU) hat Ende Juni eine Schließung ins Spiel brachte. Dies wiederum hält Schurer für "billigen Populismus". Schließlich hätte vor kurzem erst Frank-Jürgen Weise, Beauftragter der Bundesregierung für Flüchtlingsmanagement, persönlich den Warteraum Asyl besucht und als "im Moment unverzichtbar" eingestuft. Erding werde also gebraucht, auch in Europa.

Am Ende des Abends fächert sich Tausend mit ihrer Mappe Luft ins Gesicht. Am vergangenen Wochenende hat sie sechs Sommerfeste besucht, in dem Rhythmus wird es wohl weitergehen. Ihr Vorgänger im Ausschuss hatte also nicht ganz unrecht: Sie kommt schon viel herum.

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