Grafing:Das Beste, nicht das Billigste

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Bei der Vergabe öffentlicher Verträge auf Tariftreue zu achten, dafür plädieren auf dem Jahresempfang des DGB Ebersberg die Gewerkschafter

Von Franziska Langhammer, Grafing

Ein roter Schal blitzt hier und da im Publikum auf, unter der Discokugel werden Lachshäppchen und Erdbeersekt serviert, und das Jazz-Archiv-Trio Grafing rundet atmosphärisch den Abend ab. Eine Menge Themen sollen am Mittwochabend auf dem Jahresempfang des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) im Gasthof Zum Heckerbräu" angesprochen werden. Es soll unter anderem um die Kommunalwahl, den Kampf gegen Rechts, bezahlbares Wohnen oder die Tarifbindung gehen. Auch Landrat Robert Niedergesäß (CSU) ist anwesend, einige Mitbewerber um sein Amt und ein paar Bürgermeisterkandidaten aus dem Landkreis mischen sich ebenfalls unters Volk. Viele der Anwesenden scheinen sich schon lange zu kennen, man duzt sich.

Laut Einladung des DGB-Kreisverbandes Ebersberg soll der Abend auch dazu da sein, dass sich befreundete Organisationen vorstellen und ihre Perspektiven im Jahr 2020 für den Landkreis präsentieren. Bei der Begrüßung vermeldet die DGB-Kreisvorsitzende Eva Maria Volland jedoch, dass von "Fridays For Future" leider keine Vertreter kommen werden - keine Zeit. Auch vom Bündnis "Bunt statt Braun" ist niemand anwesend - Verspätung. Und so wird aus dem interdisziplinär angedachten Abend schnell ein Dialog des DBG mit den anwesenden Politikern und Politik-Interessierten.

Schnörkellos und zielgerichtet führt Volland durch den Abend, bezeichnet die Genossen und sich als "unverbesserliche Weltverbesserer" und zitiert aktuelle Studien. 83 Prozent der Beschäftigten fürchteten um ihren Job, so Volland, mit Blick auf beispielsweise die Automatisierung. Auch die Perspektiven in Deutschland seien düster, wenn man etwa die Automobilbranche betrachte: Mehr als 400 000 Arbeitsplätze würden dort in den kommenden Jahren verloren gehen. "Das ist eine der Herausforderung für die Gewerkschaften, mit diesen großen Umstrukturierungen umzugehen", so Volland. Deshalb sei eines der wichtigsten Themen des DGB im Jahr 2020 die Stärkung der Tarifbindung, nur diese könne vor Ausbeutung am Arbeitsplatz schützen.

Gerade angesichts der anstehenden Kommunalwahl müsse es ein langfristiges Thema sein, wie man mit der Tarifbindung umgehe, sagt Werner Bachmeier vom DGB Ebersberg. Er umreißt kurz die Historie des Tarifvertrags, die vor mehr als 100 Jahren ihren Anfang nahm, als die großen Unternehmen und Arbeitgeber kurz nach dem Ersten Weltkrieg auf die Gewerkschaften zugingen. Dabei betont er immer wieder: "Arbeitszeit, Urlaubstage, so wie wir das alles kennen - das ist alles zurückzuführen auf die damals geschlossenen Tarifverträge." Das Problem sei, dass heute extrem schnell über althergebrachte Strukturen hinweggegangen würde; dabei seien immer mehr Arbeitgeber nicht in der Lage, sich ohne Tarifverträge über Wasser halten zu können. Dann macht Bachmeier auf das Potenzial aufmerksam, das man mit Hilfe von Tarifverträgen arbeitnehmerverträglich umsetzen könne: 15 Prozent des Bruttoinland-Produkts würden von Seiten des Bundes jährlich ausgeschüttet als Aufträge von Dienstleistungen. Bachmeier appelliert an die Kommunalpolitik, bei der Vergabe öffentlicher Aufträge umzudenken: "Es muss nicht das Billigste sein - es muss das Beste sein." Gemeinden und Kommunen seien besser damit beraten, bei der Auftragsvergabe zu prüfen: Ist das jemand, der eine vernünftige Tarifstruktur hat?

Dass manchmal Theorie nicht viel mit der Realität zu tun hat, wird in der folgenden Diskussion deutlich: Bianka Poschenrieder (SPD) meldet sich zu Wort, Zweite Bürgermeisterin von Zorneding: Als die Gemeinde die Deutsche Glasfaser engagierten, hätten alle gedacht, es handle sich um ein tariftreues Unternehmen. "Doch dann wurden die Arbeiten an Subunternehmen weitergegeben, die sie wieder an Subunternehmen weitergaben", sagt Poschenrieder. Für eine Kommune sei das manchmal nicht mehr überblickbar; und nachdem der Vertrag schon abgeschlossen gewesen sei, habe es auch kein Zurück mehr gegeben. Zustimmendes Geraune im Publikum. Bachmeier bietet eine relativ schnöde Lösung: "Man sollte mitdenken bei Verträgen." Er zitiert einen Artikel aus der Süddeutschen Zeitung, nach dem 4300 Menschen im Landkreis Ebersberg derzeit im Niedriglohnsektor tätig sind. Volland fügt hinzu, dass vor allem Frauen davon betroffen seien, und verweist auf die Erzieherinnen: Sie hätten sich gewerkschaftlich organisiert und damit enorme Verbesserungen erreicht. Trotzdem sei die Lage von vielen noch prekär. Bianka Poschenrieder erzählt von einer Zornedinger Bürgerin, die in München arbeite, weil sie dort eine höhere Arbeitsmarktzulage bekomme. Vaterstetten, erklärt Volland, plane aus diesem Grund, eine höhere Zulage zu zahlen.

Zuletzt fasst Eva Maria Volland noch die Ergebnisse des DGB-Fragebogens zusammen, der im Dezember an verschiedene Politiker und Bürgermeisterkandidaten im Landkreis Ebersberg verschickt worden war. Darin wird etwa nachgefragt, ob diese der Aussage "Öffentliche Aufträge sollen nur an Unternehmen vergeben werden, die Tarifverträge anwenden" zustimmen. Mit wenigen Ausnahmen sind alle dieser Meinung.

Klaus Eimer von der FDP in Grafing allerdings antwortet, es solle eindeutig kein staatlicher Eingriff in die Tarifautonomie stattfinden. Auch Peter Pernsteiner von der FDP in Zorneding findet, es könne nicht angehen, dass sich Kommunen nur an Tarifverträge zu halten haben. Josef Peis von Pro Ebersberg ließ wissen, dass Werte der Gemeinwohlökonomie auch von Unternehmen ohne Tariftreue befolgt werden könnten. "Das ist richtig", sagt Volland, "allerdings nicht einfach zu überprüfen."

© SZ vom 21.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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