Grippe im Landkreis Erding:Der Höhepunkt steht noch bevor

Die Grippewelle begann in diesem Jahr früher als gewöhnlich, Erding blieb bisher weitestgehend verschont. Das Gesundheitsamt des Landkreises rät, sich auch jetzt noch impfen zu lassen

Von Sophia Neukirchner, Erding

"Wir haben deutlich mehr Grippefälle als im Vorjahr", sagt Dr. Elmar Gerhardinger, Vorsitzender des ärztlichen Kreisverbandes Erding und Facharzt für Allgemeinmedizin. In seiner Praxis in der Haager Straße in Erding hat er gerade viel zu tun, ein Drittel seiner Patienten behandelt er wegen infektiösen Atemwegserkrankungen, wie die Grippe eine ist. Er schätzt, dass er in dieser Saison gut 50 Prozent mehr Grippefälle behandelt als in der letzten intensiven Saison vor zwei Jahren.

88 Influenza-Fälle im Landkreis wurden dem Gesundheitsamt im Dezember und Januar gemeldet, ein Jahr zuvor waren es nur sieben. Die Zahl könnte sich in den kommenden Wochen noch einmal deutlich erhöhen, sagt Claudia Fiebrandt-Kirmeyer, Sprecherin des Landratsamtes. Sie verweist auf den Februar als Hauptsaison und die laufende Faschingszeit, in der viele Menschen auf engem Raum beisammen seien. "Die Zahlen sind jedoch kein Anlass zur irrationalen Besorgnis", sagt Fiebrandt-Kirmeyer, "die Menschen gehen immer achtsamer mit einer Grippe um und gehen eher zum Arzt." Das erhöhe die gemeldeten Zahlen.

Die Empfehlung des Gesundheitsamtes ist auch jetzt, mitten in der Saison, sich noch impfen zu lassen. Der Totimpfstoff schütze vollständig zwar nur jeden Dritten bis jeden Zweiten der sich impfen lässt, kann aber in den meisten Fällen den Verlauf der Erkrankung mildern, so die Aussage des Robert-Koch-Institutes. Einen Nachteil habe man aber in keinem Fall.

Dieser Empfehlung schließt sich Gerhardinger besonders für Schwangere und ältere Menschen an: "Prävention ist der beste Weg gegen eine Grippe." Tritt die Erkrankung mit plötzlichem Fieber und schweren Schwächegefühl auf, könne der Arzt nur noch symptomatisch behandeln und eine sekundäre Infektion mit einem bakteriellen Erreger verhindern. Er verweist jedoch auf die 14 Tage, die es dauert, bis die Grippeimpfung ihre volle Wirksamkeit entfaltet. "Erfahrungsgemäß dauert die Grippesaison bis Mitte März, da wird es jetzt schon knapp mit einer Impfung", sagt der Hausarzt.

Besonders gefährlich sei eine Infektion mit dem kursierenden Virussubtyp A(H3N2) für ältere und geschwächte Menschen, bei ihnen kommt es mitunter auch zu Todesfällen, so Susanne Glasmacher, Sprecherin des Robert-Koch-Institutes in Berlin. Zumindest bei Dr. Gerhardinger lassen sich deshalb gut die Hälfte der über 60-Jährigen jährlich impfen. Deshalb sind seiner Ansicht nach auch die "Mittelalten" zwischen 30 und 60 Jahren die am stärksten betroffene Gruppe.

Dieser Eindruck bestätigt sich auch in Einrichtungen, die sehr junge oder sehr alte Menschen, also die Risikogruppe für grippale Effekte, betreuen. Mariella Grasso-Adams, Leiterin der Kindergrippe "Hand in Hand" in Altenerding, sagt, sie habe nicht das Gefühl, dass mehr Kinder als sonst an der Grippe erkrankt sind. Schulamtsdirektorin Marion Bauer sagt: "Über außergewöhnlich hohe Grippeerkrankungen bei den Schülern ist uns nichts bekannt." Auch im Seniorenzentrum Heiliggeist-Stift in Erding habe man derzeit keine Probleme mit grippalen Infekten, teilt Einrichtungsleiter Georg Edenhofer mit.

Ungewöhnlich für die diesjährige Saison ist der frühe Beginn der Grippewelle: Normalerweise beginnt sie im Januar, doch dieses Mal war schon im Dezember ein deutlicher Anstieg von Influenza-Fällen zu bemerken. Das spiegelt sich teilweise auch im Landkreis wider. Zumindest Schulamtsdirektorin Bauer verweist auf einen starken Grippeausbruch im Dezember in der Grundschule am Ludwig-Simmet-Anger und auch im Klinikum Wartenberg, dass einen geriatrischen Schwerpunkt hat, sei die Lage kurz vor Weihnachten "angespannt" gewesen, teilt der Hygienebeauftragte Christian Walther mit: "Wir mussten leider mit einem Belegungsstopp reagieren, da wir gehäufte Influenza-A-Nachweise sowohl beim Personal als auch bei Patienten hatten." Mittlerweile habe sich die Lage aber entspannt. Im Vergleich zu anderen Kliniken, sei man noch "gut davon gekommen. Was eher immer wieder und gerade auch aktuell ein Thema ist, sind Rota- und Noroviren", sagt Walther.

"Die infektiösen Durchfallerreger halten uns und die Patienten gerade mehr in Schach als Grippefälle", sagt auch Dr. Christian Delanoff, Hygienebeauftragter des Klinikums Erding. Sein Kollege Dr. Thorsten Radons, Oberarzt für Innere Medizin und aktuell zuständig für die internistischen Patienten der Notaufnahme, ergänzt, dass er selbst und einige Kollegen zwar im Dezember von einem fieberhaften Infekt geplagt wurden, es im Moment aber "ruhig" sei. Trotz der vielen Influenza-Fälle bundesweit habe man nicht mehr Patienten mit infektiösen Atemwegserkrankungen in der Behandlung als in den Jahren zuvor. "Doch die Spitze der Grippewelle steht erst noch bevor. Einen Ansturm werden aber zuerst die Hausärzte bemerken."

Laut Robert-Koch-Institut ist derzeit die Mitte und der Süden Deutschlands stark von Grippe betroffen. Warum das so ist, kann sich Hausarzt Gerhardinger nur mit der milden Vorjahressaison erklären: "Die niedrige Durchseuchung gab wenig Anlass zur Antikörperbildung innerhalb der Bevölkerung. Nun trifft der Virus auf viele empfängliche Menschen."

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